Tekken 8 angespielt: Euch war Tekken schon immer zu dröge? Katsuhiro Harada dreht jetzt erst richtig auf!
Ganz schön heiß hier
„Wenn man sich Boxen anschaut, dann ist es nicht besonders unterhaltsam, wenn der Kampf so ausgeglichen ist, dass sich die Kämpfer zwar auf taktisch anspruchsvolle Art abtasten, aber keiner von beiden einen kritischen Treffer landet.“ So beschreibt Tekken-Urgestein Katsuhiro Harada, der seit Teil drei seine kreative Hand über die Serie hält, ein Phänomen, das er gerne abschaffen würde. Immerhin können gute Spieler jeden Angriff relativ einfach abwehren, sodass vor allem hochklassige Partien gerne in einem recht gleichförmigen Schlagabtausch ausklingen.
Harada sowie Produzent und Übersetzer Michael Murray stehen mir und anderen Redakteuren in einem Interview Rede und Antwort, nachdem und bevor wir mehrere Stunden lang Tekken 8 gespielt haben. Natürlich nicht das fertige Spiel, aber eine frühe Demo, in der wir uns bereits mit zehn Charakteren nach Lust und Laune durch fünf Arenen prügeln konnten.
Und natürlich fühlt sich Tekken 8 sofort nach Tekken an. Kurz zur Erinnerung: Schon die im Vorgänger eingeführten Rage Art und Rage Drive sowie Moves, mit denen man – ausreichend Lebensenergie vorausgesetzt – durch einen gegnerischen Angriff durchpowern konnte, brachen das vertraute Hin und Her aus Angriff und Verteidigung ein wenig auf und das meiste davon ist weiterhin vorhanden.
Aber ganz zufrieden war Harada damit eben noch nicht. „Es ist wesentlich interessanter – und man kann sehen, dass es die Leute lieben –, wenn einer der Kämpfer zum Beispiel von einem Fehler profitiert und sich dadurch plötzlich die Balance verschiebt.“
Das sind somit Momente, die Tekken 8 prägen sollen und deshalb gibt es ein System namens Heat, das in seiner Grundform ganz einfach funktioniert: Wer es aktiviert, der kann zehn Sekunden lang so mächtig zuschlagen, dass die Treffer sogar durch den Block des Kontrahenten gehen. Mit dem Heat Smash steht währenddessen außerdem eine besonders mächtige Attacke zur Verfügung; in gewisser Weise ein zweiter Rage Art. Nicht zuletzt wird zudem das Timing für das Auslösen bestimmter Moves bei laufender Heat deutlich vereinfacht.
Mehr noch: Wer ganz bestimmte Kombos landet, kann sich anschließend mit einer schnellen Vorwärtsbewegung, dem so genannten Heat Dash, auf seinen Gegner zu bewegen, um den aggressiven Flow am Laufen zu halten. Die Offensive gewinnt in Tekken also gehörig an Bedeutung. Tatsächlich kann man die Dauer der Heat sogar verlängern, wenn man währenddessen zuschlägt oder verteidigt. Dabei hält der ablaufende Zehn-Sekunden-Balken nämlich jedes Mal an.
Button-Mashen statt Kampfsport also? Nun, tatsächlich gewinnen die Partien durch das Heat-System eine Menge Schwung und so manche Runde dürfte dadurch kürzer ausfallen als in Teil sieben. Harada will ein wenig mehr Feuer in die Auseinandersetzungen bringen und das gelingt ihm damit ohne Weiteres.
Zumal das Ganze auch hervorragend inszeniert wird! Nun finde ich durchaus, dass die meisten der in der Demo vorhandenen Arenen das eine oder andere Detail mehr vertragen könnten. Gras am Boden bewegt sich zum Beispiel nicht, während Schritte im Wasser kaum sichtbare „Spuren“ hinterlassen – dabei könnte beides die Dynamik aller Aktionen noch stärker unterstreichen. Lediglich die Leuchtreklame des offiziell nicht so benannten Times Square verleiht dem urbanen Szenario den mit Abstand coolsten Style.
Es sind daher die Charaktere, die am meisten vom Umstieg auf Unreal Engine 5 profitieren. Die wurden nämlich nicht nur komplett neu erstellt: Mir gefallen vor allem die zum Teil sehr ausdrucksstarken Animationen, mit denen etwa die Rage Arts eingeleitet und Partien beendet sowie gestartet werden. Schaut Marshall Law nur mal in die Augen. Oder seht einem Jack-8 dabei zu, wie er sich nach einem Sieg so doll auf die Brust klopft, dass er auf den Rücken kippt.
Ganz besonders haben es mir aber die Übergänge etwa zum Auslösen von Heat oder dem Ankommen bestimmter Treffer angetan, bei denen die Bewegung des jeweiligen Athleten kurz per Superzeitlupe eingefangen wird. Das sind verdammt schicke Einstellungen, die erstaunlicherweise nicht mal den Spielfluss stören, sondern zusammen mit weiteren geschickten Kameraschwenks die Wucht des mächtigen Prügelns unterstreichen.
Aber lasst mich noch mal auf die Befürchtung zurückkommen, Tekken 8 würde dank des Heat-Systems zum reinen Button-Mashen verkommen. Diese Gefahr sehe ich nicht. Zum einen verliert das Spiel ja nichts von seiner Tiefe. Sämtliche Kämpfer beherrschen noch immer Dutzende Moves und wer das Spiel auf einem auch nur halbwegs gehobenen Level spielt, der sieht ohne überlegtes Vorgehen und geübtes Timing kein Land.
Und erwähnte ich zuvor, dass die Angriffe unter Heat sogar einen Block durchschlagen? Tun sie – genauso wie einige der regulären Attacken ganz ohne Heat. Allerdings kann man die so verlorene Lebensenergie zurückgewinnen, indem man selbst in die Offensive geht. Man muss dann lediglich selbst Treffer landen oder auf den Block des Kontrahenten schlagen, um sich ganz langsam zu heilen. Richtig: Auch an dieser Stelle forciert Tekken 8 das Spiel nach vorne und bestraft lediglich das Einigeln, nicht das geschickte Taktieren.
Ich glaube auch nicht, dass die Defensive dadurch an Bedeutung verliert. Zumindest kann man die zehnsekündige Heat des Gegners mit einer guten Verteidigung durchaus ins Leere laufen lassen. Und übrigens können gegnerische Heat-Treffer, die durch die eigene Deckung schlagen, kein KO verursachen.
Euch ist das alles trotzdem zu viel? Ihr wollt einfach nur ein bisschen Knöpfe drücken, um Mitbewohnerinnen und Kumpels zu diktieren, wer im Ring das Sagen hat? Könnt ihr haben! Zieht die linke Schultertaste und schon funktionieren die vier zentralen Eingabetasten ganz anders als normal. Dann kombiniert ihr mit Viereck beziehungsweise X eine immer gleiche Kombo auf den Körper, während Kreis beziehungsweise B ein paar niedrige Attacken aneinanderreiht und so weiter.
Das soll auch Kennern dabei helfen schnell den Stil eines neuen Charakters kennenzulernen – ich muss allerdings sagen, dass mir das beim Ausprobieren wenig Spaß gemacht hat. Nun bin ich von „Kenner“ meilenweit entfernt, aber das reguläre Benutzen von jeweils linken und rechten Gliedmaßen finde ich eben nach wie vor eingängiger und spaßiger. Auch zum Kennenlernen.
Macht ja nichts! Manche Einsteiger dürften sich über die Vereinfachung freuen und immerhin kann man jederzeit wechseln, also wirklich mehrmals pro Runde, wie auch immer man lustig ist, gerne mitten in der Kombo. Das ist dann mindestens zum spaßigen Herumprobieren mal erstaunlich unterhaltsam.
Zumal ich eine weitere Vereinfachung noch gar nicht erwähnt habe. Schließlich muss man weder Rage Art noch Heat über eine reguläre Tastenkombination aktivieren oder gar in eine Angriffskette einbauen. Denn man kann beides über jeweils eine der rechten Schultertasten abrufen. Meins ist das nicht, aber es erleichtert das Auslösen der starken Manöver natürlich enorm. Man muss mit dieser Hilfe lediglich in Kauf nehmen, dass bei der so eingesetzten Heat nur ein einziger Heat Dash zur Verfügung steht. Normalerweise sind es zwei.
Und Heat kann übrigens nicht nur die Durchschlagskraft befeuern. Hin und wieder fand ich es nämlich hilfreich, sie möglichst früh auszulösen und mir den Heat Smash nicht bis zuletzt aufzuheben, sondern ihn gleich zu Beginn rauszuhauen. Klar, das ist bedeutend weniger effektiv. Im Gegenzug ist die Lebensleiste des Gegners dafür gleich erst mal deutlich niedriger als die eigene – was für mich den psychologischen Effekt hatte, dass ich schneller einen gedanklichen Fuß in knifflige Matches bekommen habe als es sonst der Fall gewesen wäre.
Wie gesagt: Tekken 8 soll von diesen Momenten leben, die in einem Augenblick das Gleichgewicht kippen lassen. Und wenn ihr mich fragt, dann könnte Heat in der Tat dieses Zünglein an der Waage sein, mit dem man genau das erreicht.