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Tekken Tag Tournament 2 - Test

Im goldenen Zeitalter zu leben, kann mit der Zeit schon ein bisschen langweilig werden.

Tekken Tag Tournament 2. Allein schon der Name ist ein Statement verlorener Magie. Tekken, das Erste, war DAS Ding der Stunde. Tekken 2 und 3 einzulegen, waren Welten, die bewegt wurden. Endlose Nächte voller Kombos, Aufregung im Vorfeld, Ekstase beim Erscheinen. Die Magie eines neuen Prügelspiels über die letzten Jahre hingegen ... Street Fighter 4 vor ein paar Jahren vielleicht noch. Sonst? Meh ... Die Dinger sind einfach zu gut geworden. Mal ehrlich, wann erschien das letzte wirklich schlechte Prügelspiel? Rise of the Robots? "Indie"-Verbrechen wie Deadliest Warrior natürlich ausgenommen.

Tekken Tag Tournament 2 also und es erfüllt nicht nur die Erwartungen, es legt noch einen oder zwei drauf. Es ist Perfektion und sogar die Perfektion, die ich persönlich wirklich in einem Prügelspiel schätze. Nah-Kontakt statt Projektile, die Kämpfer immer im direkten Clinch, lange Kombos, Counter und Paybacks inklusive. TTT 2 spielt sich wie ein Traum, daran kann kein Zweifel bestehen. Aber wo ist die Magie, das Wunder ob des großen neuen Titels? Es ist halt die Fortsetzung zum Spin-off der Serie. Schwer da jetzt den großen Funken zu zünden.

Das mag jetzt alles Altersschwäche meinerseits sein. Langes Gamer-Leiden, der schon ein paar Generationen zu viel mitnahm, aber das ist es nur zum Teil. Ich weiß, dass es in manchen Genres nicht die bahnbrechenden Umwälzungen geben kann, welche bitte sollten das hier auch sein? Und dass TTT2 wenn schon nicht danach, dann doch nach Perfektion strebt und sie in gewisser Weise auch erreicht. Selbst ich als Street-Fighter-Fanboy akzeptiere und genieße das in vollen Zügen. Während ich unbeeindruckt bin. Aber was soll's, ich habe viel zu viel Spaß, um mich wirklich aufzuregen. Und außerdem, eine Sache versucht TTT2 eben doch.

Prügelspiele sind mittlerweile endgültig eine Zweiklassengesellschaft. Auf der einen Seite die Pros, die alles geben, jede Kombo wie selbstverständlich lernen und wenn es nötig sein sollte auch aus dem Anleitungsheftchen, als wäre es 1992. Und dann sind da die "Noobs", die alle paar Jahre, wenn überhaupt, mal reinschauen, auf halb-easy die KI durchleben, und dann als Bodenfeger im Onlinespiel herhalten müssen. Der Graben dazwischen ist sehr tief und das Mittelfeld als Brücke praktisch nicht vorhanden. Was TTT2 versucht - und das meiner Ansicht nach sogar ausgesprochen erfolgreich - ist, hier eine Brücke zu bauen und das Lager der Unerfahrenen in Könner zu verwandlen, ohne sie in simplen Dauer-Tutorial-Dojos zu nerven.

Tekken Tag Tournament 2 - Swimsuit-Trailer

Die Geheimwaffe dafür heißt Fight Lab und ist letztlich ein Roboter, den ihr per eigener Stil-Definition formt, mit ein paar ganz leichten RPG-Anleihen aufbohrt und zu euerer ganz persönlichen Kampfmaschine heranreifen lasst. Ihre Kombos lernt ihr, eingebettet in eine Tekken-drollige Story, praktisch nebenbei und spielerisch. Scheinbar hat man sich ein paar Bücher zum Thema Pädagogik angeguckt und kam zum Schluss, dass auch Spieler wie Kinder nur den richtigen Rahmen zum Lernen brauchen und dann klappt das schon. Und ja, es funktioniert. Super sogar. Während sich jeder, egal ob alt oder neu im SF4-Dojo genervt abwendet, verbringt man hier enthusiastische Stunden und baut den Bot zur Perfektion aus.

Der kleine Haken an der Sache ist, dass ihr damit nicht unbedingt einen speziellen der regulären Kämpfer meistert. Die Moves und ihre einzelnen Konzepte bauen auf gleichartigen Mustern auf und insoweit ist der Bot eine wertvolle Fingerübung und ihr seid danach weit bessere Prügelspieler. Aber mit den einzelnen Kämpfern müsst ihr danach immer noch Hände und Fäuste schütteln, was durchaus mitunter Stunden, Tage oder Wochen - ja nach eigenem Talent - bis zum Anfang der Perfektion dauern kann. Aber egal, der wichtigste Schritt ist gemacht, eure Reflexe und Bewegungen spielerisch gestärkt und ihr hattet so schon für lange Zeit Spaß dabei.

Tekken Tag Tournament 2 - Snoop-Dogg-Trailer

Das ist auch wichtig für die echte Herausforderung. Die liegt nämlich nicht in der KI, welche uns zur Einleitung zurückbringt. Spielte man damals auch noch, um diese zu besiegen und zu meistern, ist hier endgültig die Luft raus. Wenn man lang genug übt, besiegt man sie auf jedem Level - tue ich nicht - aber der Reiz dessen lässt sich nicht beliebig oft wiederholen. Was jedoch nicht verfliegt und was es damals nicht gab, ist der Kampf gegen die große Unbekannte da draußen im Netz. Gegen andere Spieler vor Ort ist alles Spaß und gute Laune, so wie es das immer war, aber der Netz-Code erlaubt das Aufleben echter Aufregung und ja, der in TTT2 ist verdammt gut.

Volle Signalstärke, keine Aussetzer, für mich nicht feststellbare Lags - echte Profis erzählen vielleicht was anderes, auch wenn ich bisher noch nichts hörte - und Tonnen von Statistiken, um eueren Rang in der Welt zu definieren. Viel mehr als hier geboten wird, kann man sich für einen Tournament-Fighter kaum wünschen. Außer vielleicht, dass man Online direkt Freunde anwählen und mit ihnen in einem Tag gegen andere Spieler antreten könnte. Dafür müsst ihr zu zweit zusammen vor der Konsole sitzen. Ich empfand das mehr als ein Kuriosum angesichts der sonst endlosen Einstell-Möglichkeiten der Online-Kämpfe.

Was einen Tournament Fighter sonst auszeichnet und was seine Balance auf den höchsten Leveln des Könnens noch beweisen muss - wiederum für mich völlig tadellos, aber die Besten der Besten müssen ihr Urteil noch fällen - ist das komplexe System aus Launch-, Bound- und Tag-Angriffen. Erstere befördern den Gegner in die Luft und eröffnen Möglichkeiten, ihn mit langen Kombos zu quälen. Geht es jedoch schief, wird er mit euch den Boden aufwischen. Gleiches gilt für die richtige Anwendung der Bounds, die den Gegner auf den Boden holen und wiederum Chancen für Kombo-Ketten bieten. Dazu kommt der zwingende Einsatz sinnvoller Tags - sofern ihr nicht nur mit einem Charakter antretet -, der absurde Kombos und Special eröffnet sofern ihr denn die erforderliche Arbeit investiert, diese zu lernen. Denn macht nicht den Fehler und nehmt es auf die leichte Schulter. Spielen ist einfach, TTT2 zu meistern ... ich würde nicht sagen "Lebensaufgabe", aber ihr seid schon beschäftigt zu verhindern, dass ihr ständig als wandelnde Kontermöglichkeit den Asphalt küsst.

Gerade die Tag-Systeme sind beeindruckend, besonders für jemanden wie mich, der nie viel von diesen Systemen gehalten hat. Die simple Tatsache, dass der Kampf endet, wenn einer von beiden auf dem Boden liegt, sammelt schon einige Punkte, die die gute Balance dann ausbaut. Jede Kombination aus Kämpfern macht nach einer Weile einen eigenen Sinn mit kleinen Feinheiten und auch Schwächen, die es zu lernen gilt. Sogar überzeugte Einzelkämpfer müssen nicht verzweifeln, sie haben gegen Zweierteams gute Chancen, weil die richtige Gewichtung zwischen Angriffstärken und Lebensenergie gefunden wurde. Es zeigt sich in solchen Dingen, dass hier viele Jahre Erfahrung drinstecken und wie alles andere auch an diesem Spiel gibt es keinen Ansatzpunkt für echte Kritik.

Tekken Tag Tournament 2 - Trailer

Genug an Abwechslung wird auch geboten, die Charakterliste nimmt inzwischen fast absurde Züge mit 40+ Figuren an, für alle gibt es Outfits und ihr Arcade-Mode endet mit ein paar der schrägeren Momente der Serie. Und das heißt in diesem Falle so einiges. Minispielchen sucht ihr diesmal leider vergeblich, dafür gibt es ja das Fight Lab. Und eigentlich habe ich auch für dieses Leben genug Beach-Volleyball mit Gon gespielt.

Tekken Tag Tournament 2 ist perfekt. Simpel und einfach. Es wird viele philosophische Diskussionen geben, ob es besser als Tekken, Street Fighter oder welcher Fighter auch immer ist, aber das liegt daran, dass sich diese Spiele alle auf einem unglaublich hohen Niveau bewegen und keiner so genau weiß, wie man es noch besser machen soll. TTT2 sieht super aus, läuft butterweich über den Screen und das ist viel wert, gerade im engen Super-Nahkontakt, den dieses Spiel mit letztlich eher dezenten Neuerungen in seinen Kombo-, Tag- und Counter-Mechaniken sucht. TTT2s wirklich lobenswerter Ansatz ist es, die inzwischen ausgestiegenen Prügel-Spieler mittels des Fight Labs zurück in den Zirkus hochkomplexer Moves zu holen und dies mittels einer spielerischen, intelligenten und einfach spaßigen Methode. Kudos für den Versuch und auch den Erfolg, soweit man das schon sagen kann.

Tekken Tag Tournament 2 ist eigenständig in seinen Bewegungen, seiner Kampfdistanz und seinen Kombos, so wie alle Prügelspiele irgendwo ihre eigene, sehr kleine Nische haben. Und es ist so perfekt wie alle anderen aktuellen großen Prügelspiele auch. Jedes für sich. Perfektion kann schon manchmal langweilig sein. Nörgeln auf Everest-Niveau ist ein Zeichen ultimativen Luxus.

Denn letztlich werfe ich Tekken Tag Tournament 2 nichts anderes vor, als dass es nur tadellos ist.

Gott, geht es dem Genre gut.

Oder?

9 / 10

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