Tera
Ein interessanter, wunderschöner Rohdiamant
Das Auto-Angriff-Kampfsystem der meisten Online-Rollenspiele stammt aus einer Zeit, als sich ein Großteil der Spieler noch mit Modem und ISDN durch den Äther bewegte. Damals war es wichtig, die ständig auftretenden Lags abzufedern. Ob eine Waffe oder ein Zauberspruch trifft oder nicht, wurde und wird noch immer in Form von Werten ausgewürfelt. Die Qualität der eigenen Leitung ist dadurch fast irrelevant und allein der taktische Einsatz der eigenen Fähigkeiten der limitierende Faktor.
Doch das System hat auch Nachteile. Die eigenen Fähigkeiten an Maus und Keyboard werden mit der Zeit nahezu irrelevant. Ab einem gewissen Level entscheiden vielmehr die Ausrüstung, die Kombination aus Klassen und Fähigkeiten. Und obwohl inzwischen nahezu alle Spieler mit Breitband-Internet unterwegs sind, wagt sich kaum ein Rollenspiel aus diesem bewährten, aber eigentlich antiquierten System heraus. Ein Titel spielt sich wie der andere. Für mich ein Grund, warum mich kein Online-Rollenspiel länger als ein bis zwei Monate fesseln kann.
Und nun kommt gerade ein koreanisches Online-Rollenspiel daher, um den westlichen Entwicklern zu zeigen, wie man eine neue, erfrischend andere Spielerfahrung abliefert. Tera befreit den Kampf von dem uralten Ballast und liefert ein durchdachtes System mit Kollisionsabfrage. So wird zum Beispiel das Ziel nicht mehr automatisch anvisiert, ihr müsst alle Attacken direkt platzieren. Die wichtigsten Angriffe liegen dabei auf den Maustasten, ihr könnt euch also wie bei einem Action-Rollenspiel beim Kämpfen ganz auf das Zielen konzentrieren. Sonderattacken werden immer noch über die Zahlentasten oder, wenn ihr ein Gamepad verwendet, über weitere Knöpfe ausgelöst. Eine wichtige Rolle spielen außerdem Kombos. Verbindet ihr unterschiedliche Attacken miteinander, könnt ihr im richtigen Moment verheerende Superschläge auslösen.
Doch die Kollisionsabfrage ist nicht nur beim Ausführen von Angriffen von entscheidender Bedeutung, auch bekommt damit ein Tank selbst im PvP eine deutlich wichtigere Rolle. Er kann mit seinem Körper Gegner richtiggehend abblocken. Diese müssen sich praktisch um ihn herumbewegen, um an die schwachen Damage Dealer zu gelangen. Ein Ansatz, der Großes verspricht.
Zusätzlich kann man aktiv Angriffen per Rolle ausweichen beziehungsweise als Tank mit seinem Schild abwehren. Wichtig ist dabei, dass man die Bewegungsmuster der Gegner kennt. NPCs und Spieler kündigen besonders starke Attacken mit entsprechenden Animationen an. Wer sich die merkt, kann so rechtzeitig reagieren und sich eine Menge Heilung sparen. Euer individueller Skill an Maus und Keyboard ist damit deutlich wichtiger als bei der Konkurrenz. Natürlich erfordert Tera deshalb gerade zu Beginn eine Umstellung. Entspannt farmen und nebenbei Kaffee trinken ist so kaum möglich. Ihr müsst euch voll konzentrieren und euch gerade bei gleich starken Gegnern richtig ins Zeug legen.
Ein weiters herausragendes Merkmal ist die Grafik. Tera ist zwar nicht das erste Online-Rollenspiel, das die Unreal Engine 3 verwendet, doch die Umsetzung ist wirklich beeindruckend. Neben den wunderschönen Charakteren begeistert vor allem die Umwelt. Lauschige Wälder, gewaltige Berge und dichtes Gras machen jede Region zu etwas ganz Besonderem. Ihr kämpft euch durch Schnee, verrauchte Aschewüsten und gewaltige Kristallwälder. Das kunterbunte, asiatisch angehauchte Design mag nicht jedermanns Fall sein, aber die Umsetzung ist wirklich meisterhaft. Noch dazu weiche Animationen und schicke Spezialeffekte. Besonders im Vergleich mit World of WarCraft oder anderen MMORPG-Dinosauriern ist Tera wirklich eine Augenweide.
Bei der Charakterentwicklung bietet euch Tera dagegen viele Freiheiten. Alle sieben Rassen können die acht unterschiedlichen Klassen auswählen. Naja, eigentlich gibt es in Europa nur sechs Rassen. Die schulmädchenhaften Elin scheinen Frogster optisch doch etwas zu heikel zu sein. Die kurzen Röcke und der weite Ausschnitt sind für den westlichen Geschmack wohl doch etwas zu sexy. Angeblich wird daran noch gearbeitet. Und natürlich machen dabei manche Kombinationen mehr Sinn als andere.
Wer zum Beispiel aus einem kleinen Popori einen Tank macht, verschenkt viel Potential. Mit diesen Teddybären-artigen Wesen lassen sich Gegner schon aufgrund ihrer Größe deutlich schwerer abwehren, außerdem besitzen sie zum Beispiel nicht die exklusiven Abwehr-Rassenfähigkeiten der Baraka, profitieren aber im Gegenzug von einem Geschwindigkeitsbonus.