TERA - Vorschau
Zu schön für Einzelkämpfer
TERA hat eine super Grafik und ein actionreiches Kampfsystem.
Aha. Und wie ist das Spiel sonst so?
Also die Grafik ist klasse und das Kampfsystem ist sehr actionreich.
Aber wie ist TERA denn nun konkret?
Naja, da wäre die brillante Grafik. Und dann erst das Kampfsystem. Action ohne Ende!
Äh. Ist das schon alles?
Nein. Hab ich die Grafik schon erwähnt? Oder das Kampfsystem?
Aber jetzt mal alle Kalauer beiseite. Kaum ein Bericht über TERA im Netz, der nicht als erstes die Qualitäten der Unreal Engine 3 preist, gefolgt von den Vorzügen des aktiven Zielens und Ausweichens. Und so peinlich mir das ist, nach meinem Testlauf während des dritten geschlossenen Beta-Wochenendes muss ich zunächst in diesen Chor einstimmen. Es liegt einfach zu offensichtlich auf der Hand.
Optisch ist der Titel unbestritten eine Augenweide. Das beginnt bei der Individualisierung eures Charakters. Der Editor hat mehr Schiebregler als ein DJ-Pult und lässt euch enorme Freiheiten bei der Anpassung eures Recken. Später könnt ihr eure Rüstungen mit entsprechenden Kits nach eurem Geschmack umfärben. Nach einer kurzen Einleitungssequenz steht ihr als nächstes auf einer prächtigen Insel und begreift, weshalb alle Tester die Engine so bejubeln. Die Texturen sind schärfer, die Farben prächtiger, die Landschaften weiter und die Modelle detaillierter als man das von der Konkurrenz gewohnt ist. Lediglich Guild Wars 2 kann da im Moment noch eins draufsetzen.
Und dann erst die Kämpfe. Sich als Lanzer mit schwerem Schild krachend zwischen ein heranstürmendes Monster und seinen Teamkameraden zu werfen, während der Kollege voll konzentriert den Bösewicht mit Feuerbällen eindeckt, fühlt sich einfach bombastisch an. Die Designs der Gegner sind erfreulich abwechslungsreich und in höheren Level beherrschen die Viecher ein paar gewitzte Manöver, weichen euch aus, flankieren euch oder wechseln zwischen Nah- und Fernkampf. Manchmal werdet ihr von allen Seiten bedrängt, manchmal stampft ein titanischer Hüne allein auf euch los, manchmal geschieht beides gleichzeitig.
Eure Fähigkeiten können in Ketten miteinander kombiniert werden, bauen aufeinander auf oder verstärken sich gegenseitig durch Synergieeffekte. Haue ich beispielsweise einem Monster meinen Schild um die Ohren, kann mein Lanzer den benommenen Widersacher mit einem weiteren Tastendruck aufspießen und mit dieser Kombo zusätzlichen Schaden verursachen. Richtig zur Geltung kommt das System beim Krieger mit seinen beiden Schwertern. Der schnetzelt wie ein Mähdrescher durch die Monsterhorden.
Leider hält TERA es dann aber doch sehr mit der Redensart von "wo Licht ist ..." und präsentiert folglich reichlich dunkle Schatten: Selten habe ich so uninspirierte Missionen erlebt. Feinde töten, Sachen sammeln, Postbote spielen, NPCs beschützen. Das wird verdammt schnell eintönig. 90 Prozent der Zeit verbringt ihr mit stupidem Abmurksen von irgendwas. Questtexte sind nur wegen der Wegpunkte bedeutsam und können ansonsten ignoriert werden. Der einzige Lichtblick sind allenfalls die kuriosen Monsterdesigns. Ja, auch andere MMOs tun sich hinsichtlich der Abwechslung schwer und selbst das viel gelobte Star Wars: The Old Republic gewinnt keinen Preis für innovatives Questdesign.
Aber im Gegensatz zu TERA versuchen die NPCs im Sternenkrieg wenigstens, mein Interesse zu wecken. Die Figuren sind in eine stimmige Atmosphäre eingebettet und wirken nicht willkürlich in die Landschaft getackert. Dank der obligatorischen Zwischensequenzen erfahre ich, dass der junge Kommandant Mist gebaut hat, dass deswegen ein Außenposten überrannt wurde und dass ich ein paar feindliche Funkcodes sammeln muss, um mehr über die nächsten Schritte der Invasoren zu erfahren. Darum soll ich ein paar Droiden plätten und ihre Speicherchips klauen. Das ist plausibel. In TERA fühlt sich jede gelesene Zeile wie Zeitverschwendung an. Warum ich 20 Zwerge erschlage? Keine Ahnung. Ist eh wurscht. Ich tu's halt für die Erfahrungspunkte.
Paradoxerweise ist es ein geschickter Design-Kniff, dass alle Charaktere dem gleichen Handlungsstrang folgen. Klassenquests oder Aufträge für verschiedene Völker gibt es nicht. Jedes Volk kann jede Klasse wählen. Die rassenspezifischen Boni sind kaum der Rede wert. Auch Fraktionen sind ein Fremdwort.
Woanders wäre diese Gleichschaltung aller Spieler ein handfester Makel, in TERA ist es von Vorteil. Denn dadurch fördern die Entwickler schon sehr früh das konsequente Gruppenspiel. Nach kurzer Zeit kommt man alleine nur noch sehr mühsam weiter und tut sich automatisch mit anderen Spielern in der Nähe zusammen. Im Team sind die Metzel-Quests weit weniger ermüdend und machen fast schon Spaß, woran wiederum das Kampfsystem einen großen Anteil hat. TERA trumpft erst so richtig auf, wenn man sich in einer Party gegenseitig den Rücken frei hält, die eigenen Stärken mit denen seiner Mitstreiter kombiniert und schließlich selbst harten Zwischenbossen und Endgegnern Paroli bieten kann. So gesehen ist TERA ein absolut lupenreines MMO.
Vom angekündigten Politiksystem konnte ich mir während des Beta-Wochenendes leider keinen Eindruck verschaffen. Auch ins Handwerkssystem konnte ich nur kurz reinschnuppern. Es gibt diverse Sammelberufe für Ressourcen und sechs herstellende Berufe (Nahkampfwaffenschmiedekunst, Fernkampfwaffenschmiedekunst, Rüstungsschmiedekunst, Lederverarbeitung, Schneiderei, Alchemie) die ihr mit ausreichend Münzen im Säckel alle lernen und maximieren dürft. Das kann sehr schnell sehr teuer werden, weshalb ihr auch hier lieber im Team arbeiten und euch in eurer Gilde spezialisieren solltet.
Das Ergebnis eurer Mühen könnt ihr elegant im eigenen NPC-Shop verticken, dem sogenannten Homunkulus. Dieser ist eigentlich ein Haustier, das zuerst aus einem Ei ausgebrütet werden will. Je nach Ausstattung kann euer Schützling dann Gegenstände verkaufen und sogar kaufen. Manche Plätze in der Stadt waren schon während des Betawochenendes mit diesen kauzigen Gestalten zugepflastert - das kennt man bereits aus diversen Asia-MMOs. Doch die Lebensdauer eines Homunkulus ist begrenzt. Wird er nicht rechtzeitig repariert, nimmt er alle Gegenstände in seinem Inventar mit ins Nirvana.
Das PvP begutachtete ich schließlich etwas genauer. Kleinere Duelle gegen andere Spieler sind sehr unterhaltsam und stoppen rechtzeitig, bevor einer der Kontrahenten ins Gras beißt. Man kann sich auf Wunsch aber auch bis zum Tod kloppen. Zwischen Gruppen uferten die Gefechte dann richtig aus und hielten die Beteiligten sehr lange bei Laune. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass Nahkämpfer und vor allem Krieger extrem im Vorteil waren. Hier kann die Balancing-Schraube wohl noch ein paar Umdrehungen vertragen. Auf den gesonderten PvP-Servern dürft ihr euch übrigens jederzeit als Gesetzloser markieren, sobald ihr das Startgebiet Insel der Dämmerung hinter euch gelassen habt. Derart betitelt könnt ihr jedem anderen Spieler an die Gurgel gehen, werdet aber auch selbst ohne Vorwarnung zur Zielscheibe. Spannend klingen außerdem die Gilde-gegen-Gilde-Kriege, die bei aktuell 300 Mitgliedern pro Seite sogar die fehlenden Fraktionen wettmachen dürften. PvP wird in TERA definitiv ein großes Ding.
Einsame Wölfe mit Storyfetisch werden bei diesem MMO aus dem Heulen nicht mehr rauskommen, sofern die Entwickler die Quests und Zwischensequenzen nicht grundlegend aufbrezeln und die Handlung etwas stimmungsvoller in Szene setzen. Alleine macht der Titel keinen Spaß. Für Gruppenspieler, Raid-Liebhaber und PvP-Fans könnte TERA aber ein heißer Tip werden, denn hier kommen die Stärken der einzelnen Klassen und die Mischung aus aktivem Zielen und Ausweichen voll zur Geltung. In Sachen Endgame-Content sehe ich hier das größte Potential und bin außerdem auf das Politiksystem und die Gilden gespannt. Sicher ist jedenfalls, dass TERA mehr zu bieten haben dürfte, als hübsche Grafik und ein innovatives Kampfsystem. Nur nicht für jeden.