Terminal Velocity: Boosted Edition - Uff, das war in meiner Erinnerung leider um einiges cooler!
Nicht alles war früher besser – oder wenigstens gut.
1995… waren das Zeiten! Doom hatte gerade den Ego-Shooter gekickstartet, Descent hat ihn in die dritte Dimension gehoben, System Shock mehr draus gemacht als schnödes Ballern und Magic Carpet nach draußen ins Freie verfrachtet. Das ist keine historisch korrekte Aufarbeitung. Es hat einfach nur unheimlich viel Spaß gemacht, meist mit dem Finger am Abzug durch texturierte Vektorwelten zu zischen.
Deshalb kam Terminal Velocity damals auch genau richtig: frei herumfliegen und alles abballern, was einem in den Weg kam – was wollte man mehr? Erst recht, wenn es so gut aussah wie hier. Klar, man hatte Missionsziele. Aber die bestanden ohnehin nur aus „Fliege dorthin!“, „Schieße alles ab!“, „Mach den Boss platt“ und so weiter. Unterm Strich ging es also um pure Action.
Der Clou: Man konnte sogar in lange Tunnel hineinfliegen, die mehr oder weniger nahtlos von der Oberfläche ins Innere und wieder hinausführten. Das war grandios, vor allem technisch! Ein bisschen wie Lando Calrissian im Millennium Falken. Wobei ich genau wie er ständig irgendwo dagegen fliege, weil die Kollisionsabfrage oft früher „anschlägt“ als es mein Gefühl für richtig hält. Und leider kann man in den Tunneln auch nicht umkehren. Man darf ja nicht mal in gerade verlassene Ausgänge wieder hinein. Seltsam.
Tja, und das ist es eben: Ich muss leider sagen, dass der Zauber, den Terminal Velocity einst umgab, ganz schnell verflog, nachdem ich die hiesige Neuauflage gestartet habe. Die ist mit dem Untertitel Boosted Edition ab sofort auf PC und Switch erhältlich und soll demnächst auch auf Sony- und Microsoft-Konsolen abheben. Um ehrlich zu sein, hatte ich das Ding aber schon damals immer nur kurz angeschaut, weil’s so verdammt beeindruckend war. Lange gespielt habe ich das im Endeffekt doch ziemlich dröge Tontaubenschießen nie.
Dazu waren und sind mir schon die zentralen Dogfights viel zu eindimensional. Die KI hat ja nix auf dem Kasten. Die fliegt auf mich zu, dreht eine Kurve, und wiederholt das Ganze. Ist sie hinter einem, reicht es kurz vom Gas zu gehen, schon zischt sie vorbei genau ins Fadenkreuz. Bodenziele sind nicht cleverer. Man weiß irgendwann, wie lange man draufhalten kann, bevor man abdrehen sollte, weil die feindlichen Schüsse eintreffen. Das wiederholt man dann minutenlang.
Nein, sogar stundenlang, denn das Spiel bietet partout nichts anderes. Selbst Bosse sind erschreckend langweilige Laser- und Raketenfänger. Und wisst ihr, was ganz schlimm ist? Für die Boosted Edition wurde dieser Nebel entfernt, dank dem man anno ‘95 keine hundert Meter weit sehen konnte. Prima. Nur sieht man jetzt, dass die Gegner so lange tat- und regungslos in der Luft hängen, bis sie aus der Grenze des damaligen Nebels heraustreten. Dann fliegen sie auf einmal los und eröffnen das Feuer.
Es steckt ja das komplette Spiel, so wie es damals war, in dieser Neuauflage – abzüglich der Möglichkeit mit beziehungsweise gegen Andere zu fliegen. Und irgendwie hat es ja auch was Sympathisches, dass man nach Abschluss der ersten von drei Welten dazu aufgefordert wird, doch bitte die Shareware-Version in eine Vollversion umzumünzen, obwohl hier natürlich alle Inhalte enthalten sind. Und immerhin ist das Spiel jetzt zwar leider nur im Vollbild-Modus, aber dafür in aktuellen Auflösungen sowie mit Gamepad spielbar.
Aber war es denn wirklich unvermeidbar, dass man vor jedem einzelnen Start erst in einem dieser grauen Windows-95-Fenster die Auflösung neu wählen muss? Und wieso darf man das Schiff nicht um die eigene Achse rollen, wenn man mit Gamepad spielt? Die Steuerung per Tastatur erlaubt das schließlich auch und es ist immerhin keine unwichtige Aktion, wenn der Flieger ständig auf dem Kopf landet, obwohl man das automatische Ausrichten am Horizont aktiviert hat.
Solche Details interessieren euch nicht die Bohne und schnödes Draufhalten ist genau euer Ding? Tut euch keinen Zwang an! Ich weiß, dass Terminal Velocity seine Fans hat. Dass einer davon gerade vom Glauben abgefallen ist, wird euch nicht stören. Ich muss an dieser Stelle allerdings einen Schlussstrich ziehen und einen Klassiker ziehen lassen. Denn der hat sich in meinen Augen einfach nicht so gut gehalten, wie es viele seiner früheren Mitstreiter bis heute tun.
Doom hat heute noch eine packende Stimmung, ikonische Gegner und fette Waffen. Bei Descent muss man feindliche Roboter und ihre Geschosse geschickt umtanzen, während man durch enge Flure und Räume navigiert - ich kann euch den inoffiziellen, auf moderne Art wunderbar altmodischen vierten Teil namens Overload nach wie vor nur wärmstens ans Herz legen. Und System Shock war als Spiel ohnehin viel weiter. Gegen nichts davon kann das schnöde Ballern-Abdrehen-Ballern in Terminal Verlocity nur im Geringsten anstinken.
Schön natürlich, dass es in der Boosted Edition anstandslos auf modernen Rechnern läuft. Dass die wenigen Anpassungen dann aber nicht mal konsequent durchgezogen wurden und der entfernte Nebel sogar spielmechanische Schwächen verstärkt, hat mich nach einem kurzen Freudensprung doch schnell auf den Boden zurückgeholt. Wobei: Ein was Gutes hat diese Neuauflage natürlich. Sie erinnert mich daran, dass nicht alle texturverzierten Polygone damals der Weisheit letzter Schluss waren.