Test Drive Unlimited
Urlaub mit reichlich PS
So schön kann das Leben sein: Wie jeden Morgen funkelt die Sonne durch die Jalousien. Die Strahlen kitzeln mich wach, ich rolle mich noch ein paar Mal hin und her. Nur nichts übereilen. Erst einmal ab vor's Panoramafenster und bei einem atemberaubenden Ausblick auf das unendliche Blau des Pazifiks meine Mailbox überprüfen. Leicht verschlafen trete ich aus der Haustür, schmecke das Salz in der Luft und höre die Brandung. Ich setze mich in meinen Flitzer, drehe den Zündschlüssel und donnere mit ohrenbetäubendem Lärm aus der Einfahrt.
Schon stehe ich vor der entscheidenden Frage: Wo heute Geld verdienen? Honolulu? Irgendein verlassener Strand? Vor der Traumkulisse des Mauna-Kea? Schon so früh am Morgen schwere Entscheidungen treffen? Nee! Lieber erst einmal ins Clubhaus. Meine Jungs werden schon wissen, wo heute was los ist.
Kreuzung! Welcher Weg war jetzt der richtige? Kailua? Waimeha? Klingt irgendwie alles nach Cocktail! Schnell die Navigationshilfe meines Mercedes SLR aktivieren und einfach der freundlichen Stimme folgen! Gerade als ich wieder Gas geben will, heult neben mir ein zweiter Motor auf. Ein Italiener – dazu noch rot. Die Lichthupe schafft Gewissheit – der Kerl will sich mit mir messen. Ich lasse mich natürlich nicht zweimal bitten und presche mit einem gezielten Tritt in die Eisen nach vorne. Anfangs hält mein Herausforderer gut mit, doch als die Nadel langsam über die 200 zittert, wird es mir mulmig. Längst ist der Gegenverkehr nicht mehr als ein kurzes Rauschen zu meiner Linken. Endlich ist der Kerl abgehängt. Der wird sich nicht mehr mit mir anlegen. Zufrieden nehme ich meinen Fuß vom Gas und sowohl mein Tacho als auch mein Blutdruck gehen erst einmal wieder in den Normalzustand über.
Die Insel lebt
Das ist es, was ich an Test Drive Unlimited so schätze: Keine aneinander gereihten, monotonen Rennen, eingebettet in irgendeine Story, die mich so sehr interessiert wie die StVO auf Hawaiis Straßen. Nein, ich kann fahren wohin ich will. Ich kann entscheiden, ob ich gegen andere Fahrer antrete oder gemütlich umherkurve. Ich bestimme wer ich bin und wie ich aussehe. Und dann gibt es da noch dieses gewisse Etwas, das Test Drive Unlimited zu etwas wirklich Besonderem macht: Der MMO-Aspekt. Wie schon in der Xbox 360-Version sollen sich später hunderte menschliche Spieler auf den über 1.600 Kilometern asphaltierter Glückseligkeit tummeln und die Insel somit zum wahrscheinlich größten PvP-Gebiet aller Zeiten machen. Das Beste daran: Es fallen keine zusätzlichen Kosten an. Der gesamte Online-Modus ist gratis.
Online-Racer gab es allerdings schon einige. Was Test Drive Unlimited aus der Masse hervorstechen lässt, ist die Art und Weise, wie Ihr Euch Eure Gegner sucht. Tristes Geklicke durch die Räume irgendwelcher Online-Partien gehört endlich der Vergangenheit an. Ihr pickt Eure Herausforderer nicht aus einer ellenlangen Liste heraus, sondern fordert Sie dort auf, wo Ihr sie stellt, dort wo die Action stattfindet: Auf der Straße! Habt Ihr Lust auf ein schnelles Duell? Kein Problem, einfach gemütlich umher fahren und nach den Sportwagen Eurer Mitspieler Ausschau halten. Entdeckt Ihr einen, reicht ein einfaches „Anblinken“ und sofort geht es los. Ladebildschirme? Transport zu einer Rennstrecke? Nein, wie ich schon sagte. „Sofort geht es los.“
In da Club
So spaßig diese kleinen Duelle auch sein mögen, sie bringen mich nicht wirklich in meiner Karriere als Rennfahrer voran. Also mache ich mich auf die Suche nach einem offiziellen Rennen. Am besten in guter Gesellschaft. Was bietet sich da besser an als die Club-Challenges. Da Clans (die Clubs sind nichts anderes) aus keinem vernünftigen Online-Spektakel wegzudenken sind, durfte dieses Feature nicht fehlen. Test Drive Unlimited wäre jedoch nicht das, was es ist, hätte man es bei einfachem Teamplay belassen. Nein, den Herdentieren unter Euch wird etwas komplett Neues geboten. Gründet Ihr einen eigenen Club, gibt es gleich noch ein eigenes Hauptquartier oben drauf - ein sündhaft teurer Spaß, der sich allerdings lohnt. Dort könnt Ihr in internen Rennen die Rangordnung bestimmen, Geschäfte abschließen oder genau das tun, wozu Clubs in aller Regel da sind: Reden. Ein cleverer Schachzug seitens Eden Games, denn so umgeht man die sonst nötigen Internet-Foren und schafft eine Ingame-Plattform, wodurch die Spieler noch mehr Zeit im digitalen Paradies verbringen. Fast schon kann man das Klirren der Gläser hören und den kalten Rauch von Zigarettenstummeln an der eigenen Kleidung riechen. Spätestens jetzt wird klar: Diese Insel sieht nicht nur verdammt echt aus - sie lebt.
Ihr wollt Euch nirgendwo unterordnen und habt selbst nicht das nötige Kleingeld parat, um eine eigene Truppe zu gründen, könnt aber trotzdem nicht auf organisierte Rennen verzichten? Nehmt einfach an einem der vorgegebenen Multiplayer-Events teil, die über die gesamte Insel verstreut sind. Beherrscht Ihr auch diese schon im Schlaf, haben die Jungs von Eden Games noch ein Ass im Ärmel: Eigene Rennen. Einfach Uhrzeit, Strecke und finanziellen Einsatz festlegen und schon stehen die Herausforderer Schlange.
Von der Kür zur Pflicht
Im Gegensatz zu einem reinrassigen MMOG zwingt Euch Test Drive Unlimited nicht, irgendeinem (vielleicht sogar noch kostenpflichtigen) Server beizutreten. Wollt Ihr die Insel erst einmal offline erkunden und hier und da ein bisschen Geld verdienen? Bitteschön! Niemand hält Euch davon ab. Bei dieser Spielweise büßt TDU zugegebenermaßen einen Teil seines Charmes ein, zu einem 08/15-Rennspiel verkommt es aber nicht. Natürlich stehen Euch auch so alle Rennen, Zeitfahrten, KO-Runden und Missionen zur Verfügung. Allerdings machen die Herausforderungen gegen die KI nun einmal nicht halb soviel Spaß, als wenn man einen menschlichen Gegner im roten Drehzahlbereich in den Gegenverkehr drängelt und sich vorstellt, wie er vor Wut in den Schreibtisch beißt. Sicher, dank des fehlenden Schadensmodells ist der Ärger Eurer Gegner nur von kurzer Dauer - genau diese Schadenfreude macht doch aber den Reiz von PvP aus.