Half-Life 2: Episode 2
Das Gesetz der Serie
Außerdem wartet im Insektenbau der Antlions noch eine Kämpferform auf Euch, die mit ihrem vernichtenden Distanzangriff jedes Feuergefecht zur Herausforderung machen. Leider liefert Valve keine neuen Waffen zum Spielen und Herumexperimentieren ab. So muss man wohl oder übel mit den üblichen Verdächtigen, samt Gravitationskanone und Brecheisen, vorlieb nehmen. Im Gegenzug versprüht Valve über weite Strecken genau den Spielwitz, der schon Half-Life 1 zum Klassiker machte. Egal ob man Leitungen verlegt, Maschinen zusammen setzt, Tunnel verteidigt oder gigantische Brückenabschnitte ausbalanciert, immer wieder gibt es neue, aufregende Momente, die in Kombination mit den ergreifenden Storyeinlagen eine einzigartige Atmosphäre erzeugen.
Aber bei all der Brillanz fehlt über weite Strecken ein Element, das bei Half-Life 2 immer wieder für staunende Zuschauer sorgte. Jeder Kampf und jede Storyzeile versprühte eine epische Größe, die den Spieler zu einem kleinen, aber wichtigen Rad in einer gigantischen Maschine machte. Erst im letzten Abschnitt schwingt sich auch die Episode 2 wieder zu diesem Welten zerschmetternden, bombastischen Spektakel auf, das noch Stunden nach dem Abspann ein verzücktes Lächeln auf's Gesicht brennt.
Doch auch wenn dieses Manko einen hässlichen Fleck auf der sonst so strahlend weißen Gameplay-Weste hinterlässt, gelingt es der Geschichte und den Figuren, das Spiel ins Ziel zu tragen. Episode 2 spielt damit den Vorteil einer Serie aus. Selbst die simple Rettung Eurer geliebten Alyx an der Seite eines talentierten Vortigaunts – die freundlichen Aliens –, wird durch die Sorge um die vertraute Mitstreiterin zu einer emotionalen Achterbahnfahrt.
Von der restlichen Story darf man nicht zu viel verraten, denn sie macht einen Großteil der Faszination aus. Dank der vielen Wendungen und Überraschungen wird die Handlung nämlich zu einem packenden Erlebnis, das selbst kleine Rätsel und Sprungeinlagen mit Leben erfüllt. Alle Figuren sind miteinander verbunden und sprühen vor Charme. Die Vergangenheit und die Zukunft werden durch lockere Dialoge, witzige Anspielungen und – so schwülstig es klingt – „echte Gefühle“ zu einem stimmigen Gesamtbild verschmolzen. Wenn zum Beispiel der Vortigaunt süffisant erwähnt, dass es kein Loch gibt, aus dem „Der Freeman“ nicht schon einmal geklettert ist, kann man sich ein Lächeln einfach nicht verkneifen.
Bei der Präsentation ist natürlich auch die zweite Episode über jeden Zweifel erhaben. Die Grafik-Engine mag zwar nicht mehr auf dem neuesten Stand sein, doch das Können der Valve-Designer macht das Spiel auch optisch zu einem echten Hingucker. Auch die Musikuntermalung lässt sich eher mit einer aufwändigen Hollywood-Produktion, als mit einem 08/15-Shooter vergleichen. Dank der sparsamen Hardware-Anforderungen können selbst Mittelklasse-PCs den Titel in ihrer ganzen Pracht präsentieren, ohne jemals unter 30 Frames pro Sekunde zu fallen – das nenne ich mal echte Massenmarkt-Kompatibilität.
Da sind sie also wieder: Gordon, Alyx, Elijah, Barney und Dr. Kleinert. Ich habe sie wirklich vermisst und freue mich, sie endlich wieder in meine virtuellen Arme zu schließen. Gemeinsam mit der schlüssigen Geschichte sind es genau diese Figuren, die auch die Episode 2 zu einem echten Meisterwerk machen. Da verzeiht man sogar die etwas abgestandenen Gameplay-Ansätze und die manchmal unspektakulären Szenarien. Zum Ende hin gewinnt dann auch diese Folge an Dynamik und fesselt Euch an den Bildschirm. Natürlich haben die sieben Stunden Half-Life nicht ausgereicht, um meine Sucht wirklich zu befriedigen, doch ich akzeptiere die Wartezeit und vergnüge mich solange mit den restlichen Schmuckstücken der Orange Box.
Half Life 2: Episode 2 gibt es seit dem 10. Oktober im Rahmen der Orange Box bei Steam und ab dem 19. für die Xbox 360 und den PC beim Händler Eures Vertrauens. PS3-Besitzer müssen sogar bis zum 26. warten, um dieses Software-Meisterwerk in den Händen halten zu können.