Test: Matchpoint – Tennis Championships erinnert mich an Top Spin 3
Leider war erst Top Spin 4 wieder so richtig gut
Wie lange ist es jetzt her, dass auf PC oder Konsole richtig gutes Tennis gespielt wurde? Weder AO Tennis noch Tennis World Tour konnten wirklich überzeugen und so klasse die Indie-Simulation Full Ace Tennis Simulator auch ist: Das Auge isst nun mal mit, muss dort aber am ausgestreckten Arm verhungern. Daher hielt sich meine Begeisterung denn auch in Grenzen, als mit Matchpoint mal wieder ein Herausforderer angekündigt und vergangene Woche schließlich veröffentlicht wurde – unter anderem im Game Pass, falls ihr als Microsoft-Abonnenten einen Blick riskieren wollt.
So habe ich es jedenfalls getan und nun ja: Matchpoint reißt nicht gerade Bäume aus. Tatsächlich ist das von Torus Games entwickelte Spiel sogar ein ausgesprochen rudimentärer Abriss des eigentlichen Sports. Denn abgesehen davon, dass man sich sowohl online als auch offline grünen Filz um die Ohren haut und eine Karriere mit einem selbst erstellten Profi absolviert, fehlt hier so ziemlich alles, was großes Tennis ausmacht.
So haben zwar ein paar lizenzierte Stars ihren Weg hierher gefunden, aber nur wenige offizielle Plätze, Turniere und Sponsoren. Schlimmer noch: Die Ansagen der Schiedsrichter kennen keine Namen, nennen mich nicht mal "Player One" und die Stimmungskurve des Kommentators… Ganz ehrlich: Ich hatte keine Ahnung, dass man jede Silbe von "This is crazy!" in der exakt gleichen Tonlage sprechen kann. Viele seiner Feststellungen passen nicht mal zur jeweiligen Situation, sind mitunter sogar fehlerhaft. Dass er einen mit 6:1 gewonnenen Satz zu „harter Arbeit“ deklariert und direkt nach einem gewonnen Spiel fragt, ob ich wohl das Break schaffen werde, sollte zumindest nicht passieren.
Abgesehen davon gibt es keine Einläufe, die Aufschlagbewegung eines Nick Kyrgios ist von der aller anderen Sportler nicht zu unterscheiden, nicht einmal nach einem Matchgewinn freuen oder ärgern sich die Athleten, Doppel gibt es nicht – wo Matchpoint schon rein technisch hinterherhängt und besonders auf den Konsolen echt nicht gut aussieht, macht es das leider nicht mit Liebe zum Detail wett.
Das sieht im Fernsehen doch ganz anders aus!
Wobei ich darüber komplett hinwegsehen könnte, wenn das Spiel selbst eine umfassende Simulation wäre. Doch man kann ja nicht mal challengen! Auch knallen sich die Damen den Ball genauso hart entgegen wie es die Männer tun. Und wird es getroffen, wabert das Netz, als wäre es aus Wasser gebaut. Ein dermaßen befremdlicher Effekt ist nun wirklich nicht nötig, um zum Beispiel auf einen Netzroller hinzuweisen.
Schlimmer noch: Die vom Spiel gesteuerten Gegner besiegt man selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad dermaßen leicht, dass ich schon nach wenigen Minuten nicht mehr wusste, wozu ich die Karriere überhaupt bestreiten soll – eine Karriere übrigens, in der man nicht bestimmen darf, wie viele Spiele ein Satz und wie viele Gewinnsätze ein Match dauern soll. Unklar ist mir auch, warum sich die Kontrahenten bei meinem zweiten Aufschlag oft viel weiter hinter der Grundlinie aufstellen als beim ersten und weshalb so viele Slices wie gerade Schläge aussehen.
Zielscheibe schieben
Die eigentliche Crux ist aber das Prinzip der Simulation selbst, denn Matchpoint verwendet ein ähnliches System wie AO Tennis 2 oder Tennis Elbow 4, sprich die zentrale spielerische Herausforderung ist das exakte Platzieren der Zielmarkierung im gegnerischen Feld. Sobald man sich für eine Schlagart entschieden hat, bewegt man also einen kleinen Schatten in die gewünschte Ecke, während man die Schlagtaste für einen möglichst harten Schlag gedrückt hält. Das Timing beim Schlagen spielt damit keine Rolle.
Nicht einmal das Bewegen zum Ball ist von Bedeutung, da die Profis fast von alleine an die vermeintlich richtige Position laufen. Und "vermeintlich" schreibe ich deshalb, weil ich mein Alter Ego manchmal gerne weiter ans Netz rücken würde, um schneller einen Winner zu schlagen, was allerdings nicht möglich ist, da man erschreckend oft keine Kontrolle über die Bewegung hat. Und so glotzt man über weite Strecken nur das gegnerische Feld an, um dort gelangweilt einen kleinen Schatten von links nach rechts zu ziehen. Das ist Tennis à la Matchpoint.
So viel ungenutztes Potential!
Dabei ist es nicht mal das Spiel an sich, das mich ärgert. Bedauerlich finde ich vielmehr, dass die Basis abseits des unglücklichen Cursor-Glotzens durchaus funktioniert. Immerhin entstehen Ballwechsel, die die Dynamik realer Ballwechsel halbwegs glaubwürdig einfangen. Und obwohl die Wahl der Schlagart keine allzu große Rolle spielt, man muss die Bälle doch in die richtigen Ecken spielen, um Chancen zu kreieren und anschließend auch zu nutzen. Wer schneller steht, kann länger ausholen beziehungsweise zielen, Stopps sind wichtige Variationen und gut platzierte Lobs können einen Punktverlust verhindern. Spielt man ständig die gleichen Schläge in die gleichen Ecken, stellen sich die Gegner außerdem darauf ein und kontern, sodass man gezwungen ist die Taktik zumindest hin und wieder zu verändern. Das alles funktioniert so weit.
Spätestens wenn ich sehe, wie meine Gegnerin einen Lob mit einem Tweener retourniert, frage mich deshalb, ob Torus Games womöglich schlicht die Zeit ausging, um ein vollständiges Spiel auf das solide Fundament zu stellen. Im Kern ist nämlich alles dran, was eine Tennissimulation braucht – weil Ausdauer und Bewegung keine Rolle spielen, sind sich die Ballwechsel aber alle dermaßen ähnlich, dass ständig die gleichen Situationen entstehen. Wer von der Grundlinie zum Beispiel longline schmettert, bekommt praktisch immer einen Cross zurück, den man definitiv nicht erreichen wird. Haut man stattdessen den ersten Ball selbst in die gegenüberliegende Ecke, hat man den anschließenden Punkt so gut wie sicher.
Wären in solchen Situationen nicht nur Ausdauer und manuelles Bewegen, sondern im besten Fall auch eine variantenreichere KI mit von der Partie, könnte das im Kern funktionierende Zielschießen für mein Empfinden gar nicht so weit von gutem Tennis entfernt sein. Ungenaues Positionieren würde dann etwa die Genauigkeit des derzeit sehr akkuraten Zielens beeinflussen. Aber solche Variablen fehlen Matchpoint eben.
Ähnliches gilt für die Karriere, in der man jede Woche die Wahl hat, an welchem Turnier oder Showmatch man teilnimmt und welche Trainings man bestreitet. Man kann sowohl Schläger als auch Kleidung und sogar den Trainer wechseln, um bestimmte Fähigkeiten schneller zu steigern als beim vorherigen. Aber auch das scheint nicht ausgereift, wenn man nach jedem Training einfach pauschal sämtliche Werte teils mehr, teils weniger stark erhöht, was aufgrund des lächerlichen Schwierigkeitsgrads ohnehin keine Rolle spielt. Nicht zuletzt besitzen die Kontrahenten unterschiedliche Stärken und Schwächen, von denen einige ausgesprochen interessant klingen. Zeigt die Eine etwa Schwächen bei Breakbällen, wird der Andere durch erfolgreiche Aufschläge immer stärker. Doch auch an dieser Stelle erkennt man die Unterschiede kaum und muss sich schon dank der fehlenden Herausforderung nicht darauf einstellen.
Und während wenigstens online die Welt halbwegs in Ordnung sein könnte, wenn neben schnellen Runden gegen Freunde und Fremde vor allem Ranglistenmatches langfristig motivieren würden, tun sie das deshalb nicht, weil Lag das Positionieren der Zielmarkierung und den Flug des Balls zur krassen Ruckelpartie macht. Vielleicht bekommen die Entwickler das noch hin. Alles in allem bleibt für den Moment aber weiterhin nur das Warten darauf, dass irgendwann vielleicht doch noch mal ein gelungener Nachahmer von Top Spin oder Virtua Tennis erscheint.
Test-Fazit zu Matchpoint – Championship Tennis
Immerhin: In einer Beziehung weckt Matchpoint sogar recht starke Erinnerungen an dieses Top Spin – wenn auch an den früheren Teil drei, der ebenfalls ein noch unfertiges Spiel mit einem nur theoretisch vielversprechenden Kern war. Erst Teil vier schöpfte das Potenzial das damals neuen Systems dann aus und ist dadurch zum bis heute letzten Ass in der Geschichte des virtuellen Sports geworden.
Von derartigen Erfolgen ist dieser aktuelle Eintrag aber eben weit entfernt, denn ihm fehlt nicht nur eine Präsentation, die das reale Flair einfängt. Ihm fehlen vor allem spielerische Finessen, auf die eine glaubwürdige Simulation nicht verzichten kann. Dazu zählt Kontrolle über die Bewegungen der eigenen Figur samt einer größeren Auswirkung auf den jeweils folgenden Schlag. Auch Challenges muss man auslösen können, der Netzcode sollte ohne auffallendes Stottern laufen und Kommentatoren dürfen bitte keinen kompletten Unsinn erzählen.
"Matchpoint" also? Nun, vielleicht wäre "Aufschlag erster Satz" treffender gewesen. Viel mehr steckt hier nämlich noch nicht drin.