Test zu Gravitar: Recharged – Mehr Remake hätte dieser Neuauflage gutgetan
Piff – Piff – Piff
Als die Spielhallenautomaten und Konsolen gerade das Weltall entdeckten – klar, das ist inzwischen ein paar Jahrzehnte her –, da verstand man unter „Flugphysik“ mitunter etwas ganz anderes als das heutzutage meist der Fall ist. Anstatt das eigene Raumschiff nämlich einfach in die Richtung des gekippten Steuerknüppels zu schieben, drehte man sie über den Stick lediglich nach links oder rechts und beschleunigte dann über eine separate Taste dorthin, wohin der Bug (die Front des Schiffs, nicht der Programmfehler) gerade zeigte.
In die gleiche Richtung feuerte man außerdem den Laser oder was auch immer man an Bord hatte und das ist ja auch erschreckend logisch. Nun müsst ihr nur bedenken, dass man nicht immer dorthin fliegen will, wo sich ein Gegner befindet. Spätestens dann, wenn einen auch noch die Schwerkraft nach unten zieht, während man von rechts unter Beschuss gerät, erfordert es daher einiges an Feingefühl, den Flieger auf Kurs und gleichzeitig Feinde in Schach zu halten.
Habt ihr Lust auf diese Fingerakrobatik? Mir macht die altmodische Fingerakrobatik jedenfalls mächtig viel Spaß – nicht nur in Museumssoftware wie Lunar Lander, sondern auch in modernen Varianten wie Gravity Crash und natürlich der Neuauflage eines namhaften Klassikers: Gravitar.
Die ändert am eingängigen Prinzip ja wenig, weshalb man auch hier zunächst durch ein Planetensystem trudelt, in dem etwas mehr als eine Hand voll Himmelskörper um den zentralen Stern kreisen. Fliegt man einen Planeten, Asteroiden oder eine Weltraumbasis an, wechselt man in das entsprechende Level, wo man dann alle Gegner zerstören, Radarstationen aktivieren oder geheime Dokumente stibitzen muss. Das geht in den nur wenige Bildschirme großen Levels sehr flott und spielt sich ohnehin immer gleich. Ist es erledigt, verlässt man schließlich den Planeten, um den nächsten anzusteuern.
Spannend ist das vor allem deshalb, weil es immer eine Herausforderung ist feindlichem Beschuss auszuweichen, während sich das Zentrum der Schwerkraft nicht immer am unteren Bildschirmrand befindet, sondern auch von dem Himmelskörper im Mittelpunkt des Levels ausgehen oder mitunter gar nicht vorhanden sein kann. Zusätzlich belohnt wird man außerdem, indem man Behälter aufsammelt, die zusätzliche Punkte einbringen und manchmal noch den notwendigen Treibstoff nachfüllen oder für wenige Sekunden eine besondere Waffe aktivieren.
Auf dieser Art modernisiert Gravitar: Recharged den Oldie behutsam und bringt ein wenig Abwechslung ins Spiel. Zusätzlich holt man die Behälter jetzt mit einem Magneten ins Schiff, der einfach sämtliche Kanister in einem bestimmten Umkreis anzieht. Abgesehen davon fliegt man anno ’22 eine Idee flotter durchs All, was das Durchfliegen enger Passagen etwas erleichtert. Schwer ist das Spiel dennoch!
Und das ist gut so. Allerdings hätte Adam Nickerson, der schon für diverse Recharged-Versionen anderer Klassiker verantwortlich zeichnet, die Modernisierung gerne ein entscheidendes Stück weiter hätte treiben können. Dass der Laser zum Beispiel pro Tastendruck nur eine kurze Salve aus drei Schüssen abfeuert und dann etwa eine Sekunde lang abkühlen muss, fühlt sich leider mächtig lahm an.
Wären die Extrawaffen wenigstens besser… Aber während zielsuchende Raketen immerhin sehr effektiv Raumschiffe, Minen sowie Geschütze aus dem Weg räumen, ist die Reichweite eines Streuschusses dermaßen gering, dass ich meistens lieber warte, bis die Zeit für den Einsatz dieser Extrawaffe wieder abgelaufen ist. Das kurzzeitige EMP-Feld um das eigene Schiff herum ist ähnlich sinnlos, da man dafür ebenfalls gefährlich nah an Gegner heran müsste und sich der Nutzen selbst dann in Grenzen hält. Entweder begnügt man sich also mit einem müden Piff – Piff – Piff oder wartet darauf, dass eine sinnlose Spezialwaffe wieder verschwindet. So macht Arcade-Action keinen Spaß.
Man muss sich zum Vergleich nur mal das nach wie vor grandiose Gravity Crash anschauen: Dort darf man ballern, bis das Herz tanzt und spielt trotzdem eine anspruchsvolle Hommage an Gravitar und Lunar Lander. Die Levels sind dort zudem viel größer, während die winzigen Planeten und Asteroiden hier keinen Hund hinterm Ofen vorlocken. Selbst das Fluggefühl bekommt der über zehn Jahre alte PSN-Titel besser hin, weil dessen Raumschiff mehr Gewicht zu haben scheint und damit nicht ganz so schwammig, sprich manchmal schwer kontrollierbar durchs All fetzt. Und zieht euch übrigens unbedingt den famosen Soundtrack des Sony-Spiels rein! Auch damit kann die Wellness-Berieselung aus Recharged nicht mithalten.
Aber gut. Dafür schaltet man hier einzelne Missionen frei, in denen man um Plätze in Ranglisten kämpft. Und wer will, holt Koop-Kumpel oder -Kumpeline hinzu: Die Schiffe beider Spieler sind dann durch ein Art Magnetband aneinandergekoppelt, sodass ein zusätzliches Richtungselement hinzukommt, welches man ständig ausgleichen muss. Über „netter Gag“ kommt das unterm Strich aber auch nicht hinaus.
Gravitar: Recharged – Testfazit
Ich will euch Gravitar: Recharged gar nicht ausreden. Es kostet nicht die Welt und macht im Kleinen durchaus Spaß. Gerade auf Steam Deck habe ich mir damit manche Wartezeit versüßt, zumal der Akku damit recht lange durchhält. Nur ist es eben nicht mehr als ein kurzer Blick in die Videospiel-Historie, weil die Action nie so richtig zündet und das ständige Wiederholen der winzigen Levels auf Dauer sogar ermüdend sein kann. Es war schön, mal wieder durch diese besondere Art der Raumkrümmung zu manövrieren! Nur macht eine coole Flugphysik alleine nun mal kein starkes Spiel. Zumal selbst die hier nicht der Weisheit letzter Schluss ist.