The Alters stellt multiple Persönlichkeiten vor knifflige Entscheidungen
Ich, der Herr Schmädig und ich.
"Ich, der Herr Trupis und ich." So hat einer meiner frühen Lehrer manchmal von sich selbst gesprochen. Zugegeben: Bei ihm gab’s nur Sport. Weder war er nach einem Grubenunglück auf einem fernen Planeten gestrandet, noch musste er alternative Versionen von sich selbst erschaffen, um dort überleben zu können.
Okay, stop! Noch mal von vorn.
The Alters ist das neue Spiel von 11 bit studios – nicht dem Teil der Firma, der andere Titel herausbringt (bei Thaumaturge und The Invincible fungiert 11 bit demnächst als Publisher), sondern jenem Team, das sich mit This War of Mine und Frostpunk einen Namen gemacht hat. Beides Spiele um Aufbau und Management, in denen es nicht nur um rechnerische, sondern auch solche Entscheidungen geht, die das Schicksal einzelner oder vieler Charaktere beeinflussen. Und genau da macht The Alters in Kürze weiter.
Dabei spielt man diesmal einen konkreten Protagonisten, Jan Dolski. Und der ist eben auf einem Planeten gestrandet, wo er sich im Alleingang um den Ausbau und Fortbestand seiner Basis kümmern muss. Die erinnert mit ihren neben- und übereinander platzierten Räumen an den Stützpunkt in XCOM und benötigt selbstverständlich Ressourcen sowie Manpower, um das Material weiterzuverarbeiten und so ganz nebenbei sowohl den Sauerstoffgehalt als auch Jans Ernährung sicherzustellen.
Allein ist das für ihn nicht machbar, logisch, also wirft er eine Maschine an, mit der er sich selbst reproduzieren kann – mit dem klitzekleinen Haken, dass ein exaktes Duplikat seiner Selbst natürlich auch nur über seine ihm eigenen Fähigkeiten verfügen würde. Jan ist aber einfacher Bergarbeiter und weder Koch, Wissenschaftler, Ingenieur noch Besitzer sonstiger spezieller Fähigkeiten.
Die Lösung? Er erschafft Versionen von sich mit anderen Erinnerungen. Versionen, die an kritischen Punkten seines Lebens Entscheidungen getroffen haben, die von seinen tatsächlich gemachten abweichen. Und die so zu Menschen mit einer anderen Geschichte werden.
Nun haben diese Menschen ganz eigene Vorstellungen, Emotionen und Bedürfnisse, denen er anschließend nachkommen muss, und das kennt man ja aus ähnlichen Aufbauspielen. 11 bit zieht diesen Schuh nur ein wenig anders auf, denn Jans buchstäbliche Alter Egos laufen nicht nur mit einer Sprechblase überm Kopf herum oder geben ihre Statistiken im Menü zu erkennen.
Sie unterhalten sich vielmehr mit ihm, beschweren sich vielleicht über einen fehlenden Gemeinschaftsraum – woraufhin J/man ihnen versprechen kann einen solchen einzurichten oder ihnen mittelt, dass das leider nicht möglich ist. Man muss anschließend nur mit ihren Reaktionen klarkommen, falls ein Wunsch nicht erhört oder ein Versprechen gebrochen wird. Wobei ich noch nicht sagen kann, inwiefern sich das auch auf den Verlauf der folgenden Erzählung auswirken kann. Auf jeden Fall verschlechtert es ihre Werte und kann sogar zu Unfällen führen.
Wobei das eben die rein „mechanische“ Seite solcher Entscheidungen ist. 11 bit will aber auch die Geschichte der verschiedenen Jans erzählen, um das ungewöhnliche Szenario voll auszureizen und dabei auch existenzielle Fragen stellen. Wenn er etwa mit seiner Frau Kontakt aufnehmen muss, ein anderer Jan aber aufgrund seiner „Erfahrung“ vermutlich leichter das gewünschte Ergebnis erzielen kann, soll man ihn dann bitten, das vertrauliche Gespräch zu führen?
Ich hätte es nicht getan! Und diese Entscheidung darf man natürlich treffen. Die Entwickler wollten in der Präsentation, die schon im Rahmen der gamescom stattfand, aber zeigen, wie der Alter daraufhin „Ansprüche“ an die Beziehung stellt, die er in seinem Leben nie geführt hatte. Mit dieser Belastung der Beziehung zwischen den Jans müsste man daraufhin klarkommen. Ich habe übrigens gefragt: Dieser Teil entstand noch vor Veröffentlichung der aktuellen Staffel von Black Mirror.
So wird sich The Alters für viele Spieler auf sehr unterschiedliche Art entwickeln. Es kommen ja noch weitere Momente hinzu, in denen man zum Beispiel einen Streit zwischen zwei Alters schlichten muss und dabei entweder den Standpunkt des einen oder des anderen Streithahns einnehmen oder sich aus der Sache heraushalten kann. Ich freue mich sehr darauf, diese Situationen zu erleben – immer vor dem Hintergrund, dass man ja auch die Basis am Laufen halten muss.
Wobei man die Basis übrigens verlässt, um Ressourcen abzubauen. Die Entwickler haben in einer Präsentation gezeigt, wie dafür ein Gerät zum Einsatz kommt, das den Boden scannt, indem es vielleicht zwei, drei Meter unter die Oberfläche sichtbar macht, wo sich Rohstoffe befinden. Das sieht einfach cool aus und ich mag ohnehin das schicke futuristische Design des Spiels.
Man muss den Protagonisten nur rechtzeitig zur Basis zurückbringen, denn weil sich der Planet einem Stern nähert, ist er zu manchen Stunden für Menschen gefährlicher Strahlung ausgesetzt. Am besten ruht man sich zu diesen Zeiten deshalb in der Basis aus und verteilt zuvor Aufgaben, die die anderen Jans in dieser Zeit erledigen sollen. Immerhin braucht man bessere Werkzeuge, Zutaten für Nahrungsmittel, einen Koch und einiges mehr. Wobei man immer ein Auge auf die Leistungsfähigkeit der Alters haben sollte. Denn jeder müder Jan ist sowohl für sich selbst als auch für Andere eine Gefahr.
Falls ihr euch jetzt noch fragt, wie frei man eigentlich darin ist neue Charaktere zu erschaffen: Bei denen handelt es sich tatsächlich um eine Reihe vorgefertigter Personas mit klar definierten Erinnerungen, also Fähigkeiten. Natürlich hat man die Wahl zwischen verschiedenen Exemplaren und letztlich geht es nicht darum, eine Armee möglichst „bunter“ Jans zu erschaffen. Im Mittelpunkt stehen vielmehr jene Verzweigungen, die sich über den Umgang mit den anderen Figuren ergeben.
Und zumindest nach dem zu urteilen, was die Entwickler in ihrer Demo präsentiert haben, dürfte man damit schon alle Hände voll zu tun haben. Nicht umsonst hatte ich zur gamescom schon geschrieben: The Alters ist das Interessanteste, das ich auf der Messe gesehen habe! Mal sehen, wie lange es dann dauert, bis ich von mir, dem Herrn Schmädig und mir gleichzeitig in der ersten und in der dritten Person rede.