The Chosen
Mit Anleitung zum Selberbasteln!
Der dritte Punkt für die Entwicklung eines langweiligen Action-RPGs ist das Gameplay. Es ist das Herz und die Seele des Spiels. Story ist eh nur nebensächlich und schafft lediglich die Grundlage, um den Spieler in eine Welt voller Monster zu schmeißen, die nur darauf warten, von ihm umgehauen zu werden. Ist dies oft genug geschehen, steigt der Held ein Level auf und darf seine Skillpunkte verteilen. In der Regel sollte man hier keine große Auswahl an interessanten Fähigkeiten erwarten, die auch aktiv eingesetzt werden können – schließlich soll der Spieler ja gelangweilt werden.
In The Chosen ist das genau richtig gelöst worden: Alle skillbaren Fertigkeiten sind passiv und nicht sonderlich berauschend. Oder findet es jemand von Euch prickelnd, eine dreiprozentige Chance auf das kurzeitige Übernehmen eines Gegners zu haben? Lustigerweise sind die Fähigkeiten der drei Helden obendrein nicht verschieden, sondern immer die Selben. Da helfen auch die magischen Schriftrollen und Bücher nicht, die es erlauben, Feuerbälle oder ähnliches zu verschießen. Die Charaktere unterscheiden sich lediglich in ihrem Aussehen und ihren Attributwerten zu Anfang. Theoretisch kann man am Ende immer auf das Selbe rauskommen – man könnte hier schon fast vom 0815-Faktor sprechen (dazu gleich mehr).
Ebenfalls im Aspekt Gameplay enthalten: Monster und Gegenstände. Erstere sind von entscheidender Bedeutung. Eigentlich haut man ja immer nur auf Lebensbalken, doch das Auge tötet bekanntlich mit und es ist für den Entwickler folgerichtig wichtig, eine große Anzahl an Monstern zu erstellen. In The Chosen wurde diese Aufgabe natürlich mit Bravour gemeistert - so schwer ist sie ja auch nicht. Trotzdem haben die Entwickler von The Chosen es auch hier geschafft, den Aspekt langweilig beziehungsweise langwierig einzubauen: Die Lebenserwartung der Monster ist „etwas“ hoch und es dauert ein „bisschen“, bis man einen Mob oder einen Boss erledigt hat. Und was man von den Gegenständen in The Chosen erwarten darf? Wir verweisen auf den 0815-Faktor …
Nun wurde er also schon mehrmals genannt, der 0815-Faktor. Was verbirgt sich wohl hinter diesem Ausdruck? Unter dem 0815-Faktor ist all das zu verstehen, was es in anderen Spielen schon zig mal gab, und zwar umfangreicher und/oder besser. Des weiteren ist es die Aufgabe des 0815-Faktors, jede an sich interessante Idee durch schlechte Umsetzung zunichte zu machen. Der 0815-Faktor ist also der Aspekt, der ein Action-RPG zu einem langweiligen Action-RPG macht. Nehmen wir hier zum Beispiel die Idee der Entwickler von The Chosen, auch Schusswaffen wie altertümliche Schrotflinten oder Revolver als Fernkampfwaffen im Spiel auftauchen zu lassen.
Auf den ersten Blick mag dies interessant klingen und etwas Abwechslung verschaffen. Im Endeffekt unterscheidet sich ein Gewehr aber nur im Schussgeräusch von einem stinknormalen Bogen – 0815-Faktor sei Dank! Oder nehmen wir den genannten Punkt, dass Spiel müsse alles Dagewesene grundsätzlich etwas schlechter machen. Auch hier können wir The Chosen heranziehen. So gibt es zwar eine schöne Auswahl an Waffen, die Anforderungen an den Spieler (Stärkepunkte, Heldenlevel) sind aber dermaßen hoch, dass man die Hälfte gleich wieder verkauft und stundenlang mit einem Billiggewehr durch die Gegend rennt.
Wo bleibt da die Abwechslung, die von Genre-Bruder Hack'n'Slay so berühmte Sammelwut? Sie ist nicht vorhanden – 0815-Faktor sei Dank! Wer sich The Chosen genauer ansieht, wird bemerken, mit welcher Hingabe und Genauigkeit die Entwickler ihr Action-RPG mit dem 0815-Faktor versehen haben. Von der Story, über den Sound bis hin zum Gameplay ist alles schon einmal in besserer Form da gewesen und in der präsentierten Fassung schnell langweilig. Saubere Arbeit!
Das war es auch schon von unserer kleinen Anleitung zum Selberbasteln eines langweiligen Action-RPGs. Wir hoffen, wir konnten Euch genügend Anreize für Eure ganze eigene Kreation eines Spiels zum Einschlafen liefern. Danke für die Aufmerksamkeit!
Am 21. November soll The Chosen erscheinen. Eine kurze Zeit, um das Spiel so auszubalancieren, wie es der Spieler gerne hätte. Monster sterben einfach viel zu langsam, Items haben generell zu hohe Anforderungen und den Nahkampf kann man eh vergessen – drei Schläge und der Held liegt flach. Da hilft eben nur ewiges Fliehen, schießen und wieder fliehen. Wie so aber Spielfluss aufkommen soll, bleibt noch ein Rätsel. Vielleicht – oder besser gesagt hoffentlich – wird sich in dieser Richtung bis zum Release etwas ändern. Sonst ist The Chosen auch bei einem moderaten Preis von 30 Euro und einer ordentlichen Grafik, die auch auf älteren Rechnern auf hohen Details flüssig läuft, keine Empfehlung wert.
The Chosen soll am 21. November für den PC erhältlich sein.