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The Climb - Test

So real und doch so "arcade".

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Fast möchte man beim Spielen selbst die Hände kalken. Kurz, aber lange packend, ist The Climb eines der wenigen wirklich fertigen VR-Spiele.

Wenn man schon mal selbst mit magnesiumweißen Händen an einer Steilwand klebte, kommt einem der Grundgedanke von The Climb ein bisschen albern vor: Klar, VR ermöglicht es, einen realistischen Höheneindruck zu vermitteln und einem die Furcht vor dem Sturz einzubläuen, auch wenn man in Wahrheit festen Boden unter den Füßen spürt. Ein Kletterspiel liegt da nur nahe. Aber dass der Oculus-Exklusivtitel The Climb in Ermangelung der noch ein bisschen vor sich hinköchelnden Touch-Controller allein mit dem Kopf und den Schultertasten eines Xbox-Controllers gesteuert wird - das ist sicher nicht die erste Kontrolllösung, die man im Sinn hat, wenn man an Virtual Reality denkt.

Crytek hat bereits angekündigt, dass The Climb die kommenden Bewegungscontroller unterstützen wird, aber bis die Marktreife erreichen, erdachte man ein alternatives System, das vielleicht auf den ersten Blick nicht wirklich intuitiv ist, aber trotzdem ausgezeichnet funktioniert: Eure Hände platziert ihr alleine dadurch, dass ihr in Richtung eines Griffes blickt. Der linke beziehungsweise rechte Trigger sorgen dafür, dass die entsprechende Hand sich an den gefundenen Halt festklammert. So lange beide Hände sich an etwas krallen können, verharrt ihr auf Wunsch endlos lange in dieser Position. Kletterer werden das aus eigener Erfahrung als videospieligen Humbug entlarven. Aber es ist eine Regel, die im Rahmen von The Climb logisch und vernünftig anmutet.

VR - oder das Paradox, dass Screenshots gleichzeitig besser und schlechter aussehen als das eigentliche Spiel. Die Auflösung ist im echten Spiel gerade in der Ferne lange nicht so ausdefiniert wie hier im Bild. Und doch ist die vermeintlich schwächere 'echte' Grafik dank der Brille das deutlich eindringlichere Erlebnis.

Sobald ihr nur an einer Hand hängt, etwa wenn ihr mit der anderen nach dem nächsten Griff fischt, wird es schon haariger. Dann nimmt die Ausdauer mehr oder weniger rapide ab, je nachdem, wie gut gekalkt die Finger noch sind. Das geschieht per Druck auf den jeweiligen Bumper. Daraus entwickelt sich ein eigener Rhythmus, bei dem ihr zwischen fließenden Armbewegungen und dem Innehalten und Planen des weiteren Vorgehens entlang der vielen möglichen Routen abwägt. Jeder der neun Felsen in Asien, dem Grand Canyon und den Alpen kennt diverse Wege auf den Gipfel, einige offensichtlich und einfach, andere versteckt und unerhört schwer. Griffe, die unter den Händen wegbröckeln. Solche, auf denen Dreck liegt, der für einen guten Halt erst entfernt werden muss, natürlich während die Kraft im anderen Arm schwindet. Und selbstverständlich Haltepunkte, in die nur zwei Finger passen und an denen die Ausdauer folglich schneller schwindet.

Passagen, deren Haltepunkte selbst für lange Arme zu weit auseinander liegen, sind in Sachen Bauchkribbeln der diverse "Wollt ihr mich ver*****en" provozierende absolute Höhepunkt: Langt mit einer Hand nach dem rettenden Griff, zielt genau und springt dann auf Knopfdruck auf ihn zu. Es sind diese Sequenzen, in denen man immer wieder erinnert wird, dass man The Climb am besten im Stehen spielt, denn das nach vorne, zur Seite und nach hinten Lehnen spielt definitiv eine Rolle. Nur wer den Hals lang macht, erwischt die anspruchsvolleren Griffe auch, bevor der Haltearm schlapp macht und der Charakter mit einem markerschütternden Schrei in seinen Tod stürzt.

Mehr als eine halbe Stunde am Stück spielt man diesen Titel selten. Es ist - auf gute Art - einfach zu anstrengend.

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass man kurz zuvor einen der per Karabiner stimmig gekennzeichneten Speicherpunkte erreicht hat und es direkt noch mal versuchen darf. Trotzdem wird man den Teufel tun und leichtfertig einen dieser entsetzlichen Stürze riskieren. Der Magen fühlt sich jedes Mal aufs Neue an wie bei einem kleinen Luftloch im Flugzeug. Von Motion Sickness mag ich trotzdem nicht sprechen. Obwohl der Oculus Store das Erlebnis anschaulich als "intensiv" deklariert, hatte ich mit Ausnahme der vollkommen natürlichen Reaktion auf einen Sturz oder einen unvermittelten Blick in die Tiefe nicht das typische Unwohlsein, wenn virtuelle Bewegung auf tatsächliche Unbewegtheit trifft. Im Gegenteil: Das kurze Winden, das die Innereien in diesen Situationen hinlegen, ist ein vollkommen erwarteter Nebeneffekt, nicht unähnlich dem Gefühl, wenn man wirklich abstürzt.

Greifen, springen, kalken. Lediglich drei Funktionen und euer über den Fels kreisender Blick. Das klingt nach Minimal-Gameplay der aktuell weit verbreiteten VR-Technik-Demos. Und doch stellt sich das gute Gefühl eines auf den Highscore schielenden Arcade-Spiels alter Schule ein. Nicht nur wird die Zeit bewertet, die ihr benötigt, um den Gipfel zu erreichen, auch euer "Flow" wird bewertet. Extrapunkte gibt es für fließendes Klettern ohne Nachkalken. Für Griffe, die ihr mit nur halb gezogenem Trigger packt - in stressigen Situationen schwierig genug -, um so weniger Ausdauer zu verbrauchen. Viele exakte Sprünge wirken für diese Bewertung ebenso wunder wie kein einziges Mal abzustürzen oder zu sterben.

Das ist leider weniger transparent als ich es gerne hätte und Erklärungen dafür findet man nicht hinreichend. Aber man bekommt trotzdem schnell ein Gefühl dafür, wie man im Spielsinne gut klettert. Das Geheimnis liegt eben nicht in erster Linie in einer behäbigen Sicherheit, sondern in einer zielstrebigen und geradezu trotzigen Zuversicht, die einen in ununterbrochenen Zügen den Stein hinaufzieht, als steige man eine Treppe hinauf. Vielleicht reicht Crytek die Erklärungen ja noch nach, aber auch so schon entsteht ein schöner Zen-Zustand, gerade auch, wenn man den Berg schon kennt und nach anfänglicher Vorsicht beginnt, ihn seinen Vorstellungen zu beugen.

Die jeweils schwersten Kurse jeder Location klettert man bei Nacht.

Hier liegt auch die Substanz des Spiels, denn der Umfang ist mit neun etwa halbstündigen Bergen und je zwei kürzeren, aber extra-harten Boulder Kursen sehr überschaubar. Aber man spielt jeden einzelnen von ihnen immer und immer wieder. Regelmäßig entdeckt man Ecken, an denen man mit etwas mehr Körpereinsatz ein paar wertvolle Sekunden von der Bestzeit abschleifen kann, findet die perfekte Handstellung für eine zuvor unlösbar erscheinende Passage. Die führt dann vielleicht zu einem der versteckten Gartenzwerge, verlorenen Kameras einer weiteren Abkürzung oder nur einem Panorama, das einem den Atem raubt. Immer wieder schaltet man für bestimmte Leistungen neue Handschuhe, Armbänder oder Uhren frei.

Wer will, kann auf jeder Strecke eine besonders schwierige Zusatzbedingung erfüllen, die der Kletterei zusätzliche Würze - und Punkte - gibt. Einen Kurs zu absolvieren, ohne auf dem Weg nach oben einen der Speicherpunkte zu berühren und damit auszulösen, erzeugt eine ganz eigene Form von Spannung. Es ist ein wenig schade, dass es pro Kurs nur haargenau eine Zusatzbedingung gibt und nicht mehrere, die man in beliebiger Reihenfolge oder mehrere auf einmal in Angriff nehmen kann. Die zwei besonders harten Boulder-Routen pro Schauplatz sind besondere technische Kurzrouten, die einem alles abverlangen und an und für sich schon kleine Puzzles sind. Ohne Speicherpunkte und die Möglichkeit, nach einem Sturz zurückzuspulen oder sich den vorgesehenen Weg einblenden zu lassen. Und dann gibt es noch die Highscore-Listen, aus denen man sich die Geister besser platzierter Spieler herunterladen darf, um ihnen hinterherzukraxeln. Die durchsichtigen Hände des besten The-Climb-Spielers der Welt über die Steilwand fliegen zu sehen, das motiviert und gibt Impulse, seinen eigenen Stil zu verbessern.

Crytek nahm sich die Zeit, jeden Aufstieg mit kleinen Ereignissen zu verzieren, die den Fels als lebendiger erscheinen lassen. Vögel, Insekten, Extremsport-Touristen, Hubschrauber, Segelflieger. All das bekommt man auf dem Weg nach oben zu sehen.

Den Umfang würde ich deshalb nicht zwangsläufig in die Liste wirklich geltender Kritikpunkte mit aufnehmen, denn wer dieses Spiel mag, zieht auch mittelfristig noch einigen Spaß aus ihm. Für 50 Euro habe ich schon deutlich weniger Spaß gehabt. Dennoch gibt es Raum für Verbesserung. Zum einen ist die an sich nach Triple-A-Großproduktion aussehende CryEngine-Grafik in der Ferne ein bisschen unscharf. Das tut dem Tiefeneffekt und dem Eindruck, seine Nase an einer echten Gesteinsformation plattzudrücken zwar keinen Abbruch, macht aber so manchen Blick ins Tal ein bisschen weniger faszinierend, als er sein könnte.

Zum anderen kommt es hin und wieder vor, dass eine Hand einen Griff, den sie eigentlich erreichen sollte, nicht zu packen bekommt. Ebenfalls irritiert gelegentlich der eine oder andere Stein, an dem sich der The-Climb-Kletterer sehr wohl festhalten können sollte, das Spiel sieht das aber nicht vor. Crytek will - im Sinne der Lesbarkeit, dass ihr die mehr oder weniger durch weißen Kalk gekennzeichneten Griffe benutzt.

... und am Ende wird man mit solchen Ereignissen belohnt.

Crytek kombiniert in The Climb die Faszination VR mit einem Charme direkt aus der Arcade. Das hier ist ein farbenfrohes und in seiner klimatischen Dreifaltigkeit an Segas Spielhallen Automaten gemahnendes Erlebnis. Eben nur mit einem ganz anderen Grad an Immersion. Es ist seltsam, was dieses Spiel mit einem macht. Es sollte nicht funktionieren und auf dem Papier ist es ein nur allzu simples Konzept. Aber wo andere Teams mit diesen Bausteinen nur eine Technik-Demo gebaut hätten, ist The Climb trotz des schmalen Umfangs eines der ersten vollwertig wirkenden VR-Spiele.

Am Ende eines jeden Kurses gibt es diesen Zen-Moment, wenn man auf der letzten Plattform steht und den Blick über die Landschaft und die zurückgelegte Strecke schweifen lassen darf, so lange man will. Man ertappt sich häufig dabei, wie man mit einem Mal ermattet den gerade noch verkrampft und schweißnass vor sich gehaltenen den Controller sinken lässt und plötzlich den Kopf frei hat, als wäre man wirklich ganz alleine diese Wand hochgekommen. Diese Hirnlüftung ist beinahe kitschig ätherisch, wenn Wingsuit-Flieger jodelnd an einem vorbei ins Tal schießen oder Jets mit bunten Kondensstreifen in Formation an euch vorbeifliegen. Und doch empfindet man diesen Augenblick jedes Mal wieder als Belohnung und genießt ihn kräftig durchpustend.

Förmlich eingewickelt in topaktuelle Technik einen Triumph über die Natur zu feiern - der "Geh-mal-lieber-wirklich-an-die-frische-Luft"-Fraktion erzählt man besser nicht hiervon. Alle anderen sollten The Climb zumindest mal gesehen haben. Einen viel besseren Beweis, dass sich Erlebnisse in VR landläufigem Spiele-Schubladendenken entziehen, gibt es aktuell wohl nicht.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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The Climb

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