The Conduit
Hübscher B-Movie-Trash
Es war ein langer, harter „Winter“ für die Wii. Während Xbox 360 und PS3-Besitzer mit einem satten Lächeln 2008 ein Hardcore-Highlight nach dem anderen abfeiern durften, herrschte auf Nintendos Non-Gamer-Konsole eine fast schon katastrophale Eiszeit. Das Ergebnis: Ausgehungert nach vernünftigem Nachschub feiern Wii-only-Verfechter jeden einigermaßen interessanten Titel als das nächste Grand Theft Auto.
MadWorld, Deadly Creatures und Sin & Punishment 2 (Die Liste ist 2009 noch länger!) machen da ja schon Hoffnung auf mehr, doch es fehlt noch der endgültige Beweis, dass die Wii auch technisch etwas auf dem Kasten hat, um das geknickte Selbstbewusstsein der Nintendo-Fans wieder aufzurichten. Hier kommt The Conduit ins Spiel. Mit einigen schicken Tech-Demos und einer gewaltigen Effektliste sorgte der Titel schon im Vorfeld für allerlei Aufregung.
Etwas zu schnell wurde der sehr klassische Ego-Shooter von High Voltage Software als echter „Xbox360/PS3-Killer“ gefeiert. Eine verzweifelte Annahme, die nicht von ungefähr kommt. Die Fangemeinde klammert sich in der Hoffnung, nicht ganz in der Casual-Ecke zu verschwinden, an jeden Strohhalm, der ihnen von SEGA und Co. zugeworfen wird. Doch so viel kann ich schon vorher verraten: The Conduit kann optisch nicht mal ansatzweise mit aktuellen Next Generation-Shootern mithalten.
Die reguläre Wii-Konkurrenz wird zwar locker abgehängt, doch ein wenig Tiefunschärfe, ein paar eingestreute Bump-Maps und nette Texturen machen noch kein Killzone 2. Immerhin erreicht The Conduit endlich mal gehobenes Xbox 1-Niveau. Eine Tatsache, die sich bisher nur Titel aus dem Hause Nintendo auf die Fahne schreiben konnten. Doch wie sieht es mit dem Rest des Spiels aus? Ist der Titel dank der witzigen Alien-Waffen und einer ausgeklügelten Steuerung samt Wii Motion Plus-Unterstützung trotzdem ein Hit?
Was die Geschichte angeht, erwartet Euch Science-Fiction-Standard-Ware. Skurrile Aliens, supergeheime Geheimorganisationen und krude Verschwörungstheorien klingen nicht unbedingt nach Shakespeare. Ihr müsst die namensgebenden Conduit-Portale schließen und so die Erde vor einer Invasion beschützen. Einfallsloser geht es kaum. Aber hey, es ist ein Shooter. Hauptsache es kracht, oder?
Leider geht die etwas lieblose Geschichte direkt in das ebenso lieblose Design über. Eure Gegner scheinen gerade einem 70er-Jahre-B-Movie entsprungen. Schleimige Körper, übergroße Köpfe und lebende Waffen treffen nicht mehr ganz den Zahn der Zeit. Auch der extrem lineare Levelaufbau wirkt direkt aus Half Life 1 importiert, das inzwischen immerhin 11 Jahre auf dem Buckel hat.
Dafür ist die Steuerung über jeden Zweifel erhaben. Schon bei den Controller-Einstellungen merkt man, dass die Entwickler ihre Hausaufgaben gemacht haben. Auf der Wii ist zwar dank der Infrarot-Sensoren der Wiimote theoretisch eine deutlich natürlichere Umsetzung der Fadenkreuz-Bewegungen möglich, doch die bisherigen Versuche fielen eher mau aus. Bei Shootern wie Red Steel, Call of Duty oder Medal of Honor wurde eine zu große Nullzone gewählt. Bis sich Eure Figur zu drehen begann, musstet Ihr zu nah an den Bildschirm steuern. Schnelle Bewegungen wurden damit nahezu unmöglich. Nur das sonst unterirdische FarCry Wii konnte hier punkten.
Bei The Conduit könnt Ihr selbst bestimmen, wann sich Eure Spielfigur dreht. Komfortabel stellt Ihr die Breite und der Höhe der Zone ein, bestimmt Drehgeschwindigkeit und Tastenbelegung. Schade, dass wir die Wii Motion Plus Unterstützung mangels passender Hardware nicht ausprobieren konnten. Doch selbst mit der normalen Wiimote spielt sich The Conduit fantastisch. Schnell visiert Ihr die Gegner an, bewegt Euch geschickt durch die angespielte Forschungsanlage und setzt das All-Seeing-Eye ein. Ein praktisches Tool, das phasenverschobene Alien-Schalter aufdeckt und sie durch Manipulation deaktiviert
Mit dem elektronischen Schweizer Taschenmesser enttarnt Ihr Minen, löst Schalterrätsel und beleuchtet dunkle Stellen. Noch abgefahrener sind aber die anfangs erwähnten Alien-Waffen. Die organischen Schießprügel bieten praktische Spezialattacken, wie etwa einen aufladbaren Laser-Schuss, und schneiden sie durch die leidlich intelligenten Gegner wie ein heißes Messer durch Butter. Die diversen Granten werft Ihr übrigens mit einem kurzen Schleudern des Nunchuk. Mit etwas Übung landet Ihr so ansehnliche Treffer, die Eurem Angriff ein explosives Ende verpassen.
Online werdet Ihr gegen bis zu 15 Gegner antreten, Euch über Wii Speak mit Euren Teamkollegen unterhalten und in diversen Spielmodi die Köpfe einschlagen. Angekündigt wurde bisher nur das inzwischen schon etwas ausgelutschte Trio aus Deathmatch, Team Deathmatch und Capture the Flag. High Voltage Games hat aber noch ein paar Überraschungen versprochen, die hoffentlich etwas einfallsreicher ausfallen. Trotzdem schön, dass ein Wii-Titel mal wieder einen Online-Modus bietet. Ständig nur Wiiware runterzuladen, kann schließlich nicht alles sein.
Auch The Conduit wird die kunterbunte Wii-Welt kaum auf den Kopf stellen. Lässt man den ganzen Hype beiseite, bleibt ein technisch eindrucksvoller Ego-Shooter, der beim Design und Gameplay tief in die Trash-Kiste greift. Da das Spiel aber schon jetzt über eine einmalige Steuerung verfügt, sich Waffen und Gegner richtig anfühlen und es momentan nur wenig Alternativen für das System gibt, sollten sich Shooter-Fans den Release dick anstreichen. In Kombination mit einem Online-Modus, der seinen Namen auch wirklich verdient hat, liefert High Voltage Software vielleicht nicht den einfallsreichsten Action-Titels des Jahres ab, dafür erhält die Wii aber eine technische Meisterleistung, die trotz ihres beschränkten Horizonts schon jetzt eine ganze Menge Spaß bereitet.
The Conduit soll noch im Frühjahr 2009 exklusiv für die Wii erscheinen.