The Dark Spire
Hart bleiben!
Es war ein schöner Frühlingsmorgen als RON, GWEN, INDY und STEF auszogen, um in dem unheimlichen Gewölben des dunklen Turms nach Ruhm, Gold, Erfahrung und natürlich dem fiesen Erzmagier Thyhung zu suchen. Sie öffneten unbedarft die erste Tür. Gänzlich unvermutet lauerten im Halbschatten drei Fledermäuse. Pfft, drei Fledermäuse, was kann da schon passie… „Arrg, verdammt, das Biest hat mir die Hand abgebissen!! Mach, dass es weggeht! Oh Gott, es hat RON gefressen! Lauft! Lauft um Euer Leben!!!“
Die Reste der so zuversichtlich gestarteten Party krochen die wenigen im Dungeon geschafften Meter zurück in das Inn und stellten fest, dass sie sogar ein paar Heiltränke verkaufen mussten, um den Priester mittels guter Gaben bewegen zu können, RON wieder zum Leben zu erwecken. Ok, nächste Runde. Es ist ja erst die sechste dieser Art.
The Dark Spire lebt ganz im Zeitgeist des modernen Retro. Statt einfach ein brutal schweres Dungeonabenteuer wie zum Beispiel eines der Wizardrys auferstehen zu lassen, entwarf Success ein ganz neues, brutal schweres Dungeon-Abenteuer. Nur dass es sich halt genau wie Wizardry spielt und präsentiert. Zumindest fast, denn optional dürft Ihr eine recht gewagte Goth-Comic-Tapete mit einer Mischung aus viel Schwarz und Falschfarben im Stile der Blueberry-Comics drüberlegen. Das Ergebnis lässt sich ganz gut als LSD-Dungeon Master verkaufen. Wer es puristisch bevorzugt, kann das alles auch gegen untexturierte Wände und Gitterlook tauschen. Dass wir das noch mal erleben dürfen. Oder müssen. Bin mir nicht sicher.
Manche Retro-Neuauflagen schrauben ein wenig am erstarrten Grundgerüst der Originale, bevor sie sich selbst wieder auf die Menschheit loslassen. Wieder andere schaffen Retro-Feeling neu und stecken den nostalgischen Look & Feel in ein mit modernen Gadgets aufgeschäumtes Gewand, alles zum Wohle des Spielers. Denn sind wir mal ehrlich, war früher zwar alles besser, aber längst nicht alles gut, und wenn es eine Lektion bei The Dark Spire zu lernen gibt, dann diese.
Dabei will ich hier nicht gegen ein schweres Spiel bashen. Das kann sehr gut sein, wenn es richtig gemacht wird. Um zu wissen wie das geht, werft einfache einen Blick auf Demon's Souls. Es bringt Euch auch permanent um, lässt Euch aber nicht mit dem Gefühl zurück, einfach nur Lebenszeit in einen gescheiterten Versuch gesteckt zu haben. Genau das macht aber The Dark Spire. Warum? Weil Rollenspiele nun einmal aus diesem Ursumpf entstiegen sind und Dark Spire Heimweh hat.
Solltet Ihr sterben, fangt Ihr beim letzten Spielstand an. Sollte Eure Runde halb ausgelöscht werden, dann zählt schon mal, ob die Goldstücke zur Wiederbelebung reichen. Und reichen werden sie nie. Die Monster haben halt nicht viel Gold. Ihr findet nicht viel Gold. Es gibt nicht viel Gold. Und deshalb kostet alles praktisch unendlich viel Gold, abgestuft von irre viel bis unglaublich, wahnwitzig, bekloppt viel. Je nachdem, ob es eine einfach Giftheilung oder doch das Zauberschwert + 1 sein soll. Der Witz bei der Sache ist, dass es am Ende nicht wirklich von Euren Fertigkeiten abhängt, ob Ihr das durchsteht. Nur ob Ihr einfach bereit seid, genug Zeit zu investieren. Die Regel der alten Schule: Bleib hart und bleib dabei, dann siehst Du Level zwei.
Nach diesen Maßstäben wäre 1981 oder so The Dark Spire ein Gott unter Sterblichen gewesen und hätte mit seinem Art-Noir–Stil, seiner Masse an kryptisch betitelten Zaubersprüchen, Waffen und Formeln die Wizardrys locker in die Tasche gesteckt. Inhaltlich vergaß man traditionell über weite Strecken die Handlung – Böser Dungeon, Ihr da rein, alles totmachen! –, aber nicht die Würze im Detail mit leckeren Flavourtexten. Umschweifiger D&D–Kitsch fließt Euch aus jeder Zeile derart gezuckert entgegen, dass es einem um das alte Rollenspielnerd-Herz ganz warm wird, und die Atmosphäre erinnert weniger an ein frisches Abenteuer, sondern an bei Kerzenschein und Regelbuch versammelte Nerds. Ach, früher…
Nur leben wir halt nicht im Früher, sondern im Jetzt, und The Dark Spire springt grausig und mitunter bösartig mit Euch um, ohne viel zurückzugeben. Ihr wandert angsterfüllt durch den endlosen Dungeon, stets im Wissen, dass jeder Tod Euch um Spielstunden zurückwirft. Eine Story, die diesen Aufwand rechtfertigen würde, gibt es praktisch nicht, die kleinen Metatexte reißen dies nur bedingt heraus und Leveln des Levelns-halber ist nur die halbe Miete zum gelungenen Spieldesign.
An den Maßstäben der frühen 80er gemessen, macht The Dark Spire nichts falsch - und sollte das Eure Spiele-Traumära gewesen sein, der Eurer Ansicht nach nicht Vernünftiges mehr folgte, dann schlagt zu und freut Euch nicht über die Strafe, die das Spiel auf jedem Meter austeilt. Normale Rollenspieler, mit einem auf ein Lebensalter begrenztem Zeitkontingent, halten dagegen Abstand.
The Dark Spire ist vorerst nur in den USA und Japan erhältlich. Einen Releasetermin für Europa gibt es noch nicht.