The Darkness 2 - Test
"Hello Darkness, my old friend"
Wieder andere dieser Brüder halten einen Schild vor sich, den ihr ihnen erst entreißen müsst, bevor ihr eine Chance habt, während die Support-Klasse eine gewaltige Taschenlampe auf euch richtet, um euren zweiten Satz Arme unter Kontrolle zu halten. In seiner auf "Crowd-Control" und Zielgenauigkeit ausgerichteten Gefechtsführung vermittelt die Darkness trotz ihrer meist recht engen Level ohne alternative Routen ein deutlich anderes Spielgefühl als viele andere Ballerspiele.
Diese Frische allein reicht schon aus, um The Darkness 2 zu einem der interessantesten und eigenständigsten Actiontitel des noch jungen Jahres 2012 zu machen. Ein Umstand, der durch die sehr stabil laufende, stilsichere Grafikengine unterstrichen wird. Die versprüht mit ihren handgemalten Texturen nämlich echtes Comic-Flair, das den durchaus abwechslungsreichen Spielumgebungen einen willkommen ungewohnten Anstrich verpasst. Wo die Engine allerdings versagt, ist ausgerechnet bei der Darstellung von Hell und Dunkel, die für ein Spiel mit diesem Namen und Thema so wichtig wäre. Jegliche Ausleuchtung ist weniger das Resultat echt wirkender Lichtquellen, als das einer Farbschattierung von Hell-Orange nach Dunkelblau - eben wie in einem Comic.
Das führt dazu, dass man oft nicht sagen kann, welches Licht der Darkness nun schadet und welches nicht. Und oft tritt man zudem unversehens direkt in den Schein einer Lampe, eben weil die visuelle Umsetzung diese Gefahrenzone nicht ausreichend kenntlich macht. Das sorgt dann für einen kurzen Blendeffekt samt Gefechtsnachteil und - man muss es so sagen - nervt einfach. Nach einer Weile konditioniert man sich zwar darauf, nach oben zu schauen, um eventuelle Laternen oder Spotlichter zu sehen, die es zu zerschießen gilt. Dass man sich das allerdings erst angewöhnen muss, spricht schon Bände über die Qualität von Licht und Schatten in diesem Spiel. Wenn später mit Lichtgranaten und Scheinwerferträgern noch bewegliche Leuchten hinzukommen, geht oft vollends die Übersicht verloren, weil man die Situation nicht direkt begreift.
Ebenfalls nicht ganz zu Ende gedacht erschienen mir die Darkling-Elemente. Ich hatte mir von dem koboldartigen Begleiter einfach etwas mehr erhofft. Leider bleibt er eher auf Plot-Ebene interessant, als zum eigentlichen Spiel einen allzu großen Beitrag zu leisten. Ab und an schleppt er in einem Bosskampf einen explosiven Gegenstand für euch herbei. Und nach einem Upgrade könnt ihr ihn auch auf eure Feinde werfen. Doch wer die Zeit dazu hat, der kann auch genauso gut einen scharfkantigen Gegenstand in Richtung seines Feindes schleudern. Potential hätten die Abschnitte gehabt, in denen ihr Jackie aus Perspektive des verwarzten Gnoms zur Hilfe eilt. Hier bietet sich dann aus hüfthoher Sicht ein neuer Blickwinkel in die Tunnel und Lüftungsschächte dieser Welt, der sich am besten mit "Stealth Light" beschreiben lässt. Diese Sequenzen beschränken sich magerer Weise meist darauf, die eine Abzweigung zu nehmen, die an einer Patrouille vorbei führt, oder dieser mit einem Instant-Kill in den Rücken zu fallen. Dieser Blickwinkel-Wechsel hätte deutlich sinnvoller eingesetzt werden können, sodass es bei einer kurzen Abwechslung bleibt, die lediglich atmosphärischen Zwecken dienlich ist.
Neben dem New Game+, das nach dem Durchspielen doch sehr dazu anregt, das Spiel noch einmal anzugehen, um auch den Rest der 29 versteckten Reliquien zu finden, gibt es zudem noch den Vendetta-Modus, der sich als alles andere als lieblose Spielstreckerei herausstellt. Dieser Koop-Einsatz kann auch problemlos alleine gespielt werden, blüht aber erst zu viert so richtig auf. Als einer von vier doch sehr stereotyp angelegten Mafia-Killern erledigt ihr hier in separaten Leveln Aufträge für Jackies "Familie", die die Handlung des Hauptspiels aus einem anderen Licht zeigen und sogar neue Dialoge für alle Figuren liefern. Auch hier pflegt jeder Spieler einen kleinen Fähigkeitenbaum. Der ist dann so ausgerichtet, dass sich alle Teilnehmer mit ihren Skills gegenseitig buffen können, was auch ohne Tentakel, dafür aber mit diversen mystischen Nahkampfwaffen sehr viel Spaß macht - übrigens auch im Splitscreen für zwei Spieler. Schon überraschend, wie viele Parallelen sich hier zwischen The Darkness 2 und dem neuen Syndicate auftun, das ja auch diesen Monat erscheint.
Kommen wir nun zur deutschen Version. Hier hatte 2K ja bereits vor zwei Wochen die Schnitte bestätigt, die nötig waren, um den Titel mit Prüfsiegel an der USK vorbei zu bekommen. Die gute Nachricht zuerst: Die Trefferreaktionen der Feinde haben es unbeschadet deftig in das deutsche Spiel geschafft. Allerdings fehlen hier und da offenbar Schadenstexturen, wenn man mit derberem Geschütz aus der Nähe draufhält. Das Gunplay leidet aber, soweit ich das sagen kann, eher wenig. Die Tötungsmoves hingegen, die eure Tentakel mit so teuflischem Entzücken zelebrieren, sind so gut wie komplett aus dem Spiel. Wenn es welche gibt, die noch drinnen sind, so habe ich in den ersten zwei Stunden keinen davon zu Gesicht bekommen. Im Hinblick darauf, dass die mit zunehmender Dauer eher schlimmer werden, glaube ich nicht, dass noch viel von ihnen übrig ist. Ebenso bleiben auch nach Autotür-Würfen, die ihr Ziel normalerweise zerteilen, die Opfer in einem Stück und aufgespießt wird auch niemand mehr. Selbst wenn man durchaus die Frage stellen darf, ob solche Gewaltdarstellungen überhaupt in einem Spiel gezeigt werden müssen, so besteht doch wenig Zweifel daran, dass deren nachträgliche Entfernung unschöne Narben auf dem Erlebnis hinterlässt. Die deutsche Synchronisation glänzt dagegen durch gute Sprecher, die ihre Parts allerdings nicht immer der Situation oder Figur angemessen betonen. Sopranos-Fans werden unterdessen den prägnanten Italo-Mobster-Singsang der exzellenten englischen Version, zumindest auf meiner hiesigen Testfassung ebenfalls enthalten, nicht missen wollen.
The Darkness 2 also - ein Spiel, das definitiv nicht alles richtig macht oder gar neue Wege weist, sehr wohl aber zeigt, dass auch geradlinige und auf maximalen Unterhaltungsfaktor ausgerichtete Shooter nicht nur in eine Richtung gehen müssen. Unter all dem klebrig triefenden Gekröse beweisen die Entwickler gerade in den charaktergetriebenen Intermezzi immer wieder ein außerordentliches Feingefühl dafür, wie man ein Spiel als Erlebnis verpackt. Ganz bewusst wird hier die sonst so energisch pumpende Dampflok von einem Ego-Shooter immer mal wieder auf Schritttempo herunterbremst, damit der Spieler was von der Welt und den Figuren zu sehen bekommt. Ich bin positiv überrascht und freue mich darauf, was Digital Extremes in der Zukunft auf die Beine stellen wird. Willkommen in der A-Liga der Entwickler!