The Devil in Me wird mehr Adventure als The Quarry – warum das eine gute Sache ist
Mehr Rätsel, mehr Beweglichkeit, mehr Interaktivität.
Da ist es also, das vierte Spiel und damit das große Finale der Dark Pictures Anthology. Ich muss sagen, was in der Theorie ganz hervorragend klang – eben eine Horror-Anthologie mit den spielerischen Mitteln eines interaktiven Films wie Until Dawn – hat in der Praxis für mich bisher nicht so gut funktioniert. Mit Supermassives Ansatz, Horror zu kreieren, versöhnte mich letzten Juni erst The Quarry wieder, das von bemüht semi-historischen Gruselgeschichten wieder zum Teenie-Horror zurückkehrte.
Dabei ist es nicht ganz einfach, mit dem Finger darauf zu zeigen, wo genau nun der Hund für mich begraben lag, denn spielerisch glichen sich alle diese Spiele enorm. Am ehesten liegt es wohl daran, dass sich die Dark-Pictures-Spiele weniger auf die Kills stützten, nicht so sehr auf die Frage, wer diese Tortur überleben wird. Sie wollten den Geschichten eine zentralere Rolle einräumen, erzählten dafür aber nicht packend genug und zeichneten ihre Charaktere zu oberflächlich. Nein, Supermassive hat einfach bisher ein besseres Händchen für Teenie-Archetypen gehabt, die bis unter die Nase voll mit Hormonen ganz, ganz dumme Dinge machen und dann dafür bezahlen.
Und doch: Ich habe eine Schwäche für Spukgeschichten wie diese, kam sehr zufrieden aus The Quarry und bin deshalb auch diesmal gerne dabei, um zu schauen, wo The Devil in Me in meiner Gunst nun landet. Diesmal wird es noch konkreter historisch, wenn der vermeintlich erste Serienmörder der USA, H.H. Holmes, zum expliziten Gegenstand einer Pop-Dokumentation wird. Eine Produktionsfirma bangt gerade um den Auftrag einer zweiten Staffel ihrer Reihe an Serienmörder-Dokumentationen und will den ersten Durchgang mit einem Knaller beenden. Gut, dass ein Millionär die Crew zur Besichtigung einer Nachbildung von H.H. Holmes 'Murder Castle', einem alten Hotel voller Fallenräume, einlädt.
Als die Crew ankommt, stellen sich einige der Vorrichtungen als effektiver heraus, als ihnen lieb gewesen wäre. Kein neues, aber auch kein schlechtes Setup, vor allem, wenn man eine große Bandbreite an unterschiedlichen Figuren in eine unangenehme Situation bringen möchte. Da wären also der Produzent, dessen Firma auf dem Spiel steht, die Moderatorin, gespielt von der für einen Oscar nominierten Jessie Buckley (Chernobyl, Frau im Dunkeln), der Kameramann, die Beleuchterin und die Tonfrau und allesamt sind sie grundverschieden.
Das nutzt The Devil in Me erstmals für einen etwas intensiveren Einsatz klassischer Adventure-Elemente. Denn jeder von ihnen besitzt ein einzigartiges Gadget, mit dem er Dinge tun kann, die die anderen nicht draufhaben. Boss Charlie nutzt seine Visitenkarte, um zum Beispiel Schlösser zu öffnen, Moderatorin Kate nutzt ihren Bleistift, um etwa durchgedrückte Nachrichten auf einem Notizblock sichtbar zu machen. Die Beleuchterin Jamie verkabelt mit ihrem Multimeter bei Bedarf elektrische Anlagen um, während Tonfrau Erin mit ihrem Mikro durch Wände Geräusche aushorchen kann und Marc seine Kamera für findige Zwecke einsetzt.
Ebenfalls neu ist, dass die Figuren nun erstmals rennen und über Hindernisse klettern können. Überhaupt gibt es mehr Arten, an Orte zu gelangen, die die Protagonisten der vorigen Spiele nie gesehen hätten: Man balanciert über Balken, schummelt sich schmale Simse entlang, quetscht sich durch enge Lücken oder verschiebt Möbel und andere Objekte. Sogar verstecken darf man sich. Man wird sich diesmal also offenbar nicht mehr ganz so eingeengt fühlen, ohne dass das Spiel plötzlich zu einem waschechten Action-Adventure ausartet.
Auch der Erzähler, der die Rahmenhandlung seit dem ersten Teil der Dark Pictures Anthology erzählt, soll möglicherweise "ein paar neue Tricks" gelernt haben. Zusammen mit dem Versprechen, statt der bisher vier bis fünf Stunden mit The Devil in Me mehr als sieben Stunden beschäftigt zu sein, stellt sich mir die Frage, ob wir diesmal eventuell ein wenig mehr und direkter mit dem Erzähler in Kontakt kommen? Wird hier auch die übergeordnete Erzählebene eventuell greifbarer und unmittelbarer?
Supermassive hat sich diesmal nach eigenen Angaben Inspirationen nicht nur von Saw und Hostel geholt, sondern auch von The Shining und klassischen Slasher-Filmen. Und das sieht man ziemlich deutlich. Gleichzeitig war ich nicht ganz zufrieden mit der uns demonstrierten Spielszene. Die Erkundung eines alten, baufälligen Bades tief in der Murder-Castle-Kopie war extrem stimmungsvoll (wenngleich die ewig gleichen "Im Hintergrund huscht jemand durchs Bild"-Momente, doch recht bequem fand), aber die entscheidende Szene, in der Jamie und Marc entscheiden müssen, welchem von zwei eingesperrten und dem Ersticken nahen Teammitgliedern sie die Luftzufuhr wieder aufdrehen wollen, hätte ich ohne weiteren Spielkontext lieber nicht gesehen.
Es ist die klassische, "Du kannst nur einen retten"-Situation und war dramaturgisch gut gemacht, aber sofern ich keinen Einfluss darauf habe, nicht eventuell beide zu retten – oder die Kollegen gar nicht erst in diese Situation kommen zu lassen –, kann ich mir auch vorstellen, dass dieser Moment sich eher unbefriedigend anfühlt. Aber noch einmal: Ohne Kontext ist das schwierig zu beurteilen. Mit den Schuldgefühlen, die daraus resultieren, könnte man erzählerisch auch einiges anstellen.
Insgesamt gefiel mir, was ich sah, und das Versprechen, dass es mehr Interaktion, mehr Puzzles und Labyrinthe geben soll, aus denen man sich herausdenken muss, macht mich neugierig darauf, wie das hier weitergeht. Ich gebe zu, im Vorfeld der Präsentation war mir nicht ganz klar, weshalb man für den vierten Teil einer Anthologie dringend ein Event abhalten muss. Zumal solche Story-Spiele oft ein undankbarer Präsentationsgegenstand sind. Aber die Neuerungen sind stark und umfassend genug, um nach dem starken The Quarry optimistisch dem vorerst letzten Teil der Dark Pictures entgegenzusehen, der am 18. November erscheint.