The DioField Chronicle im Test - Sieht auf wie PS2, spielt sich wie alte RPGs, natürlich hatte ich Spaß
In Squares Schublade gefunden?
DioField Chronicle ist wunderbares Spiel, um es anzumachen, verwundert anzugucken, ausmachen und vergessen, dass es je existierte. Zumindest auf den ersten Blick wirkt das nicht nach 2022. Es sieht aus, wie ein hochgerechnetes PS2-Game, bietet gerenderte Zwischensequenzen mit hüftsteifen Protagonisten aus ebenfalls dieser Zeit und vor allem die Optik. Dazu die Händchenhalten-Mentalität der ersten Stunde wirken wie etwas, das Square Enix in der Schublade fand und schnell mal rauskloppte, bevor es noch ganz verdirbt.
Aber dann spielte ich eben weiter, ist ja ein Test und kann ja nicht alles Gold sein. Das wird DioField Chronicle auch zu keinem Zeitpunkt, aber meine Urlaubstage diese Woche habe ich dann doch damit zugebracht. Mit Freude und steigendem Spielspaß. Seid ihr erst mal über den fast-retro Schock hinweg, zeigen sich hier echte Qualitäten.
Im Prinzip spielt ihr Baldur’s Gate oder einen seiner zahlreichen geistigen Nachfolger, nur reduziert auf das Kampfsystem, ohne den lästigen Rollenspielteil. Den Teil, in dem ihr lange rumwandert und quatscht und so. Dieser beschränkt sich auf das Hauptquartier einer Söldner-Truppe in Fantasy-Land X, ich meine natürlich DioField. Hier habt ihr ein Dutzend Räume, die nach und nach freigeschaltet werden, in denen ihr Quests von ein paar wenigen herumstehenden Bewohnern annehmt, Waffen verbessert, Fertigkeiten freischaltet, einkauft, was eben so grundlegend dazugehört. All das, was andere Rollenspiele in Städte, die man besucht, packen und visuell und atmosphärisch zelebrieren. Kurze Wege haben was, sind hier aber kahl wie ein frisch gebautes Billig-Fertighaus ohne Einrichtung.
Von hier aus sucht ihr auf einer Karte die nächste Mission aus. Oder vielmehr, ihr bekommt die eine nächste Relevante zugewiesen. Lediglich ein paar Nebenquests dürfen erledigt werden oder auch nicht. Ist alles recht linear. Dann seid ihr auf der Map der Mission und anders kann man es nicht nennen. Ihr seht bei der weiten Einstellung, dass ein Stück Land im Limbo herumfliegt, auf dem ihr dann eure Heldentaten vollbringt. Auch näher herangezoomt wird es nicht schöner oder detailfreudiger. Diese beeindruckende Diorama-Einstellung am Anfang, die an Octopath oder ähnliche Kunstwerke erinnerte? Ja, nein, das hier ist ein verlorenes PSP-Spiel, das nun gerettet wurde. Und erwartet nur nicht, dass die Figuren schöner sind als ihre Umgebung.
Über all das kommt ihr hinweg, wenn die Kämpfe nach ein paar öden Missionen in Schwung kommen. Ihr steuert vier Helden in Echtzeit, indem ihr im Pause-Modus Richtungen und Befehle verteilt. Entweder einzeln oder in der Gruppe geht das gut von der Hand und einen Zeitraffer gibt es auch. Wie damals bei Baldur’s Gate und Co. hopst ihr also von Pause zu Action hin und her, lenkt zum nächsten Ziel, wählt Spezial-Attacken, Buffs und Heilung aus und guckt, dass eure Truppe nie in den AoE-Bereichen der Gegner steht, während möglichst viele Feinde in euren Angriffsradien hocken sollten. Ich erkläre hier nichts Neues, das Konzept wurde für RPGs vor 25+ Jahren erfunden und hat sich bewährt. Wenn man es gut macht, kann man nicht viel falsch machen. Gut also für DioField, dass es das gut macht.
Neben den vier Helden könnt ihr jedem noch „Zweit“-Helden zuweisen, dessen Attacken und Fertigkeiten ihr immer nutzen könnt, ohne dass sie selbst auf dem Feld stehen. Mitgelevelt wird auch, sodass ihr trotz des 4er-Caps einen Pool an Helden auf Stand halten könnt. Vor allem aber habt ihr mit einer cleveren Kombination an Helden und Klassen ein gutes und stetig wachsendes Repertoire an Möglichkeiten, die ihr auch benötigt. DioField liebt es, zuerst nur ein paar Gegner zu zeigen und nach und nach erst die guten aufs Feld zu werfen. Sicher, nach einem gescheiterten Versuch weiß man auch, was kommt, denn die Missionen sind nicht dynamisch. Schade, denn vor allem Wiederholungen, um alle Belohnungen einzusacken, hätten den Wiederspielwert noch mal erhöht.
Sehr oft musste ich mich nicht mit zu vielen Details beschäftigen und schickte alle Helden auf einen Gegner oder kitete eine kleine Gruppe, um die eigenen Flächeneffekte für eine schnelle Klärung der Lage zu nutzen. Vor allem die aus Final Fantasy bekannten Esper-Monster sind eine große Hilfe dabei. Eine so große, dass sie sich relativ langsam aufladen und wohlüberlegt genutzt werden wollen. Das kurze Scharmützel entlang des Weges ist also kein Thema. Gerade die Bosse jedoch oder höherlevelige Gruppen zeigen, was in dem System steckt. Wenn ihr euch hier nicht halbwegs richtig positioniert, dann ist eine Heilerin schnell zwischen den Fronten zerrieben oder ein Assassine beißt sich an einem Schild die Zähne aus. Und immer wieder müsst ihr zusehen, dass ihr schnell aus Effekt-Bereichen und in gute Positionen kommt, sonst war es das.
Die Mischung aus schnellem Manövrieren, taktischen Ressourcen-Management und ein wenig Geländegegebenheiten machen die Kämpfe, die nie länger als 10 oder 15 Minuten dauern, zu einem wunderbaren Kurzintermezzo für zwischendurch, ohne dass es gleich zu primitiv wird. Das bieten keineswegs alle Spiele dieser Art und wenn, dann selten so überzeugend. Ich stürzte mich mit wachsendem Repertoire an Spezialattacken und damit Möglichkeiten immer begeisterter in neue Kämpfe und begann sogar alte zu wiederholen, um die optionalen Ziele und damit Belohnungen einzustreichen.
Was die Story angeht, die ist so angestaubt wie die Optik. Die Saga um Aristokraten, Söldner, Schurken und Monster hat einen Bart, der weit länger ist als der von Baldur’s Gate und bringt es nie auf den Biss eines guten RPGs. Stelzige Dialoge treffen auf pseudokomplexe Intrigen. Es wäre ein solides Gerüst für einen mittelmäßigen Fantasy-Bahnhofs-Roman und es ist ein solides Gerüst für ein Spiel wie dieses hier. Aber erwartet nur nicht, dass ihr gebannt auf den nächsten Twist lauert.
The DioField Chronicle entwickelt nach den ersten lahmen Runden und ein zwei Stunden einen guten Spielfluss, der dafür sorgt, dass man die graue, trübe Suppe der 2007er-Grafik ignoriert und sich dann ganz auf seine Helden und das nächste Schlachtfeld konzentriert. Böse gesagt, es ist ein Spiel, das auf der PS2 Wellen geschlagen hätte und heute, nachdem es nun endlich, mit 20 Jahren Verspätung, minimal restauriert erschien, sich wirklich gut gehalten hat. Nett gesprochen kreuzt man hier ein erprobtes Kampfsystem mit bewährten RPG-Elementen zu einem spaßigen Taktik-Spielchen, das immer für eine weitere Runde gut ist.
Eine Anmerkung aber dann doch und ich geh wirklich nicht so häufig auf den Preis ein: Ich musste zwei Mal hingucken, aber DioField ist wirklich ein Vollpreistitel, auch wenn es in keiner Weise so aussieht und ehrlich gesagt auch spielerisch das nicht ganz hergibt. Für das Geld hätte man DioField schon mehr Drumherum gönnen können. gigsen, sag es ihnen... "Im Sale dann".
The DioField Chronicle - Pro und Contra
Pro:
- Gut gestaltetes und durchweg motivierendes „Echtzeit mit Pause“-Kampfsystem
- Herausfordernde Bosskämpfe
- Viele Schlachtfelder und Missionen
- Zahlreiche Ausrüstungs- und Upgrade-Systeme
Contra:
- Technisch nicht gerade Stand der Zeit
- Ist schon echt hässlich und grau in grau
- Habe ich erwähnt, dass es wie ein PS2-Spiel aussieht?
- Story eher vorhanden als mitreißend
- Keine dynamischen Faktoren auf dem Schlachtfeld
Entwickler: Square Enix, Lancarse, Square - Publisher: Square Enix - Plattformen: Nintendo Switch, PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox One, Xbox Series, Microsoft Windows - Release: 20.9.2022 - Genre: Taktik-RPG - Preis (UVP): ca. 60 Euro