The Division - Wenigstens in New York liegt Schnee
Orientierungsphase in der Apokalypse
Ist man eigentlich schon zu abgebrüht? Ich zumindest? Normalerweise bin ich für atmosphärische Outbreak-Szenarien ja durchaus empfänglich und der brillante Trailer traf genau diesen Nerv. Umso erstaunlicher ist es, dass das Intro des eigentlichen Spiels weit schwächer und vor allem weit konfuser daherkommt. Ist jetzt die ganze Welt von der Virus-Katastrophe betroffen - scheint so -, ist das Militär noch aktiv - scheint irgendwie auch so, bleibt aber lange unklar - wer sind eigentlich die Gegner? Einfache Plünderer, oder eine organisierte Gruppe? Erst mal draufhalten, wenn der Marker rot ist, wird Gott sich um die Sortierung kümmern. Diese und weitere Fragen stellen sich nur kurz, während man gut beschilderten Wegen folgt. Überhaupt, warum gibt es überall noch Strom, wenn alle tot sind? Wenn ein 30 Jahre alter Carpenter-Streifen konsistenter scheint als das Szenario eines Multimillionen-Dollar-Blockbuster-Games, muss man einfach zu dem Schluss kommen, dass man besser nicht zu viele Fragen stellt.
In Brooklyn jedenfalls kommt noch keine Atmosphäre auf. Sicher, da türmen sich die Autowracks, hier sind die Fenster vernagelt, vereinzelte Überlebende schleichen durch die Straßen, aber im Grunde wirkt es mehr wie ein beliebiges Kriegsgebiet als die Apokalypse. Wobei, wer in Bilder von Städten guckt, die derzeit in Syrien je nach Tageszeit von unterschiedlichen Gruppen bombardiert werden, darf sich schon fragen, wo genau der Unterscheid liegt. Im Vergleich dazu wirkt diese fiktive Katastrophe von New York eher handzahm. Mein aus nicht sonderlich vielen Optionen bei der Gesichtsgestaltung zusammengestellter Retter - keine Optionen für Körperbau... -, der ein wenig wie Chow Yun Fats weniger charismatischer Zwillingsbruder wirkt, spaziert zum Safehouse, wo ich mir erst mal Orientierung erhoffe, denn der Einstieg in das Chaos des auf den ersten Blick schwer beladen wirkenden HUDs ist kein leichter. In dem keinen Raum zeigt sich, dass die Verbindung scheinbar vom Start weg ganz okay funktioniert, wuseln doch ein paar Spieler herum, mit denen man sich auch - ganz im Gegensatz zu Destiny - per schnellem Tastendruck sofort anfreunden kann, wenn man das denn möchte. Ein Händler verkauft Dinge, die ich mir nicht leisten kann, ein Spieler-Portal unterstützt weiter das Teamplay und ein MMO-typischer Questgeber drückt mir den ersten Marker auf.
Inhaltlich hinterließen diese ersten Aufträge noch im Tutorial-Gebiet Brooklyns dermaßen viel Eindruck, dass ich mich jetzt, acht Stunden später, um's Verrecken nicht mehr erinnern könnte, was das war. Aber der spielerische Effekt bleibt nachhaltiger. Innerhalb von einer halben Stunde beginnt das Chaos der Anzeigen Sinn zu machen, die Symbole der Mini-Karte werden vertrauter, das Inventar beginnt sich zu erschließen und ja, es kehrt die Routine eines soliden Crafting-Loot-Shooters ein. Was zwar nicht hilft, doch noch Endzeit-Atmo aufzubauen, aber mich andere Qualitäten des Spiels schätzen lernen lässt. Als Shooter spielt sich The Division richtig gut, zumindest als Pad-getriebener Third-Person-Shooter. Das Gunplay hat die Routine von Studios, die das nicht seit gestern machen, das Treffer- und Schuss-Feedback sitzt, schon die ersten unterschiedlichen Waffen haben ganz eigenes Verhalten und das auch in Abstimmung mit den scheinbar zahllosen Modifikationen. Die Gegner-KI hat ihre Momente im Guten wie im Schlechten, aber sie gehört auf jeden Fall zu den etwas besseren ihrer Art. Ich weiß auch ein paar Stunden nach der Ankunft nicht, ob ich hier noch atmosphärisch ins Rennen komme, aber als Shooter an der Spitze der Genre-Komplexität bin ich durchaus beeindruckt.
Im Rahmen dessen muss man aber auch eine Sache sagen: The Division ist ein Shooter aber eben irgendwie auch nicht so ganz. Im Gegensatz zu Call of Duty oder anderen ist ein Kopftreffer hier nicht tödlich. Manchmal sind nicht mal zehn Kopftreffer tödlich. Die Spielmechanik ist die eines RPG. Jeder hat Lebenspunkte und einen Level und auch wenn sonst tödliche Treffer mehr Schaden verursachen, das ist es dann eben auch schon: mehr Schaden. Es kann tödlich sein, das muss es nicht. Dieses System dürfte dem einen oder anderen aufstoßen, der hier eine Day-Z-Immersion sucht, bei der alles einen sofort umbringen kann. So ein Siel ist Division nicht, will es auch nicht sein. Ich mag das System, habe mich in schnellst daran gewöhnt und war nach kürzester Zeit nicht mehr pikiert, dass ein Sniper-Treffer eine Feind nicht sofort fällte. Das ist das System des Spiels, ich denke es ist eine interessante Mischung aus RPG-Elementen und Shooter und solange jetzt nicht jeder Shooter damit anfängt, halte ich es hier für eine gute Sache.
Zurück zu Manhattan. Das Spiel macht einem relativ schnell klar, um was es geht: Ressourcen. Nach einer Handvoll initialer Missionen habt ihr vor euch ein Hauptquartier, das ausgebaut werden will und dass nach dem Muster der lose angelegten drei Klassen. Der Krankenhaus-Teil gibt dem „Heiler" mehr Fertigkeiten, der Sicherheitsbereich schaltet für den „Tank" Dinge frei und der Tech-Flügel unterstützt den „Support". Ich sage lose, da Mischklassen hier die Regel sein dürften und die Auswirkungen weit weniger drastisch sind als selbst bei Destiny oder gar MMORPGs. Es sind mehr ausgeprägte Nuancen und Vorteile als komplett unterschiedliche Spielrollen. Jeder Flügel ist in zehn Stufen ausbaubar und dafür müsst ihr Zeugs sammeln. Das tut ihr durch Missionen, die auch die beste Art sind Erfahrungspunkte zu kassieren, in zufällig verteilten Kampf-Events, die überall aufpoppen und beim gelegentlichen Looting von gut gekennzeichneten Orten. Wer nichts einsammeln will, sollte nicht The Division spielen, er wird nicht weit kommen. Gut, dass ich Einsammeln mag, insoweit sind ich und das Spiel uns hier noch nicht ins Gehege gekommen. Mal gucken, ob sich das abnutzt.
Was sich schnell abnutzte sind die zufälligen Plünderer. Damit die Straßen nicht so leer wirken, knien immer wieder zwei, drei Typen über einer Leiche und machen das, was Geier halt so tun. Die ersten Male tut ihr dann das, was ihr als Retter der Zivilisation so macht und ballert wild um euch. Nachdem jedoch klar wird, dass selbst Kakerlaken auf einer Mülldeponie zu jagen sinnvoller ist und mehr Erfahrungspunkte bringt, versuchte ich, einfach dran vorbei zu rennen. Ganz im Gegensatz zu allem, was diese Typen eigentlich tun sollten - nämlich sich um ihr Ding zu kümmern und schwerbewaffnete Kerle entlang des Weges in Ruhe zu lassen - verfolgen sie euch über ganze Straßenzüge hinweg. Hier beißen sich wieder Atmosphäre und Gameplay. Durch derartig gehäufte Zufallsbegegnungen hat die Stimmung einer eigentlich verlassenen, unheimlichen Stadt mit punktuellen Gefahren nie eine Chance und verkommt zu einem üblichen Kriegsgebiet, in dem im Minutentakt auf alles geballert wird, was nicht bei Drei auf dem Baum ist. Gut also, dass das Ballern genug Spaß macht, dass zumindest ich mich damit arrangierte, weil genau dieses Ballern einfach gut umgesetzt ist.
Bevor ich mich jetzt weiter in den Wust aus Missionen, Nebenmissionen und Zufallsereignisse stürze und das ab jetzt verstärkt im Teamplay - so die Server denn wollen, wie es aktuell den Anschein macht -, noch ein paar Worte zur Technik. The Division sieht großartig aus. Selbst auf den Konsolen ist das Bild der Stadt zwar etwas statisch, aber fantastisch detailliert. Es läuft flüssig, das minimale Tearing muss man schon suchen und sehen wollen. Wenn es etwas gibt, woran gekrittelt werden muss, dann sind es die Charaktermodelle, die im Vergleich zu der Pracht um sie herum fast grobschlächtig wirken. Da ihr sie aber die meiste Zeit nur auf gute Distanz über Kimme und Korn seht, hält sich dieser Punktabzug in der Kür in Grenzen. Das Sounddesign dagegen ist perfekt. Man merkt in jedem Detail, wie viel Erfahrung Ubisofts Studios mit offenen Welten und ihrem Klang haben und das ist wirklich beeindruckend, angefangen von den richtigen Entfernungsklängen des Waffenfeuers, das in den Straßen glaubwürdig reflektiert und verfälscht wird, bis hin zu kleinen Feinheiten in den Wetterlagen des dynamischen Systems aus Tag und Nacht, Schneegestöber und Sonnenschein. Inhaltlich mag bisher keine große Atmosphäre aufgekommen sein, aber die Umgebung tut ihr allerbestes, um das wieder wettzumachen.
Also, der Anfang ist gemacht, aber bis zu einer relativ finalen Einschätzung ist noch viel Strecke zu machen - rechnet nicht vor Donnertag oder Freitag mit dem Test. Aber ehrlich gesagt, ich bin bisher von The Division sehr angetan. Die Story mag mich bisher in keiner Wiese abgeholt haben und das Szenario ein wenig austauschbar wirken. Das Spiel selbst macht jedoch einen ausgesprochen durchdachten Eindruck und vor allem: Es ist ein verdammt guter Shooter. Es spielt sich einfach tadellos und das ist eine wichtige Grundlage, auf der dann die vielen Systeme des Lootens, des Craftings und der zumindest bisher durchaus vorhandenen Missionsvielfalt aufsetzen. The Division macht zumindest bisher den Eindruck, dass es sich lohnt, sich hier einzufuchsen. Was den Start der Server angeht: Ja, ich hatte auch schon ein paar „Deltas", aber noch keinen „Mike". Diese Fehlerbezeichnungen zeigten sich aber extrem selten und für jeden fehlgeschlagenen Login hatte ich mindestens fünf, die tadellos in Sekunden erfolgten. Einmal bin ich aus einer im Team gespielten Mission geflogen, weil scheinbar der Server was Besseres zu tun hatte, aber auch hier war das die Ausnahme. Kein schlechter Start, wie es scheint.
Und das ist wohl auch das Motto nach den ersten Stunden: Kein schlechter Start... ganz im Gegenteil. Wenn The Division in den nächsten (vielen) Stunden sein Potenzial richtig ausspielt, hat es das Zeug, eines der Großen sein. Wie gesagt, Fortsetzung folgt.