The Elder Scrolls Online mit Morrowind-Upgrade - Test
Morrowind '02: Legende. Morrowind '17: Vergnügungspark.
Dies ist die Geschichte einer Rückkehr nach über 15 Jahren und die Zeiten haben sich geändert. The Elder Scrolls: Morrowind gehört zu den Spielen, an die ich mich erinnere. Nicht nur im Sinne von "Ja, das habe ich mal gespielt" mit ein paar losen Eindrücken. Dieses Spiel war meine Rückkehr zum PC-Gaming nach einem Weilchen Abstinenz und ich verbrachte locker über 100 Stunden auf einem Hocker in einer "Gaming-Schämecke" vor einem überlasteten Pentium III mit der damals billigsten Grafikkarte, die ausreichte. Die Landung an den Docks, die Rückkehr in die Welt der Elder Scrolls, sechs Jahre nach Daggerfall, war insoweit etwas Besonderes, dass kaum etwas den Quantensprung zwischen dem 3D-Karten-losen Gaming der Mitt-90er-DOS-Ära und den dann als Norm etablierten Grafikkartenspielen der frühen 2000er so deutlich markierte wie diese Reise von Daggerfall nach Morrowind. Vom ersten Schritt an den Docks hinein in die Welt von Morrowind markierte es den Anfang einer außergewöhnlichen Reise. Es war eine neue Welt. Im Jahr 2002.
Dass dieser Eindruck nicht nur bei mir ein bleibender war, dürfte der Grund sein, wieso Morrowind die bisher größte Erweiterung des inzwischen wohl ganz solide laufenden The Elder Scrolls Online wurde. Kein Reboot, das Spiel hat sich in den letzten drei Jahren praktisch eh neu erfunden, seit es sein Level-, Bezahlsystem und noch ein paar andere komplett überholte und jede Menge Bugs und Haken aus den Anfangstagen mittlerweile praktisch ausmerzte. Im Rahmen des Projektes Tamriel ganzheitlich ins Spiel zu bringen, das klingt wie ein idealer Weg, Morrowind 2017 zu mehr zu machen als zum einfachen Remake eines überalterten Spiels.
Nun... Ja und nein. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sich für einen neuen Spieler anfühlt, weil die Eindrücke so gut getroffen sind, dass ich mich praktisch in einer Art grafisch aufgeputschtem Jahr 2002 wiederfinde. Vom Boot nach Vivec und von dort aus als Erstes einmal alle Quests ignorierend zu Fuß um die Insel... Ja, das ist Morrowind, keine Frage. Belebter, detaillierter - beides gilt auch für einen etwaigen Vergleich mit dem restlichen TESO-Content. Und doch passt es nicht ganz. Morrowind 2002 lebte zumindest für mich vom Gefühl, als Abenteurer den relativ zivilisierten Süden der Insel hinter sich zu lassen und die Wildnis der Aschelande, der nördlichen Küste und alles sonst zu erkunden. Ein Entdecker in einer fremden Welt, die sich auch wirklich fremd anfühlt. Morrowind 2017 dagegen ist eine Art seltsamer Vergnügungspark, in der an jeder Ecke andere Besucher herumflitzen und wahrscheinlich wie ich auch genervt sind, dass sie diesen Teil des Parks nicht für sich haben. Gruppen oder auch nur Abenteurerpärchen sieht man denkbar selten, die meisten huschen allein durch die Welt. Aber es sind so viele, dass man sich an manchen Ecken schon fragt, ob da jetzt mehr Monster oder mehr Helden im Dungeon unterwegs sind. Alles ist mehr wie eine Art Safari in einem Zoo. Es ist nicht wirklich die Wildnis, sondern nur eine nette Kopie. Bereits nach zwei oder drei Stunden gab ich etwas von diesem Entdeckerabenteuer auf, da es begann, eine massive Anti-Nostalgie zu entwickeln.
Kommt ihr als jemand auf die Insel, der das Land des Vulkans und der Riesenpilze noch nie besucht hat, aber die Online Elder Scrolls schon, nun, ich kann es mir nur als eine nette Umgebung vorstellen, in der es ungefähr das zu tun gibt, was ihr schon zig Stunden zuvor in anderen Ecken Tamriels gemacht habt. Was das genau ist, das liegt wie immer bei euch. Gilden stehen offen - Magie, Krieger, Diebe gibt es überall -, große und kleine Quests, die sich erfreulich selten um "Sammle 10 von irgendwas" drehen, warten überall auf euch. Ihr werdet euch fragen, warum die großen Strider-"Busse" nur herumstehen und ihr 2017 nicht wirklich auf ihnen reiten könnt, warum alles ein wenig übersichtlich und beengt wirkt. All das stammt eben von 2002 und ehrlich gesagt gehört manches da auch hin.
Elder Scrolls Online gehört mit seinem ausgeprägten Hang zur eigenen Historie und halbwegs redefreudigen NPCs sicher zur erzähllastigeren MMO-Gattung und bringt dabei auch das nötige Talent mit. Der Bruch in der Immersion, dass ihr sehr viele deutlich auch aufs Solospiel ausgelegte Quests findet, um euch herum aber manchmal ein Dutzend anderer teilnahmsloser Spieler hüpfen, die ihr eigenes Ding machen, lässt sich nie verdrängen. Selbst wenn man das alte Morrowind nie gesehen hat, spürt man doch, dass hier etwas von irgendwoher in eine Art fremdes Korsett gezwängt wurde und einfach nicht so richtig passt.
Es gibt natürlich das, was es auch in jedem anderen MMO gibt: Schlangen und Mobs vor den Quest-Gebern, Horden, die durch angeblich vergessene und verlassene Dungeons marodieren, Typen, die einen über die halbe Insel verfolgen und einem ein Duell aufschwatzen wollen. Aber eben auch viel Gutes, vor allem die erzählerisch fast wertvollen Quests, das für ein MMO nach wie vor ungewohnt direkte Kampfsystem, das jetzt nach zig Updates auch weit besser funktioniert. Überhaupt, ein MMO aus der Egosicht mit Schwert und Schild in der Hand zu erkunden, das fördert die Immersion ungemein. Das gibt es eben nicht jeden Tag und es ist auch die Sicht, aus der Elder Scrolls gespielt werden sollte, um es aufleben zu lassen. Der etwas fremdartige Landschaftsstil wirkt heute nicht mehr so befremdlich wie damals, aber es bleibt immer noch sehr viel Charme und es sieht auch grafisch sehr anständig aus. Alles wurde von Grund auf erneuert und wer massive Verklärung verspürt, darf gerne mal das Original installieren und daneben halten. Morrowind Online sieht da schon etwas anders aus. Hübscher ist nur das Morrowind, das nur in meiner Erinnerung existiert.
Ich denke, dass das nicht für das Quest-Material gilt. Hier bekommt ihr 25 bis 30 Stunden solide Aufgaben - alles neu, es spielt etwa 700 Jahre vor dem dritten Elder Scrolls - und wie schon gesagt, ihr müsst nicht zu viel "fetchen". Dass ihr wenig mehr als ein glorifizierter Laufbursche für den örtlichen Gottkönig seid, nun, das sind Dinge, an die man sich in den eigenen Rollenspielerjahren so gewöhnt hat. Hier und da immer eine nette Nebenquest parat habend, zeigt sich das Spiel nie verlegen, euch zu beschäftigen, und das durchaus auf Elder-Scrolls-Niveau. Ob das für einen persönlich gut oder schlecht ist, das dürften nach fast 25 Jahren dieser Serie die meisten für sich ergründet haben.
Die neue Klasse der Wächter legt sich nicht auf einen Stil fest, sondern zeigt sich mit ihren Fertigkeitenbäumen offen für alle Heiler-, Tank- oder Schadensausteiler-Wünsche. Schade nur, dass sich die Zauber dieser naturliebenden Klasse mehr wie billige und beliebige Zaubertricks statt mächtige Beschwörungen anfühlen, und so cool ist der Bärenbegleiter dann auch nicht. Trotzdem, wenn ihr einen neuen Charakter ausprobiert, gebt den Wardens eine Chance. Apropos neuer Charakter: Ihr dürft sofort und ohne den Umweg einer künstlichen Levelgrenze direkt in das neue Abenteuer starten, und das auch mit einem neuen Helden - wenn ihr einen der acht Slots noch frei habt, natürlich.
Ihr müsst euch nach dem großen Update nicht mehr mit Freunden auf dem gleichen Level verabreden. Alles in der Welt von Tamriel, auch in Morrowind, passt sich eurem Level an. Seid ihr Level 3 und euer Freund Level 10, habt ihr im Grunde zwei verschieden starke Monster vor euch, nur merkt ihr das nicht. Beide müsst ihr jeweils fünf Treffer landen, auch wenn der eine weit mehr Schaden macht als der andere. Die Vorteile dieses Systems, gerade mit anderen Mitspielern, liegen auf der Hand. Einmal das und ihr könnt ziemlich direkt überall hin in der Welt und habt zumindest eine kleine Chance, dort zu überleben. Gute Ausrüstung macht auch was aus, aber sonst steht euch die Welt generell erst mal offen. Ich war bei allen Elder-Scrolls-Spielen sehr zwiegespalten wegen dieses Systems. Ich mochte es immer, mich entweder durch Gebiete zu mogeln, in denen ich eigentlich nichts verloren hatte, oder mich in anderen wie der King aufzuführen, weil ich ein paar Level zu hoch für das Areal und seine Bewohner war. Beide dieser Reize gab es früher in Elder Scrolls Online, jetzt ist es auch in dieser Richtung ein echtes Elder Scrolls. Wie gesagt, gerade unter dem Koop-Aspekt kam ein großer Punkt aufseiten der Vorteile dazu. Auch wenn ich persönlich noch nicht überzeugt bin, denke ich doch, dass es am Ende der richtige Weg für das Spiel sein dürfte.
Was mir nach wie vor nicht den geringsten Spaß macht - und ich habe es seit zwei Jahren nicht mehr probiert -, ist das PvP. Vernünftiges Waffenfeedback funktioniert nicht, es fühlt sich nach nichts an, es ist ein wildes, dummes Rumgehacke und Magiegeschmeiße. Es gibt sicher Taktiken und Tiefe, wer sie finden will, aber Spielspaß habe ich beim besten Willen nicht sichten können. Da hilft mir auch kein 4-vs.-4-vs.-4.
Bleibt zum Schluss noch, wie das alles beim Kauf funktioniert. Wer es noch nicht weiß: Bei Elder Scrolls Online gibt es keine monatlichen Kosten. Ihr kauft das Spiel und könnt die Inhalte, die ihr zu dem Zeitpunkt dabei hattet - aktuell wären das Morrowind und die anderen Regionen von Tamriel im normalen Elder Scrolls Online - so lange spielen, wie ihr möchtet. Das kostet euch etwa 60 Euro oder 80 für die Collector's Edition mit irgendwelchem DLC-Krams. Kauft ihr nur Morrowind als Upgrade, werden 40 Euro fällig, was angesichts der Spielzeit zwar okay, aber sicher kein Schnäppchen ist. Das Grundspiel ohne Morrowind liegt bei 30 Euro. Es gibt einen Kronen-Shop - die Echtgeldwährung im Spiel -, in dem ihr viele schöne Dinge wie Häuser und Reittiere, XP-Boosts und mehr kaufen könnt. Diese kosten teilweise stolze Summen. Nötig zum Spielen ist davon aber nichts. Es gibt auch noch eine Plus-Mitgliedschaft, die monatlich zu entrichten ist. Solange ihr Mitglied seid, könnt ihr alle DLCs wie Morrowind nutzen. Das endet natürlich, wenn ihr aus dem Plus-Abo austretet. Insgesamt ist The Elder Scrolls Online eines der preiswerteren großen MMOs.
Oblivion hat mit seinem zentralen Reich von Cyrodiil sicher nicht ganz den Namen, den Morrowind mitbringt, aber das ist auch Teil des Problems, dem sich diese Reinkarnation nun stellen muss. Morrowind lebte zu einem guten Teil von seiner fremdartigen, oft verlassen wirkenden Welt. Diese nun praktisch übervölkert von Spielern vorzufinden, beraubt sie dieses Aspektes. Oblivion als belebte Ecke Tamriels hätte das weit einfacher wegstecken können, vielleicht hätte es sogar davon profitiert. Morrowind tut das nicht und endet wie ein schön gemachter, aber trotzdem von einer seltsam inhärenten Traurigkeit geprägter Themenpark, der so nah am Original ist, dass man sich, kneift man die Augen ein wenig zusammen, kurz der Illusion hingeben kann. Für alle anderen ist es eine nette, sicher nicht legendäre Erweiterung, die ihnen eine nicht zu spektakuläre neue Klasse und ein paar Dutzend Stunden mehr für etwas gibt, das vielleicht nie das MMO werden wird, das sich alle irgendwann mal erhofft oder ausgemalt hatten. Aber da das auch nie realistisch war, bleibt ein guter und über die Jahre immer besser gewordener Vertreter seiner Art, der euch mit Morrowind und, mehr noch, allem anderen, was The Elder Scrolls Online zu bieten hat, einen guten Grund gibt, diese Welt zu erkunden. Nur für Morrowind würde ich sie nicht besuchen. Elder Scrolls Online als Ganzes jedoch? Ja, das ist die Reise wert. Auch wenn sie nicht so prägend sein dürfte wie die ersten Schritte an den Docks vor 15 Jahren.
Am Ende zusammengefasst: Reine Morrowind-Nostalgiker verzichten eher auf den Trip ins Abenteuerland mit dem Vulkan. Gestandene TESO-Spieler ärgern sich ein wenig über den Preis, können der Insel aber gerne eine Chance geben. Und wer The Elder Scrolls Online noch nie ausprobiert hat, darf es gerne wagen. Das Gesamtpaket ist durchaus mehr als nur überzeugend.