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The Entropy Centre – Test: Jetzt weiß ich also, was passiert, wenn man Portal und Tenet zusammenbringt

Nach vorne rückwärts durch die Zeit.

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Von Portal inspiriertes Knobeln mit interessanter Mechanik und vielen guten, aber auch vielen ähnlichen Rätseln.

Na, wer kennt’s? Man erwacht zwischen grauen Betonwänden, erhält ein Gerät, das die bekannte Physik auf den Kopf stellt, und muss kniehohe Würfel so auf Schaltflächen stellen, dass sich der Ausgang zum nächsten Raum öffnet. Logisch: Das erinnert frappierend an Portal, denn von dem hat sich The Entropy Centre nicht nur das grobe Konzept, sondern auch seine grauen Betonwände sowie eine sprechende KI abgeschaut, die sich hin und wieder zu Wort meldet.

Selbstredend ist man aber in den Schuhen einer anderen Protagonistin unterwegs – Aria, um genau zu sein, die ohne Wissen an ihre Aufgabe und ihre Umgebung aufwacht. Umso besser, dass sie schon bald ASTRA findet: das Gerät, das nicht nur mit ihr spricht, sondern mit dem sie einzelne Gegenstände auch durch die Zeit zurückbewegen kann. Dafür zielt sie aus einer beliebigen Entfernung auf das entsprechende Objekt und hält den Abzug gedrückt. Schon bewegt sich der… meist ist es eben ein Würfel… rückwärts auf dem Weg, auf dem er zuvor irgendwo hin getragen wurde.

So gewitzt wie GLaDOS is ASTRA nicht geschrieben - dafür sind ihre Scherze ein wenig zu albern. Abgesehen davon freundet sich Aria seltsam schnell mit ihrem "Zeitgewehr" an.

Denkt euch für den einfachsten Fall eine Tür auf einer so hohen Ebene, dass man nicht einfach hinaufspringen kann. Ein Fahrstuhl fährt aber dorthin, der über eine Schaltfläche auf dem Boden ausgelöst wird. Eine zweite Schaltfläche direkt daneben öffnet die Tür. Die Frage ist also, wie man den Würfel auf den Türöffner bekommt, nachdem man ihn ja auf die Schaltfläche für den Fahrstuhl gelegt hat, um nach oben zu gelangen. Nun, man legt ihn zuerst auf den Türöffner, bewegt ihn dann auf die zweite Fläche, um mit dem Fahrstuhl nach oben zu fahren, und zieht ihn von dort in der Zeit zurück auf die Schaltfläche, welche die Tür öffnet.

Wofür das Ganze? Offenbar generiert das titelgebende, auf dem Mond gebaute Entropiezentrum nur dann Energie für seine zentrale Maschine, wenn derartige Puzzles gelöst werden. Und die zentrale Maschine kann genau das, was auch ASTRA kann: die Zeit zurückdrehen – nur im bedeutend größeren Stil. Was entscheidend ist, wenn die Erde von einem apokalyptischen Ereignis heimgesucht wird. Denn das zu verhindern, ist hier das Ziel.

Will man mehr über das Entropiezentrum sowie seine Geschichte und die dort Arbeitenden erfahren, liest man an teils versteckten Computern kurze E-Mails. Hauptsächlich geht es aber wie in Portal um das geradlinige Abarbeiten aufeinander folgender Puzzleräume. Dass sich viele Rätsel dabei recht häufig wiederholen, kenne ich aus dem Vorbild allerdings nicht, und es ist auf Dauer ein wenig ermüdend. Ein strafferes Programm, auch in Sachen des fast überall gleich aussehenden Schauplatzes, hätte für mehr Abwechslung und Motivation gesorgt.

Das Entropiezentrum sieht gut, aber auch fast überall gleich aus.

Natürlich kommen bald und auch später immer wieder neue Elemente hinzu: Laufbänder zum Beispiel oder Würfel mit Laserschranken sowie Sprungfelder, die man ebenfalls anheben und bewegen kann. Außerdem gibt es Szenen, in denen Aria nicht in Ruhe ihre Würfel verschiebt, sondern herabstürzende Pfeiler oder Gerüste wieder aufrichten muss. Und manchmal tut sie das sogar auf der Flucht, während ein Raum um sie herum zusammenbricht. Da ist dann schon mal frustrierendes Trial-and-Error im Spiel, grundsätzlich tun diese Echtzeit-Passagen dem allgemeinen Rhythmus aber gut.

Bedauerlich finde ich vielmehr, dass die Würfel durch alle anderen Gegenstände – Fahrstühle oder massive Plattformen – hindurch „fliegen“, sobald man sie zurückbewegt, denn das untergräbt ein Stück weit die Illusion, ein echtes physikalisches Phänomen zu erleben. Es gibt sogar Geschosse, die einen durch Wände hindurch treffen. Schade auch, dass ASTRA nur mit wenigen Objekten interagieren kann. Gerade beim Zurückdrehen der Zeit wäre es cool, wenn man hin und wieder mit einer größeren Menge an Objekten experimentieren dürfte.

Richtig ärgerlich finde ich sogar, dass man einige Lösungen vorgesagt bekommt, wenn bestimmte Elemente neu eingeführt werden. Ich hatte jedenfalls gleich mehrmals die Lösung schon parat und mich gefreut, das System quasi gegen sich selbst auszuspielen – nur um direkt im Anschluss vom Tutorial mit der Nase darauf gestoßen zu werden. Schade, dass The Entropy Centre seinen Spielern nicht ein wenig mehr zutraut und solchen Einfallsreichtum belohnt.

Die Physik funktioniert nicht immer astrein. Würfel gehen zum Beispiel oft durch verschiedene Objekte der Umgebung hindurch.

Ein paar angenehm vertrackte Hirnknoten muss man ja trotzdem aufdröseln. Echtes Hirnqualmen hält sich zwar in Grenzen und kommt insgesamt etwas zu spät hinzu. Dafür ist das Prinzip an sich immer so fesselnd, dass mir nie langweilig wurde. Viel Spaß machen mir etwa Kopfnüsse, in denen man verschiedene Würfel mehrmals hintereinander vor- und zurückbewegen muss.

Cool ist es, sie über den Rand einer Plattform zu halten, um ihre Zeit später dorthin zurückzuspulen, damit sie beim Deaktivieren des Zeitgriffs von dort herunterfallen. Und dann ist da noch das Zurückspulen von herunterfallenden Wegen, während man sich auf den Bruchstücken befindet, denn dadurch wird man quasi von der rückwärts laufenden Zeit nach oben geschoben. Ob sich Christopher Nolan wohl von einer frühen Version dieses Spiels inspirieren ließ?

Wer unterwegs mit dem Raum-Zeit-Gefüge experimentieren will, kann das übrigens tun, denn The Entropy Cente läuft auf dem Steam Deck und teilt sich dank Cloud-Save-Unterstützung die Spielstände mit anderen Versionen desselben Kontos. Man sollte sich allerdings mit 40 Sekundenbildern begnügen und ganz wichtig: Stellt die Foliage Quality auf den niedrigsten Wert. Dann könnt ihr alle anderen Einstellungen sogar auf Ultra drehen.

Ihr wisst nicht, ob temporales Kistenschieben was für euch ist? Auf Steam gibt's eine Demo des Spiels.

Ich hätte mir noch gewünscht, dass die anfängliche Beschleunigung bei kleinen Bewegungen des Fadenkreuzes deutlich geringer ausfällt, denn wer ein relativ schnelles Drehen bevorzugt, hat es oft schwer weit entfernte Kisten anzuvisieren. Und eine Kleinigkeit noch: Bitte gebt mir die Möglichkeit Untertitel sowie das Rumble abzuschalten! Es ist nämlich durchaus störend, bei aktivierter Zeitumkehr einen Dauervibrator in den Händen zu halten.

The Entropy Center – Test: Fazit

Die Fußspuren des Vorbilds Portal füllt dieses clevere Zeitspiel also nicht ganz aus. Dazu fehlt den meisten Rätseln das entscheidende Stück Einfallsreichtum, der Physik die notwendige Konsequenz und viele Aufgaben gleichen sich sehr. Nicht zuletzt ist die eher alberne ASTRA recht weit vom bissigen Charme einer GLaDOS entfernt. Im Gegenzug gehört The Entropy Centre dafür zu jenen Spielen, bei denen nicht nur das Knacken einer Kopfnuss, sondern schon das Interagieren an sich Spaß macht. Es ist angenehm vertrackter Denksport um ein ausgesprochen reizvolles Prinzip, der auf geschickte Art auch noch in eine unterhaltsame Geschichte eingebettet ist. Wer gerne um die Ecke (und zurück) denkt, dürfte deshalb damit richtig liegen.

The Entropy Centre – Wertung: 7/10

Pro und Contra

Pros:

  • Cooles Prinzip als zentrale Mechanik
  • Viele knifflige Rätsel
  • Echtzeitsequenzen sorgen gelegentlich für Schwung
  • Wenig überraschende, aber interessante Geschichte um Zeitmanipulation

Contras:

  • Viele Wiederholungen bei Rätseln und Kulissen
  • Manipulierte Objekte bewegen sich durch andere hindurch
  • Etwas ungenaues Gamepad-Zielen bei empfindlicher Steuerung
  • Kein freies Experimentieren

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