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The Escapists 2 - Test

Hinter Gittern - der Pixelknast

Teil zwei gefällt mit Multiplayer und abwechslungsreichen Knästen, behält aber viele Schwächen bei und gerät streckenweise etwas eintönig.

Zahlreiche Dokumentationen privater TV-Sender haben mich gelehrt, dass das Gefängnis eine ganz eigene Welt ist, insbesondere das amerikanische. So gehe ich also mit einem klischeebeladenen Bild von Justizvollzugsanstalten durch die Welt, denke an Seifenstücken in Socken, an Gangs und an Aufstände aufgrund schlechten Essens. Ein Glück, dass mich The Escapists 2 in jeder dieser Annahmen voll und ganz bestätigt. Die Fortsetzung behält das grundlegende Spielprinzip bei, erweitert es aber um einen Mehrspieler-Modus und neue Schauplätze wie etwa den Wilden Westen. Wie schon bei der Walking-Dead-Erweiterung des ersten Teils funktioniert ein verändertes Szenario mit dem grundlegenden Escapists-Prinzip ganz gut - mich hat allerdings beim Spielen der Verdacht nicht losgelassen, dass es besser gewesen wäre, wenn die Entwickler das Spiel an anderer Stelle ausgebaut hätten.

Wer den ersten Teil nicht gespielt hat: In The Escapists geht es einzig und allein darum, aus dem Gefängnis auszubrechen. Wie auch in der Realität ist das im Spiel aber nicht ganz einfach. Insbesondere deshalb, weil ihr im Gefängnis einem streng festgelegten Tagesablauf folgen müsst - Morgenappell, Mittagessen, überwachte Arbeit, solche Dinge. In der wenigen Freizeit, die euch bleibt, müsst ihr also versuchen, einen Weg nach draußen zu finden. Wege in die Freiheit gibt es mehrere - klassischerweise könntet ihr euch etwa heimlich einen Tunnel buddeln oder über einen Lüftungsschacht fliehen. Jeder in der Freiheit noch so gewöhnliche Gegenstand ist dabei im Gefängnis natürlich wertvolle Handelsware, weshalb ihr beispielsweise eure Mithäftlinge bestehlen oder mit ihnen handeln müsst. Mit einem Crafting-System könnt ihr darüber hinaus benötigte Gegenstände herstellen. So wird aus eben erwähnter einer Seife in einem Strumpf kurzerhand eine relativ mächtige Hiebwaffe.

Gehört zu jedem ordentlichen Knastalltag: Der Morgenappell.

Wie schon im ersten Teil haben eure Mithäftlinge im zweiten wieder Bedürfnisse, die ihr in Form von Nebenquests erfüllen könnt. Dafür steigt ihr in deren Ansehen und erhaltet möglicherweise die ein oder andere Belohnung. Diese Quests können simpel sein - so kann es beispielsweise passieren, dass ein Häftling euch bittet, die Toilette eines anderen zum Überlaufen zu bringen. Manchmal verlangen die Knastbrüder aber auch schwer erhältliche Gegenstände, die zu beschaffen wiederum ein hohes Risiko bedeuten kann. Ebenfalls wie im ersten Teil ist auch im zweiten gerade die Anfangsphase des Spiels teils recht frustrierend. Das Tutorial ist kurz und erläutert euch anhand eines kurzen Beispielgefängnisses wie eine Flucht funktionieren kann. Danach müsst ihr ausprobieren, ausprobieren und nochmal ausprobieren.

Im Knastalltag dürft ihr auch eure körperliche und geistige Verfassung nicht außer acht lassen. Im Fitnessraum trainiert ihr in Minispielen eure Kraft - das hilft bei Prügeleien. In der Bücherei dagegen steigert ihr mit Lesen eure Intelligenz und erhaltet so neue Crafting-Rezepte. Bastelt ihr euch wertvolle Gegenstände, solltet ihr diese übrigens gut verstecken. Legt ihr sie in der Zelle einfach irgendwo ab, werden sie bei der nächsten Durchsuchung gefunden und beschlagnahmt. In The Escapists müsst ihr einfach an alles denken und leider ist es ziemlich leicht, etwas zu vergessen und dabei die von langer Hand vorbereitete Flucht durch eigenes Versäumnis selbst zu vereiteln. Verscherzt ihr euch es so richtig mit den Wachen, kann es passieren, dass sie euch vermöbeln oder in Einzelhaft stecken.

Eines der spannendsten Szenarien in The Escapists 2: Der Gefängniszug.

Jede Handlung außerhalb der täglichen Routine fühlt sich dabei an wie eine kleine Mutprobe. Denn sowohl die Wachen als auch eure Knastkollegen sind hellwach. Illegale Drogen, die ihre Sinne vernebeln, scheinen sich in den zehn Gefängnissen von The Escapists 2 noch nicht allzu sehr durchgesetzt zu haben. Das fällt vor allem bei den Krankenpflegern auf, die offenbar den Geruchssinn eines Wolfs haben. Wenn irgendwo eine kleine Pixelfigur in ihrer Blutlache auf dem Boden liegt, merken sie das in Sekundenschnelle und kommen dann blitzgeschwind herbeigeeilt, um den Verletzten abzutransportieren. Allerdings: The Escapists 2 will eben auch gar keine realistische Gefängnissimulation sein. Die Entwickler spielen mit den eingangs erwähnten Knastklischees und das ist auch gar nicht weiter schlimm.

Etwas problematischer finde ich da schon die Tatsache, dass, wie im ersten Teil, bestimmte Gegenstände scheinbar immer nur für die Verwendung an bestimmten Orten vorgesehen sind. Gerne hätte ich beispielsweise mal mit meiner Feile die Elektrik im Knast sabotiert oder mich an Orten versteckt, die aussehen, als wären sie dazu geeignet - große Kisten meinetwegen. Genau das lässt das Spiel dann aber nicht zu und eben das trägt zum Frust bei, der sich nach und nach bei The Escapists 2 breitmacht. Der Gefängnisalltag spielt sich daher nicht nur durch den vorgegebenen Tagesablauf dröge, sondern auch deshalb, weil viele eurer Versuche, nebenbei an eurer Flucht zu feilen, einfach scheitern. Und zwar nicht, weil euer Gedankengang dahinter unlogisch gewesen wäre, sondern weil das Spiel bestimmte Handlungsweisen nicht vorsieht. Schön ist dagegen, dass die vorgesehenen Fluchtmöglichkeiten teilweise recht spektakulär sind. So könnt ihr beispielsweise via Gleitschirm oder Jet-Ski fliehen. Oder auf einem Pferd - zumindest, sofern ihr in der Lage seid, euch in einem fahrenden Zug eine künstliche Karotte zu basteln.

Wenn ihr mögt, könnt ihr vor jedem Level sämtliche Insassen und Wärter individuell gestalten.

Was mich zu einer der großen Stärken von The Escapists 2 bringt: die verschiedenen Knäste unterscheiden sich diesmal noch weitaus deutlicher als im ersten Teil. So gibt es diesmal beispielsweise einen fahrenden Wildwest-Gefängniszug. Dort bleibt euch nur ein knappes Zeitlimit, um die Flucht anzutreten - eben genau so lange, wie es dauert, bis der Zug an seiner Endstation ankommt. Unterwegs könnt ihr etwa versuchen, Waggons abzukoppeln. Auf den geregelten Tagesablauf haben die Entwickler in diesem speziellen Fall sogar ganz verzichtet, er fühlt sich viel mehr als die anderen Gefängnisse an wie ein Schleichspiel. Ähnlich spannend sind die neuen Multiplayer-Modi. Auf Wunsch könnt ihr mit bis zu drei anderen Spielern versuchen, aus dem Knast auszubrechen, wahlweise lokal oder online. Das läuft grundsätzlich wie im Einzelspieler-Modus, nur, dass ihr euch hier eben untereinander absprechen und gemeinsam an eurem großen Coup feilen könnt. Alternativ könnt ihr auch gegeneinander antreten und herausfinden, wer am schnellsten aus der Anstalt flieht. Beides macht durchaus Spaß, wenn man im Spiel erstmal drin ist - das Ringen um den gemeinsamen Ausbruch empfand ich aber als deutlich reizvoller. Hier stellt sich mit ein bisschen Glück ein herrliches Ocean's-Eleven-Gefühl ein - jedes kleine Zahnrad greift in das andere und am Ende steht ihr alle mit Glück in der Freiheit.

Letzten Endes ist The Escapists 2 das, was der Amerikaner "A mixed Bag" nennt. Die Stärken des ersten Teils haben die Entwickler im zweiten weiter ausgebaut. Der Mehrspieler-Modus funktioniert vor allem kooperativ ganz wunderbar, die neuen Szenarien machen Spaß und bieten jede Menge Abwechslung. Leider bleiben aber eben auch die Schwächen des ersten Teils erhalten. Das Spiel ist recht schwer zugänglich und manchmal würdet ihr gerne etwas innerhalb der Spielwelt ziemlich sinnvoll erscheinendes machen, das dann einfach nicht geht. Daran hätten die Entwickler arbeiten können und ich finde auch müssen. Und trotzdem: Wer den ersten Teil mochte, wird den zweiten vermutlich lieben. Grundvoraussetzung ist aber die Geduld, sich in einen komplexen Action-Puzzler hineinzuspielen, der sehr wenige seiner Mechaniken bereitwillig erklärt.

Entwickler/Publisher: Team17, Mouldy Toof Studios/Team17 - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch - Preis: 19,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein

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