The Golden Compass
Beleidigung für alle Sinne
Ich bin ja von Natur aus ein genügsamer Mensch. Ob Kino, Kultur oder Videospiele, ich brauche weder Oscar-Hits, 'Alte Meister' noch ein neues Legend of Zelda, um mich zu amüsieren. Mir reicht ein netter, kleiner Shooter, ein schönes Rollenspiel oder selbst eine gut gemachte Filmumsetzung, um mich für ein paar Stunden in eine andere Galaxie zu befördern. Richtiger Mist ist mir in den letzten Jahren äußerst selten in die Finger gekommen, was zu einem an dem wachsenden Qualitätsniveau der Computer- und Videospiele liegt. Und zum anderen an meiner Vorauswahl, bei der ich Gurken wie Boogie und Beowulf mit größtem Vergnügen an meine lieben Kollegen weiterreiche.
Doch nicht immer kann ich mich meiner Verantwortung entziehen. Bei The Golden Compass bin ich quasi persönlich betroffen, da ich ein großer Fan der Geschichte bin. Die geniale Fantasy-Jugendbuchserie verschlang ich innerhalb kürzester Zeit und ich halte sie auch für deutlich besser als den Konkurrenten Harry Potter. Eine wilde Mischung aus kindgerechtem Fantasy-Abenteuer, unverhohlener Kirchenkritik und metaphysischem Diskurs über die Existenz einer ordnenden Macht ist natürlich nicht Jedermanns Sache, hat mich aber vom ersten Moment an in den Bann gezogen.
Schon die filmische Umsetzung erschien mir als ein recht schwieriges Unterfangen, als ich jedoch hörte, dass Shiny Entertainment hinter der passenden Videospiel-Umsetzung steckte, wurde ich stutzig. Das britische Studio hat zwar in grauer Vorzeit einige wirklich einmalige Titel geschaffen (Earthworm Jim, MDK), doch seitdem hat sich eigentlich alles, was sie angefasst haben, in mittelmäßige bis kaum erwähnenswerte Kost verwandelt. Besonders die Matrix-Spiele waren ein Affront für jeden Fan und sind Paradebeispiele für misslungene Filmumsetzungen.
Die ersten Bilder zur Games Convention waren noch recht unauffällig. Der gezeigte Level sah nicht gerade nach einem Meisterwerk aus, aber er schien weit entfernt von dem Enter the Matrix-Desaster zu sein. Die Heldin der Geschichte, Lyra, auf einem gepanzerten Eisbären, der sich mit Wölfen prügelt - so etwas kann doch eigentlich gar nicht so schlecht sein. Traurigerweise stellt dieser Level schon den Höhepunkt des ganzen Spiels dar.
Um Euch ein Gefühl für die Verwirrung zu geben, die dieses Spiel bei meinen Kollegen hinterlassen hat, dürfte ich Euch eigentlich nichts über die Geschichte erzählen. Ohne das Buch gelesen zu haben, zerfällt das Spiel in schlecht erzählte Story-Abschnitte, die einerseits viele Bilder aus dem Film zeigen, aber nur wenig Fragen klären. Als Einstieg wurde nicht etwa das Jordan-College gewählt, in dem die Heldin der Geschichte aufgewachsen ist, sondern die schon gezeigte, wilde Jagd des Panzerbären Iorek durch die Arktis.
Im eisigen Norden wird aus Golden Compass ein mauer Prügler mit schlechten Animationen, sinnlosen Quicktime-Events und nervigen Jump'n'Run-Einlagen, trotzdem ist dieser Abschnitt der Höhepunkt des Spiels, weil hier ganz wie beim guten alten Metroid Prime alle Fähigkeiten zur Verfügung stehen. Ihr prügelt Euch mit Tartaren und Schamanen, lasst Lyra im Alleingang Kletteraufgaben erfüllen und bestaunt die zum Teil sehr gelungenen Eis-Texturen. Für einen kurzen, aber flüchtigen Moment keimt hier fast so etwas wie Atmosphäre auf.
Doch ein zweiter Blick genügt und die Fehler springen einem geradezu mit einem Satz ins Auge: Die Animationen der Figuren wirken abgehackt, die Steuerung ist extrem störrisch und ohne steuerbare Kamera landet Ihr ständig im Abgrund. In der Kombination mit den viel zu simplen Tastenbefehlen und der miserablen Sprachausgabe, scheint die Katastrophe perfekt zu sein. Und es geht noch deutlich schlimmer.
Nur wenige Augenblicke später landet Ihr nämlich in einem sinnlosen Zeitsprung am Anfang der Geschichte und Story-Unkundige werden sich verwirrt die Augen reiben. Es bleibt unklar, was Lyra in der frostigen Umgebung zu suchen hatte und vor allem, was es mit den so genannten Daemonen auf sich hat. Diese Manifestationen der Seele sitzen nämlich in Lyras Welt nicht im Körper eines Menschen, sondern laufen in Form eines Tieres an seiner Seite durch die Gegend. Passend zum Charakter besitzen die Menschen Vögel, Katzen, Hunde oder Affen. Bei Kindern können sich diese Wesen noch verwandeln, was einen weiteren Hauptdarsteller auf den Plan ruft: Pan. Auch wenn er meistens als Hermelin durch die Gegend tollt, ist Lyras Daemon ein entscheidender Bestandteil des verkorksten Spielprinzips.