The Incredible Adventures of Van Helsing II - Test
Vergesst Watch Dogs! Van Helsing ist der Superhacker!
Auch wenn schmachtende Teenager jetzt protestieren: Draculas Erzfeind Van Helsing ist für mich ganz klar ein Sympathieträger. Welcher echte Horrorfilmfan würde nicht gerne mal den Edwards da draußen einen Pflock in die glitzernde Brust rammen oder den Jacobs ein paar silberne Kugeln ins Sixpack ballern? Da kommt mir der legendäre Vampirjäger als Held eines Hack-and-Slay gerade recht, wobei ich letztes Jahr den ersten Teil der (aber so was von geplanten) Trilogie nach kurzem Reinschnuppern links liegen ließ. Da waren andere Vertreter des Genres interessanter *Hust* Path of Exile *Hust*. Die versprochene Fassung für Xbox 360 wäre vermutlich ebenfalls untergegangen, wäre sie denn erschienen *Hust* Diablo 3 für Konsole *Hust*. Mein Klickfinger ist halt nicht unendlich belastbar.
Jetzt, ein Jahr später, kämpft die Verknüpfung zu The Incredible Adventures of Van Helsing II wieder einen schier aussichtslosen Kampf. Diesmal gegen den Doppelklick auf Diablo 3: Reaper of Souls. Und das ist ungerecht, denn Indie-Entwickler Neocore aus Budapest (King-Arthur-Reihe) hat wirklich in jeder Hinsicht draufgebuttert und auch die pfiffigen Features aus dem Vorgänger aufgebrezelt.
Im ersten Teil konntet ihr zum Beispiel nur als der namensgebende Monsterjäger metzeln, per Erweiterungen kamen dann Thaumaturg und Arkaner Mechaniker dazu. Im zweiten Teil dürft ihr euch nun von Anfang an mit allen drei Klassen ins Abenteuer stürzen. Jede beherrscht zwei Ausrichtungen ihrer Kunst, die per Knopfdruck gewechselt werden. Der Jäger hackt entweder per Schwert alles kurz und klein oder erlegt seine Beute mit diversen Schusswaffen. Der Thaumaturg spielt entweder als Glaskanone aus der Distanz oder geht auf Tuchfühlung und verwirrt Feinde mittels magischer Tricks. Arkane Mechaniker gibt es in den Geschmacksrichtungen Bombardierer (Fernkampfautsch) oder Fallensteller (mechanische Helferlein). Wer möchte, darf seinen Charakter aus dem Vorgänger importieren oder einen eigenen Veteranen auf Stufe 30 zusammenbasteln. Vorbildlich!
Von allen guten Geistern flankiert
Lady Katarina, der gute Geist an Van Helsings Seite, ist ebenfalls wieder mit von der Partie. Feature-seitig steckt sie die Begleiter aus Diablo 3 oder Torchlight II locker in die Tasche. Ihr dürft ziemlich präzise justieren, ob euch die Dame als Nah- oder Fernkämpferin oder durch passive Buffs unterstützt und welche Gegner sie angreift. Sie levelt unabhängig von euch, bringt eigene Fertigkeitsbäume und Attribute mit, kann mit Ausrüstung verbessert werden und Tränke benutzen. Sie sammelt auf Wunsch Beute und Bares ein, kann in die Stadt geschickt werden, um eigenständig Tränke zu kaufen, und ist nie um einen derben Spruch verlegen. Die Streitgespräche zwischen ihr und Van Helsing sind komplett vertonte Grinsfeuerwerke (englisch mit deutschen Untertiteln).
Aus dem Vorgänger bekannt sind die Tower-Defense-Spielchen, für die ihr mehrere Feindwellen auf festen Pfaden mit Fallen und Gefechtstürmen aufhalten müsst. Sicher gibt es solidere Vertreter dieses Genres, aber als Abwechslung für zwischendurch fand ich diese Einlagen gelungen.
Ein neuer Zeitvertreib sind die Einsätze, die ihr Untergebenen im Kommandoposten eurer Basis zuteilen dürft. Vier Befehlshaber mit unterschiedlichen Fähigkeiten werden mit einer Handvoll Soldaten auf Missionen geschickt, die durchaus mal eine halbe Stunde Echtzeit dauern können (allerdings nur, solange ihr spielt). Die Action passiert unsichtbar im Hintergrund, ihr hört also erst wieder von euren Teams, sobald sie mit reicher Beute zurückkehren. Hat den Charme eines Browsergames und ist natürlich kein Killer-Feature, aber eine nette Idee.
Ähnliches gilt für die Chimära, die ihr im zweiten Kapitel fangen und von da an großziehen dürft. Wie die Einsatzteams im Kommandoposten wird sie in einem Fenster eurer Basis auf die Jagd nach Beute geschickt und sammelt dabei Erfahrung. Gleichzeitig dürft ihr sie auch kurzzeitig im Kampf zur Unterstützung rufen - außer das Biest ist gerade im Einsatz oder wurde dabei verletzt und muss sich erholen. Ihr habt also die Wahl: einen schlagkräftigen Nahkämpfer beschwören zu können oder bei der Rückkehr in euer "Geheimversteck" seltene Beute apportiert zu bekommen.
Sowieso wird in eurer Basis alles geboten, was der Fan heutzutage erwartet. Händler, Glücksspiel und Respec-NPC sind eine Selbstverständlichkeit. Gegenstände werden verzaubert, mit gefundenen Essenzen oder durch das Verschmelzen mit anderen Beutestücken aufgemotzt. Neue Ausrüstung lässt sich schmieden und durch Runen mit gewünschten Attributen verbessern. Ein Lager mit mehr Fächern als in zwei Hack-and-Slays zusammen ergänzt euer sowieso schon überaus üppiges Inventar mit mehreren Reitern.
Allein, der Beute fehlt es für meinen Geschmack ein wenig am "Wow-Faktor". Was man so im Einsatz findet, wird natürlich zufällig ausgewürfelt. Auch das Aussehen des Helden verändert sich abhängig von der Ausrüstung. Doch der Sog des Besonderen, der derzeit besonders stark in 'Reaper of Souls' an eurer Freizeit zerrt, fehlt hier. Bessere Statuswerte? Och ja. Kann man mitnehmen. Tolle neue Effekte sind hingegen rar. Das ist bei diesem Genre natürlich ein ordentlicher Dämpfer.
Ein Monsterjäger mit Macken
Auch das Kampfsystem ist nicht so ausgereift wie bei der Konkurrenz. Klar, "Klick es tot" ist auch hier die Devise, aber das Trefferfeedback fehlt komplett. Wurschtegal, ob ihr Ratten oder Riesen prügelt: Der Feind zuckt erst, wenn er tot zu Boden sinkt. Dadurch fühlen sich die Kämpfe sehr "körperlos" an. Man muss außerdem den Lebensbalken seiner Gegner gut im Auge behalten, um zu erkennen, ob man wirkungsvolle Treffer landet oder besser die Strategie wechseln sollte.
An Fertigkeiten mangelt es Van Helsing II nicht. Besonders gut gefiel mir der Skill, die Zeit anzuhalten. Dabei wird eine Aura um den Helden projiziert, die mit jedem Schritt und jeder Attacke kleiner wird. Solange sich der Spieler nicht bewegt und nur im Inventar herumklickt, kann er sich so lange Zeit lassen, wie er mag. Ideal, um angesichts der riesigen Monsterrotten (fünfzig aufwärts) den Überblick zu behalten, Heiltränke einzuwerfen oder Geschossen auszuweichen. Wieder mit an Bord ist die Rage-Anzeige, die sich während des Kampfes füllt und eure Attacken auf Wunsch mit Bonuswerten verbessert. Nicht unbedingt ein Muss, aber in Bosskämpfen sehr willkommen.
Ein Kompliment verdient Van Helsing II in Sachen Art-Design. Steampunk ist eh immer sexy, aber hier ganz besonders gelungen. Die Umgebungen und Figuren könnten direkt aus einem Hellboy-Comicbuch stammen und die Grafik-Engine stemmt ihre Aufgaben mit Bravour. Allerdings ist "Überblick" so ein Stichwort, das gelegentlich für Bauchgrimmen sorgt. Die im Genre übliche isometrische Perspektive ist auch bei Van Helsing Standard, doch nicht immer funktioniert der Transparenzeffekt, der die Action hinter Schornsteinen und Rohren enthüllt. Aufzüge oder interaktive Objekte gehen außerdem gerne im Geschehen unter und wenn ihr mal wieder unter einem Monster-Tsunami begraben werdet, schrumpft euer Lebensbalken schneller als ein Eiswürfel im Backofen - hier hebt das fehlende Trefferfeedback wieder das hässliche Haupt.
Bei Neocore gibt es vermutlich jeden Morgen in der Kantine Clowns zum Frühstück. An Metahumor spart der Titel jedenfalls nicht.
Ansonsten lockern diverse Spielmechaniken eure Einsätze auf. In den Missionen werden Abschnitte erobert und verteidigt, ihr gebt Soldaten Befehle, eskortiert Verwundete, entscheidet in Multiple-Choice-Dialogen über Leben und Tod. Manchmal hakelt hier die Wegfindungsroutine der NPCs, doch im Allgemeinen funktionieren diese Gimmicks. Gut gefallen hat mir die Organisation der Truppen des Widerstands Mitte des ersten Aktes. Ein bisschen wie das Tower-Defense-Spiel, nur ohne die platzierbaren Fallen, dafür mit NPC-Soldaten und nach einer einzigen Gegnerwelle vorbei.
Bei Neocore gibt es vermutlich jeden Morgen in der Kantine Clowns zum Frühstück. An Metahumor spart der Titel jedenfalls nicht. Von Harry Potter über Stirb Langsam bis Batman ist den Dialogen keine Anspielung zu gewagt. Mal trefft ihr den Hulk, mal R2D2, mal gibt es einen launigen Spruch zu ärgerlichen Vögeln und Schweinen, ein Half-Life-Logo prangt an einer Wand oder ihr befreit Dr. Lecter aus dem Knast, weil der einen "guten Freund zum Essen einladen" will. Alles sauber von Van Helsing und Katarina kommentiert, versteht sich. Die restlichen Witze im Spiel sind auch nicht übel. Wenn sprechende Steinköpfe eigenwillige Rätselfragen stellen, Ghule mit Identitätskrisen um Hüte bitten und Gnome um einen Christbaum tanzen, huscht das eine oder andere Schmunzeln über mein Gesicht.
Witzig, aber kurz
Hinsichtlich der Wiederspielbarkeit muss man wissen, dass die Levels nicht zufällig generiert werden. Ihr könnt im Optionsmenü allerdings festlegen, ob die Feinde respawnen oder die Abschnitte entvölkert bleiben, wenn ihr zurückkehrt. Durch fünf Schwierigkeitsgrade und den optionalen Hardcore-Modus (tot bleibt tot) müsst ihr selbst für eure Herausforderung sorgen. Habt ihr die Kampagne beendet (maximal 15 Stunden), könnt ihr entweder die Karten als 'Szenarien' mit Sonderregeln und besserer Beute spielen oder den Modus 'Unendliche Geschichte' starten, in dem euch Feinde auf Maximalstufe 60 entgegentreten und der darauf ausgelegt ist, nicht beendet werden zu können. Ihr spielt einfach, so weit ihr kommt. Originalzitat seitens Neocore: "Falls Ihr es jedoch trotzdem irgendwie schafft, die Kampagne abzuschließen ... tja, dann habt Ihr Euch wirklich eine Runde Applaus verdient!"
Alternativ gibt es die Option, sich online mit anderen Spielern im Koop-Modus durch die Kampagne zu schnetzeln oder im PvP gegeneinander anzutreten. Wer gegen andere Monsterjäger zu Felde ziehen will, tritt im "Battle-Royal"-Modus an (jeder gegen jeden mit Sonderregeln) oder zockt im "Jägermodus" eine Art MOBA-Light. Dummerweise war in meiner Testversion der Jägermodus noch nicht zugänglich (der Button trug die Aufschrift "Gamemodegamemode"). Auch scheiterte das Online-Spiel meist eh am Matchmaking, das entweder gleich abgebrochen wurde oder ewig lange dauerte - um dann abgebrochen zu werden. Koop-Partien kamen ein paar Mal zustande, die Verbindung zum Host war aber alles andere als stabil, sodass ich mehrfach aus dem Spiel flog. So wirklich austesten konnte ich den Online-Modus also nicht. Die Entwickler sind derzeit fleißig am Feilen, wie die häufigen Updates via Steam beweisen. Da dürfte sich also noch einiges tun in den nächsten Wochen.
Von derartigen Flecken auf der Weste lässt sich ein waschechter Monsterjäger vom Schlag eines Van Helsing natürlich nicht ins Bockshorn jagen. Für fünfzehn Euro (ein Euro pro Stunde Spielzeit) bekommt ihr mit The Incredible Adventures of Van Helsing II ein charmantes und grundsolides Hack-and-Slay, das nicht nur die üblichen Standards bietet, sondern durch einige interessante Gimmicks und reichlich Humor glänzt. Die Tower-Defense-Einlagen und Fensterspielchen sind eine willkommene Abwechslung. Die zahlreichen Neben-Quests offenbaren sich erst auf den zweiten Blick und zwingen euch dazu - trotz fixer Karten -, auf Entdeckungstouren zu gehen und die Augen offen zu halten. Die Wiederspielbarkeit fällt wenig dürftig aus, auch wenn die Szenarien und der Unendliche-Geschichte-Modus diesen Faktor verglichen mit dem Vorgänger entschärfen. Der Online-Part funktionierte zum Release (mal wieder) nicht richtig, aber für ein Indie-Studio und zu dem Preis geht die Gesamtleistung in Ordnung. Auf meinem persönlichen Hack-and-Slay-Ranking klettert Van Helsing derzeit auf Platz drei hinter Diablo 3: Reaper of Souls und Path of Exile. Mal sehen, ob sich der Monsterjäger mit seinem nächsten Abenteuer weiter nach oben schnetzelt.