The Inner World - Test
Ein neuer Stern am deutschen Entwicklerhimmel?
Manchmal möchte man beim Spielen am liebsten in eine Zeitmaschine steigen, paar Monate in die Vergangenheit reisen und die Entwickler bei der Arbeit besuchen. Nach einem ernsten Auftritt folgt der Schlag auf die Finger, zusammen mit einem lautstarken 'Lasst es!' Wäre The Inner World ein mittelmäßiges oder gar schlechtes Spiel, ich würde mich nicht weiter darum scheren. Nur wenn einem kleine, unnötige Fehler die davor anhaltende Freude versalzen, stört es ungemein. Man sieht jemanden stolz auf die Zielgerade zulaufen, bevor er dann über die eigenen Füße stolpert und schmerzvoll die Zähne im Boden vergräbt.
Denn besonders bei den Rätseln, der schwierigste Teil eines jeden Adventures, trifft The Inner World ständig ins Schwarze. Zu Beginn des Spiels des jungen deutschen Studios Fizbin rollte ich wegen des leichten Schwierigkeitsgrades hier und da mit den Augen. Doch steigert sich die Komplexität der Knobelaufgaben in den passenden Schritten. Anstatt euch sehr früh vor einige Wände laufen zu lassen oder das gesamte Niveau zu senken, zog die Herausforderung im weiteren Verlauf stetig an.
In Verbindung dazu steht die Logik der Denkaufgaben, die sich stets an die vom Spiel etablierten Gesetze hält und niemals zu abstrus gerät. An einigen Stellen saß ich mehrere Minuten vor dem Bildschirm, bevor ich auf die Antwort stieß. Doch ich hatte nie das im Genre viel zu oft auftretende Gefühl, nur durch stures Ausprobieren auf die Lösung zu kommen. Immer handelte es sich um einen Hinweis, den ich zuvor nicht beachtet hatte.
Auch die Handlung wollte mich zunächst nicht so recht überzeugen. Im Inneren eines Planeten lebt das Volk der Asposier, die auf die Winde aus mehreren Geysiren angewiesen sind. Natürlich sorgt ein unbekanntes Unheil für das Verschwinden der notwendigen Lüftchen. Als schließlich nur noch ein funktionierender Geysir übrig bleibt, erhebt das Volk dessen Bewacher zur mächtigsten Person des Landes. Ihr schlüpft in die Rolle des jungen Robert, der als Schützling des Propheten noch nie die Welt außerhalb des Palastes betrat.
Bekannte Adventure-Marschrichtung
Es sollte also bereits in den ersten Minuten klar sein, wie die Geschichte sich entwickelt, nachdem Robert das erste Mal in der Stadt landet, um ein geheimnisvolles Mädchen namens Laura zu suchen. Und obwohl die Ausgangssituation wesentlich mehr Möglichkeiten zur Entfaltung der behandelten Themen bietet, sind es die beiden Protagonisten, deren Persönlichkeiten den zentralen Fokus darstellen.
Robert gehört nämlich zu den naivsten und stets glücklichsten Charakteren, die ich jemals in einem Spiel gesehen habe, ohne mir damit auf die Nerven zu gehen. Obwohl nicht gerade jeder Witz im Spiel zündet, spielen die Autoren gekonnt mit seinen Reaktionen. So müsst ihr an einer Stelle den Zeiger einer Beicht-Maschine zum Drehen bringen, indem ihr eine besonders schwere Sünde erzählt. Da der gutmütige Knabe nicht einmal an Untaten denken kann, fragt er die erfahrene Barkeeperin, ob sie ihm nicht ein paar Geschichten erzählen könne. Sein darauf folgender Gesichtsausdruck, der die plötzlich zerstörte Unschuld des Jungen widerspiegelt, ist pures Comedy-Gold.
"Ein Duo dieser Art ist keine unerwartete Neuerung, doch hätte die Handhabung ihrer Persönlichkeiten äußerst schlimm ausfallen können."
Ihm gegenüber steht die freche Laura, die Robert ständig über die Lügen seines manipulierenden Erziehers aufklären muss, was sie sichtlich zur Weißglut treibt. Sein ebenso ständig positiver Ausblick auf sämtliche Situationen erzeugt in ihr mehr als nur einen sarkastischen Kommentar. Ein Duo dieser Art ist keine unerwartete Neuerung, doch hätte die Handhabung ihrer Persönlichkeiten äußerst schlimm ausfallen können.
Also warum genau möchte ich dem gesamten Team nun das Pausenbrot klauen? Weil sie in ein paar Punkten die falsche Richtung einschlugen, was sich wiederum zu stark auf die restliche Spielerfahrung auswirkt. Zum Beispiel die Synchronisation. An den Hauptpersonen gibt es nichts auszusetzen. Allen voran Roberts Sprecher stielt durch eine gelungene Interpretation des Charakters die Show. Man merkt, dass er wusste, wie man die Texte am besten über die Lippen bringt. Doch zu viele Sprecher kurzweiliger Nebenfiguren hauchen ihre Sätze so lieblos ins Mikrofon, man möchte ihnen am liebsten den Mund zuhalten. Monoton und ohne Pausen oder Betonung lesen sie unmotiviert vom Blatt. Selbst die besten Dialoge verlieren durch die schlechte Synchro ihre Bedeutung.
"Die wunderbar gezeichneten Hintergründe prallen auf krude Figurenskizzen"
Gleiches gilt für die Ästhetik der wunderbar gezeichneten Hintergründe. Diese prallen auf krude Skizzen der Figuren, die Microsoft Paint entsprungen zu sein scheinen. Detailarm und ohne jegliche Schattierung - was auf vielen Screenshots und sogar dem Cover verbessert wurde - gleicht das Gesamtwerk einer ungeglückten Mischung zweier Künstler. Die Bewegungen machen es nicht gerade besser. Sie bestehen aus nur sehr wenigen Bildern und erinnern an krude Flash-Animationen. Zudem entstehen Probleme bei der Perspektive, wenn der Charakter einer Straße in den Hintergrund folgt, allerdings nicht kleiner wird. Vielleicht war es eine gewollte Entscheidung. Aber genau deswegen möchte man die Entwickler am liebsten anschreien.
The Inner World ist oft ein Spiel voller Gegensätze. Während mich Rätsel und Charaktere nach dem ersten Eindruck doch positiv überraschten, klafft bei der Vertonung eine riesige Lücke zwischen den Sprechern. Einige von ihnen scheinen ihre Aufgabe entweder nicht ernst zu nehmen oder wissen es nicht besser. Warum vonseiten der Entwickler keine bessere Direktion erfolgte, bleibt mir unerklärlich. Gleichfalls lässt mich der starke Kontrast zwischen den beiden Design-Stilen ratlos zurück. Besonders von Studenten mit dem Schwerpunkt Animation hätte ich hier wesentlich mehr erwartet. Einige Gesichtsausdrücke erwecken die Figuren zwar erfolgreich zum Leben, doch wirken besonders die Bewegungen wie frühe Storyboard-Animationen, für deren Ausarbeitung keine Zeit oder Geld blieb.
Vielleicht stört es mich aber auch nur so sehr, weil der spielerische Teil dieses Adventures außerordentlich gut gelungen ist. Erst recht für ein erstes Großprojekt dieses jungen Studios. Die Handlung hätte ruhig von ihrer Prämisse aus wichtigere Themen aufgreifen und besprechen können, der eigentliche Fokus liegt aber deutlich auf den gelungenen Figuren. Sollte euch der Stil trotz schwacher Ausarbeitung gefallen oder genau, wie die teilweise verpatzten Sprecher weniger stören, ist The Inner World für Adventure-Fans eine leichte Empfehlung. Ich bin jedenfalls gespannt, was das Team mit der nun gesammelten Erfahrung in Zukunft auf die Beine stellt. Vorausgesetzt man nimmt sich die Kritik zu Herzen.