The Last Door Collector's Edition - Test
Wenn das größte Grauen in dem liegt, was wir nicht sehen können, dann ist dieses Spiel der perfekte Horror.
Kann es sein, dass die Pixel in meinen Spielen immer größer werden? Sollte es nicht andersherum laufen? So sehr ich vieles an The Last Door schätze und einiges sogar liebe: Wenn ich sagen muss, dass Maniac Mansion und Zak McKracken auf dem C64 (!) besser aussehen, dann läuft hier doch irgendwas schief. Dieses Spiel wirkt, als hätte jemand versucht, auf dem Atari 2600 ein Adventure zu coden. Beachtliche Leistung, ohne Frage, aber was ist der Sinn? Pixel-Art ist ja eine Sache. Aber in einem Spiel, dessen Grundkonzept darauf basiert, dass ich einen Raum sehe, die Dinge in ihm erkenne und logisch kombiniere, das visuelle Design so zu gestalten, dass ich Stimmungen wahrnehmen kann, aber beim besten Willen keine Gegenstände ohne Anklicken erkennen, die kleiner als eine Schrankwand sind...
Nein, hier hört mein Verständnis für die Kunst auf. Das ist entweder wirklich der massive Geldmangel - jede der vier Episoden wurde über Crowdfunding für etwa 10.000 Euro finanziert -, die Unfähigkeit, etwas Schöneres zu gestalten, oder ein Verständnis von Design, das so weit jenseits meines Horizontes liegt wie die Lovecraft'schen Wesen des alten Englands, in dem das alles spielt. Ich will es nicht komplett verdammen. Es entbehrt nicht einer gewissen Faszination, wie viel Stimmung und Atmosphäre eine Lokalität haben kann, die weniger Pixel als mein erstes Handy zur Verfügung hat, und dass auch Figuren mit leicht zählbaren Pixeln - ungefähr 100 insgesamt - fühlbare Ausdrücke haben können. Aber ein Adventure, zumindest ein so klassisch entworfenes Point-and-Click-Exemplar wie The Last Door, muss mir auch die Chance geben, einen Gegenstand erkennen zu können.
OK, es sind nie zu viele Orte, Gegenstände oder Rätsel, die man gleichzeitig auf dem Tablet hat. Die Mausanzeigen helfen zu erkennen, welche Pixelhaufen etwas Interessantes verbergen könnten, und es lässt sich immer noch mit einem gewissen Genuss als Adventure spielen. Nicht zuletzt dank seiner weitestgehend logischen, der Situation angemessenen und trotz sehr mystischer Handlung fast bodenständigen Lösungswege konnte mich The Last Door von dieser Warte aus mehr überzeugen als so mancher Nominierte des Deutschen Spielepreises. Jede der vier Episoden hat einen kleinen Hänger, aber was wäre das Genre ohne diese? Und selbst sie sind auf ihre Weise fair. Die besten Rätsel, das andere Ende des Spektrums also, lässt die letzte Genialität sicher vermissen, doch clever genug sind sie trotzdem. Ihr müsst Notizen genau lesen, über Bedeutungen von Worten nachdenken und manchmal auch einfach nur einen Haken mit einem Seil verbinden. Es ist alles dabei.
Die Logik der Rätsel erlaubt es dann auch, so ungezwungen in die Handlung einzutauschen, wie es jedem Einzelnen seine Wahrnehmung und die Riesenpixel erlauben. Manche von euch werden sicher sagen, dass dieser Farbmatsch ihnen zu weit geht, und ich will es ihnen auch nicht verübeln. Aber es wäre schade, denn inhaltlich wird hier ganz sauber zelebrierter Lovecraft-Mystery-Horror abgeliefert. Dieser basiert oft genug darauf, dass eigentlich für eine ganze Weile gar nicht viel passiert - schließlich stirbt in dieser Mythologie ja jeder vor Furcht, der auch nur das kleinste Tentakel überhaupt erspäht - und der Protagonist immer mehr mit seiner eigenen geistigen Gesundheit und Wahrnehmung der Welt ringt. Und ein paar Kultisten natürlich auch mal; Kultisten gehören schließlich einfach dazu. The Last Door befindet sich am ruhigen Ende des Wahnsinns. Erwartet keine Kämpfe, keine Actioneinlagen, ihr könnt nicht mal sterben. Warum auch? Es ist doch alles ganz normal, nur ein paar alte Herrenhäuser, ein verfallendes Hospital, Londons dunkelste Hintergassen, alles ganz harmlos. Achtet nur nicht auf das blutige, riesenhafte Vogelauge. Es ist gar nichts, einfach weiterforschen und rätseln, alles wird gut...
The Last Door spielt geschickt mit den Klischees des Subgenres und wird dabei hinreißend von einem brillanten Sound-Design unterstützt. Stimmen, die fast menschlich wirken, knarrende Schritte auf alten Dielen, Wind in toten Bäumen. Wenn die Grafik nicht fast schon den gleichen Effekt hätte, würde ich sagen, man muss nur die Augen schließen und kann die dunkle Atmosphäre greifen. Die Texte tragen ihren Teil dazu bei. Zwischen Englisch und Spanisch - The Game Kitchen kommt aus Spanien - könnt ihr wählen und in Ermangelung spanischer Sprachkenntnisse weiß ich nicht, ob diese Texte und Dialoge noch stimmiger sind, aber mit ihren englischen Gegenstücken lässt es sich schon gut leben. Eine deutsche Version gibt es leider nicht und ist derzeit auch nicht geplant.
Einen Punkt darf ich euch bei aller Zuneigung nicht verheimlichen: Die vier Episoden sind nicht abgeschlossen. Auch die letzte endet mit einem Cliffhanger und erst im Laufe des Sommers wird die nächste Folge - die erste einer neuen Season - erscheinen. Das Konzept ist ja nun aus Funk und Fernsehen wie auch Telltales Geschäftskonzept hinreichend bekannt, und vielleicht gilt für das Mysterium von The Last Door, dass manche Geheimnisse besser eh nie gelüftet werden, aber trotzdem komme ich nicht umhin, ein wenig geknickt zu sein. Ich will wissen, wie es ausgeht. Was bis hierher geschah, war spannend genug, um mich locker durch alle vier Folgen und ihre etwa acht Stunden Spielzeit - Genre-Profis werden schneller sein - zu bringen. Das ist schon eine Menge. Ich will noch mehr sehen. Oder im Halbdunkel und Pixelwust erahnen.
The Last Door Collector's Edition könnte ich wirklich lieben. Sicher, die Rätsel sind nicht innovativ oder zu schlau, aber die Stimmung ist eigen, die Handlung trifft jede einzelne schräge Note auf der Lovecraft-Klaviatur und nicht zuletzt dank der Unterstützung der mystischen Tonwelt lief mir mehr als ein Schauer den Rücken hinunter. Etwas, das Horrorspiele bei mir selten schaffen. Für mich trägt der nicht sichtbare Horror immer noch den größten Schrecken. Dass The Last Door das jedoch auch auf die Sicht- und Erkennbarkeit vieler für die Rätsel essenzieller Objekte bezieht, hätte nun wirklich nicht sein müssen. Ja, die Stimmung wird durch die Farbgebung transportiert, ohne Frage, aber die ist auch oft genug das Einzige im Raum, was ihr im Wald der Monsterpixel klar ausmachen könnt. Genau das hier, nur mit einer Optik, die Funktionalität und Atmosphäre verbindet, das wäre es, das wäre mein Horrorspiel, mein Adventure. Dann müsste ich meine Liebe für dieses Spiel nicht so drastisch einschränken.
Die Collector's Edition enthält vier Kapitel, vier Mini-Episoden als Ergänzung und den Soundtrack. Die ersten drei Episoden sind vollständig gratis spielbar, wenn ihr euch auf der Seite von The Last Door anmeldet. Dort könnt ihr auch zukünftige Episoden mit relativ kleinem Geld mitfinanzieren, wenn ihr möchtet.