The Last Guardian
Komm schon, Katzenhundeadler, komm schon...nicht schüchtern sein...
Kann man über The Last Guardian reden, ohne ein paar Worte über Ico und Colossus zu verlieren und Vergleiche zu ziehen? Bestimmt, aber warum sollte man? Man sollte beinahe jede Chance nutzen, um über sie zu reden. Es waren zwei sehr eigenwillige Spiele, die in einer Mischung aus mystischem Understatement, spielerischer Kompetenz und praktisch einmaliger Atmosphäre weit über das übliche Maß eines der sonstigen Blockbuster hinaus faszinierten. Wenn man wollte, dann spielte man sie einfach und es waren sehr gute Spiele.
Man könnte aber auch ihre Motive, Eindrücke und Inspirationen nehmen und viel mehr daraus herauslesen als möglicherweise ursprünglich je darin steckte. Wie sehr beispielsweise ein Colossus eine gegebene Stimmung beeinflussen kann, zeigt sich in beinahe unwirklichen Momenten des Films Reign over me (Die Liebe in mir, ein – man mag es kaum glauben – ansehbarer Adam Sandler-Film). In der scheinbaren Unschuld eines Videospiels spiegelt sich perfekt der eigene Konflikt des Protagonisten wieder und die Überwindung dieser dunklen Welt bedeutet in einem gewissen Maße auch die Überwindung seiner Ängste. Oder so ähnlich. Man kann viel in diese Spiele interpretieren. Aber sagt mir ein, auch nur ein anderes Spiel, das dies ohne weitere Worte, nur durch seine visuelle Macht hätte schaffen können.
Was also ist die Erwartungshaltung an ein weiteres Spiel aus diesem Studio? Eine Wiederholung sicher nicht. Und doch wird The Last Guardian ein klein wenig ein erneuter Besuch bei den Elementen beider vorheriger Spiele des Team Ico sein. Fumito Ueda selbst denkt bei seinem neuesten Werk in diese Richtung: „In dem ersten Spiel gab es die Interaktion zwischen dem Charakter des Spielers und dem der KI, dem kleinen Mädchen. Im zweiten Spiel war es dann die Aktion, die großen Monster zu erklimmen. Im dritten Spiel wird es jetzt ein wenig von beidem sein."
Die etwa 15 Minuten Live-Spiel, die dann gezeigt wurden, machen klar, dass das wirklich die Essenz ist. Dass The Last Guardian in seinem Herzen ein sehr einfaches Spiel ist. Und eines, das unendlich wundervoll sein kann, wenn denn all die wenigen Teile dieses Puzzles einer kompletten Spielerfahrung so zusammenfallen, wie es sein muss.
Es beginnt bei der Präsentation – dies ist natürlich nicht der eigentliche Anfang des Spiels, aber noch recht früh im Verlauf – in einer geräumigen Steinkammer, was nur normal ist, angesichts der Größe von Trico. Was Trico ist? Nun, ein zehn Meter langer Greif wäre wohl die einfachste Erklärung. Es wäre allerdings der niedlichste Greif aller Zeiten und in ihm scheinen sich Elemente von Katzenbabys, Hundewelpen und einem Adler zu vereinen, und zwar so, dass eine bezaubernd positive Figur draus entsteht. Wer Trico sieht, glaubt schon, dass dieses Wesen sehr viel Kraft hat und sie auch einsetzen kann, aber nicht, dass er – eine willkürliche Festlegung des Geschlechts, da Ueda seiner Schöpfung noch kein Geschlecht gab und es vielleicht auch nie tun wird – sie jemals bösartig einsetzen wird.
Er/sie/es reagiert auch nicht unfreundlich, als der der kleine Junge ihm – ich bleib jetzt mal dabei – am Ohr zieht und das Wesen so etwas unsanft weckt. Was folgt, ist atemberaubend. Nicht, dass das Erwachen von einer Videospielfigur an sich generell ein besonders aufregender Vorgang wäre, nur in diesem einen, speziellen Falle. Team Ico benutzt kein Motion-Capturing, um die Animationen für Trico zu gestalten, sondern animiert den Wireframe des Modells bewusst in zeitaufwendiger Manier, um so eine eigene, für das Wesen charakteristische Bewegungsweise zu erreichen. Oder weil sie einfach kein Tier gefunden haben, was sich so bewegt. Zumindest kennt Ueda kein solches.
„In der letzten Zeit wird MoCap immer populärer, aber der Vorteil des Keyframes ist, dass man wirklich die Bewegungen, die man zeigt, kontrollieren kann. So denke ich darüber. Und das gilt besonders in diesem Falle, weil wir mit Trico eine Kombination aus verschiedenen Tieren haben und er hat in manchen Momenten Züge von einer Katze und in anderen die eines Hundes – es gibt kein Tier, auf das wir das MoCap hätten anwenden können."