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The Last of Us ist nicht, was ihr erwartet.

Naughty Dogs Jüngstes ist mehr Spiel als Drake es je war.

Berlin, Hotel Lux 11. Schauplatz vieler Veranstaltungen mit Videospielbezug. Ubisoft war schon mit seinen Titeln hier zugegen, Nora Tschirner plauderte über Synchronarbeit. Am vergangenen Dienstag traf ich mich hier mit Vertretern Sonys, um das erste Mal selbst ein Gefühl davon zu bekommen, wie sich für Naughty Dog das Ende der Welt anfühlt. Die knapp 45 Minuten Spielzeit durch ein ein Kapitel aus dem ersten Viertel der Geschichte ließen tief blicken, wohin für die Kalifornier die Reise nach dem Abschluss der ersten Uncharted-Trilogie geht. Die Erkenntnisse sind durchaus überraschend.

Wo Drakes Abenteuer trotz aller Schießereien der fluffigste Spiele-Marshmallow waren, durchzogen von hollywoodreifen Zwischensequenzen und irrwitzigen Stunt-Sequenzen, erinnere ich mich nach dem Genuss dieses Spießrutenlaufes durch die Reste von Boston an so gut wie gar kein Skriptfilmchen. Und das liegt nicht daran, dass sie schlecht gewesen wären. Es gab schlicht so gut wie keine zu sehen. Kein Action-Bombast, kein Hochhaus stürzt um, während man sich noch an die Fensterbank krallt und zu eigentlich keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, die Regie würde einem das Steuer zugunsten des Spektakels aus der Hand nehmen. Es ist schlicht Spiel pur.

45 Minuten Spiel pur

Obwohl ich keine Zweifel daran habe, dass im weiteren Verlauf sowohl ausgemachte Krachbumm-Fans als auch Freunde der feineren Charaktermomente der letzten Naughty-Dog-Titel auf ihre Kosten kommen werden, so war dieser spielbare Ausschnitt doch eine wirklich erfrischende Abwechslung. Ich hatte zuvor eine gewisse Routine befürchtet, die aufseiten der Entwickler nach drei knalligen Third-Person-Actionfilmen zum Mitspielen durchaus hätte einsetzen können. Stattdessen bekam ich lupenreines, schwieriges und richtiggehend unheimliches Stealth- und Überlebens-Gameplay mit Substanz.

Die Kletterpassagen waren ähnlich linear wie in Uncharted. Dazwischen öffnete sich das Spiel aber spürbar.

Hier wurde nicht einfach das Uncharted-Gameplay vor einen Endzeit-Hintergrund verpflanzt. Das wird allein schon daran deutlich, dass Joel, der in diesem Abschnitt stets von der resoluten Tess und der verhältnismäßig behütet aufgewachsenen Ellie begleitet wird, weder ein begnadeter Kletterer ist, noch auf Knopfdruck springt, sofern ihn nicht eine Anhöhe vor der Nase ihn dazu veranlasst. Viel wichtiger aber ist noch: Wo sich Drake all das glühende Blei, das in seine Richtung fliegt, hinter einer hüfthohen Mauer mit einem lockeren Spruch aus dem Pelz schüttelt, stehen Joel und seine Leidensgenossen in dieser Welt eindeutig am unteren Ende der Nahrungskette.

Die Kräfteverhältnisse sind auf für aktuelle Videospiele nicht mehr unbedingt übliche Weise verkehrt und ich muss zugeben, schon lange fühlte ich mich nicht mehr so hilflos. Ein größeres Kompliment kann man den Designern der Seuche, die die Menschheit zugrunde richtete, eigentlich nicht machen. Von den von dem parasitären Pilz befallenen und schließlich kontrollierten Menschen geht eine Bedrohung aus, wie sie sich nur noch die wenigsten Spiele zutrauen, aus Angst, allzu viele potenzielle Käufer zu verschrecken. Wenn man sich ein wenig in die reale Vorlage dieses Parasiten einliest, Cordyceps Unilateralis, möchte man sich direkt am liebsten unter eine siedend heiße Dusche stellen, man bringt es nicht einmal über sich, den entsprechenden Browser-Tab länger als irgend nötig offen zu lassen. Allein auf psychologischer Ebene ist der verhaltensmanipulierende Pilz, der schließlich wie ein ungesund aussehender Schwamm aus den Schädeldecken seines Wirts bricht, schon ein echter Volltreffer für diese Sorte Spiel.

Kenne deinen Feind!

Doch auch und gerade für den Spielablauf wirkt die Plage Wunder, kennt sie doch fünf verschiedene Infektionsstadien. Zwei davon gab es letzten Dienstag schon in Aktion zu sehen: die "normalen" Infizierten, die ihre Menschlichkeit erst vor Kurzem eingebüßt haben, und die unheimlichen Klicker - Stadien eins und drei, wenn ihr es genau wissen wollt. Während die lediglich kränklich aussehenden Infizierten noch gut sehen und schnell rennen können, hören euch die langsameren Klicker nur noch, schließlich ist ihr gesamter Schädel mittlerweile aufgeplatzt, um einem eitrigen Stück Hirn-Popcorn zu weichen. Ein widerwärtiger, grotesker Anblick.

Das Crafting-Interface wurde einmal mehr verändert, soll laut Sony aber immer noch nicht seine endgültige Form erreicht haben

Beide Sorten Feind erfordern demnach unterschiedliche Herangehensweisen - knifflig, wenn ein so gemischter Gegnermob zuckend und unvorhersehbar durch denselben Raum patrouilliert. Die Drake-Taktik ist hier definitiv nicht angebracht. Einen anstürmenden Infizierten kann Joel noch mit einer Attacke seiner nach und nach immer zerbrechlicheren Nahkampfwaffen erledigen. Die Klicker allerdings kontern ihr fehlendes Tempo und ihre Blindheit im Nahkampf durch enorme Tödlichkeit. Wirklich beeindrucken lassen sie sich von Hieb- und Stichwaffen erst, wenn man sie mit gefundenen Gegenständen "verbessert" hat. Bekommt einer von ihnen aber Joel zu packen, war es das. Mir ist das in dieser verschwitzten Dreiviertelstunde mehrfach passiert.

Was sich dementsprechend immer und immer wieder entwickelt, ist ein Stealth-Puzzle sondergleichen, wenn man sich etwa durch ein Loch im Boden eine Etage eines Hochhauses tiefer fallen lässt und dann erst mal die neue Situation erfassen muss. Ihr knipst die Taschenlampe aus und hockt euch hin, um die Ohren zu spitzen. Dabei scheinen ähnlich wie bei Batmans Detektivsicht Gegner, die Geräusche machen, durch Wände hindurch. Die Reichweite ist allerdings begrenzt und ein oder zwei Mal wollte ich mich gerade schon an einen unaufmerksamen Feind heranschleichen, als am äußeren Rand meines Sichtkegels auf einmal doch noch die Umrisse eines Infizierten ins Bild wankten und meinen Plan zunichtemachten. Darüber hinaus musste ich zu Beginn gleich mehrfach überlegen und genau hinhören, um die doch recht ähnlichen Silhouetten den verschiedenen Feindestypen zuzuordnen.

Mit einem Revolver fängt der Ärger oft erst an ...

Schusswaffen sollten, wie es der gesunde Menschenverstand gebietet, nur der letzte Ausweg sein. Einerseits ist deren Munition rar und ihre Wirkung gerade gegen Klicker nicht so effektiv, wie sie gegen Menschen wäre. Andererseits verraten sie mit lautem Getöse natürlich eure Position. Regelmäßig war ich beinahe ratlos, was nun als Nächstes zu tun sei, näherte mich erst, um mich dann doch wieder hasenfüßig zurückzuziehen. Erst dann zahlte sich aus, dass ich wirklich jeden Winkel der deutlich breiter als in Uncharted angelegten Häuser-Ruinen und Straßenzüge abgegrast hatte. Aus alten Scheren, starkem Klebeband und einem alten Stahlrohr fertigte ich mit dem simplen Crafting-System einen recht wirksamen Überzeuger, der der Haltbarkeitsanzeige nach zu urteilen für etwa drei bis vier Kills gut gewesen wäre, wenn mein Timing bei der Attacke nur genau sitzt.

Die Partner-KI hielt sich angenehm zurück, griff an ein paar Stellen aber clever ein.

Aus Flaschen und Alkohol bastelte ich ein paar Molotovs. Wer mit leeren Flaschen oder einem alten Ziegel die Feinde an einen bestimmten Fleck dirigiert, hat auf diese Weise für einen Augenblick alle beieinanderstehen und kann das flambierte Getränk mit maximalem Schaden unter die Kundschaft bringen. Was sich nach einer einfachen und todsicheren Taktik anhört, profitierte in der Praxis von der flatterig machenden Gewissheit, ziemlich arm dran zu sein, sollte irgendetwas schiefgehen, der Wurf nicht punktgenau sitzen oder sonst etwas Unvorhergesehenes eintreten, was dank der unberechenbaren KI durchaus im Bereich des Möglichen schien.

Diese 45 Minuten waren viel zu schnell vorbei. Und doch bleibt der starke Eindruck eines Spiels, mit dem das zuständige Studio fest entschlossen ist, nicht nur seinen eigenen, sondern auch den Horizont seiner Fans zu erweitern. Es spielt sich bedeutend langsamer und methodischer als alles, was Drake bisher durchmachte, und das merkt man auf Anhieb, sobald man den deutlich ungelenkeren, langsameren Joel in den Resten des nächtlichen Bostons die ersten Schritte tun lässt. Das hier ist nicht Uncharted mit Zombies, es ist ein ganz eigenes Biest - bockiger, herausfordernder und unheimlicher als die Dinge, die in der Komfort-Zone dieses Studios bisher passierten. Ich kann kaum abwarten, es zu zähmen.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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