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The Last Story - Test

MMO, Hack´n´Slay, Deckungshooter, JRPG, Sakaguchi. Alles in einem Satz

Auch wenn sich die Welt der Videospiele immer noch rühmt, den klassischen Film finanziell längst überholt zu haben, so gibt es in mancherlei Hinsicht immer noch eine ganze Menge Nachholbedarf. Während der Filmkenner bestens über Drehbuchautoren, Regisseure, Cutter und Kamera bescheid wissen, weiß im Spielesektor kaum jemand, wer die Leute hinter den Spielen sind. Das liegt vielleicht daran, dass manche Publisher gar kein Interesse daran haben, einzelne Individuen allzu exponiert zu sehen - man erinnere sich nur an die Querelen zwischen Activision und den Infinity-Ward-Männern Jason West und Vince Zampella.

Während jedes Hollywood-Plakat nicht nur die Schauspieler, sondern auch das kreative Kernteam hinter der Kamera ausführlich nennt und auch bei Trailern selten mit Namen spart, ist es bis heute eine absolute Ausnahme, wenn einer der entscheidenden Köpfe hinter einem Spiel es tatsächlich auf das Cover schafft. Hideo Kojima ist jemand, dem diese eigentliche Selbstverständlichkeit regelmäßig zuteilwird. Und auf dem Cover von The Last Story prangen gleich zwei große Namen: Hironobu Sakaguchi und Nobuo Uematsu.

Falls jemand die beiden nicht kennt, hier ein kleiner Auffrischer. Hironobu Sakaguchi dachte sich Mitte der 80er Jahre ein Rollenspiel namens Final Fantasy aus und rettete so einen kleinen Publisher namens Square vor der sicheren Pleite. Nobuo Uematsu schrieb die Musik für eben dieses Final Fantasy, blieb der Serie über Jahre hinweg treu und ist heute zusammen mit Nintendos Koji Kondo der wohl beliebteste und bekannteste Spiele-Komponist überhaupt. Beide haben ein paar Gemeinsamkeiten: Sie sind stolze Oliba-Träger, sie sind große Bier-Fans und beide haben sie mittlerweile Square verlassen. Der eine, weil er einen kleinen Fehler namens "Final Fantasy: Die Mächte in dir" auf dem Kerbholz hat und deswegen keine Spiele mehr machen konnte. Der andere, weil er keine Lust mehr auf die konzernhaften Zustände bei Square Enix hatte. Beide sind nun selbstständig. Sakaguchi-san leitet eine kleine Firma namens Mistwalker, Uematsu-san ist freier Komponist und führt das CD-Label Dog Ear Records. Sie treffen sich gerne mal auf Honolulu, um feucht-fröhlich zu feiern, und manchmal machen sie auch noch richtig gute Rollenspiele. Das Jüngste davon heißt The Last Story und erscheint nun mit einem guten Jahr Verspätung endlich auch bei uns.

The Last Story - Trailer

Orientierten sich die beiden ersten großen Mistwalker-Spiele Blue Dragon und Lost Odyssey noch an der klassischen Final-Fantasy-Formel mit rundenbasierten Menükämpfen, gehen die alten Rollenspiel-Hasen mit The Last Story einen neuen Weg. Wenn sich Zael, Dagran und Co. mit ekligen Monstern und mächtigen Halbmenschen anlegen, dann hat das nicht nur Elemente von klassischen Rollenspielen. Es steckt auch eine Portion MMO, ein wenig Hack´n´Slay und auch ein gutes Stück Deckungsshooter im Kampfsystem von Sakaguchis JRPG The Last Story.

Im Kampf kontrolliert ihr nur Hauptfigur Zael. Bewegt der sich in die Nähe eines Gegners, dann greift er automatisch an - oder auf Knopfdruck, wenn ihr euch in den Optionen dafür entscheidet. Zaels Mitstreiter agieren derweil eigenständig. Angreifer attackieren, Magier zaubern. Kontrolle über das Geschehen bekommt ihr, indem ihr einerseits die Attacken der Gegner in klassischer Tank-Manier auf euch ziehen könnt, andererseits indem ihr euren Mitstreitern direkte Befehle gebt. Im Laufe des Spiels erlernt ihr diverse Spezialattacken. Mit Wirbeln könnt ihr magische Kreise zerstreuen, wenn ihr an der Wand hochlauft und von oben angreift, dann richtet ihr besonders großen Schaden an. So ziemlich die wichtigste Technik ist aber der Angriff aus der Deckung. Ähnlich wie Marcus Fenix und Co. gehen auch Zael und seine Leute gerne mal hinter Säulen oder Bollwerken in Deckung und locken Gegner mit gezielten Armbrust-Salven an. Wenn die sich ahnungslos nähern, um zu schauen, was los ist, startet ihr dann einen Überraschungsangriff und richtet dabei verheerenden Schaden an - die meisten Standard-Monster halten nicht mehr als einen Treffer aus.

Leider hat das sehr durchdachte und spaßige Kampfsystem aber auch ein kleines Problem. All die spannenden spielerischen Möglichkeiten werden nicht so wirklich oft gebraucht, gerade Gefechte gegen normale Durchschnittsgegner gewinnt ihr oft genug mit der simplen Taktik "In Deckung gehen und überraschend Angreifen". Dafür sind die Bosskämpfe angenehm fordernd, jeder der of beeindruckend großen Widersacher verlangt nach einer speziellen Taktik, die zum einen verstanden, und zum anderen auch konsequent umgesetzt werden muss. Das erinnert durchaus an frühere Final Fantasy Episoden wie den famosen fünften Teil. Auch da waren die normalen Gegner oft eher Kanonenfutter, dafür waren die Bosskämpfe knackig und herausfordernd. Trotzdem wäre hier etwas mehr Balance schön gewesen. Besonders Spieler, die ihre Truppe halbwegs regelmäßig ein wenig leveln und ihre Ausrüstung stets auf dem neuesten Stand halten, werden nur in den seltensten Fällen auf echte Probleme stoßen.

Aber das muss ja auch nicht jeden stören, genug Spieler da draußen mögen ihre Rollenspiele vor allem wegen sympathischer Figuren, einer überzeugenden Story und einer interessanten Welt. Speziell da punktet The Last Story. Zeal und seine Mitstreiter sind von Anfang an sympathisch und entwickeln sich im Laufe des Spiels ordentlich weiter. Die Antagonisten sind bunt gemischt: Manch einer ist ein ehrenhafter Gegner, andere sind feige Mistkerle, denen man jedes schlechte Schicksal an den Hals wünscht. Die Handlung beginnt in recht vertrauten Bahnen, überrascht im Laufe des Spiels aber mit der einen oder anderen unerwarteten Wendung. Neu ist die relativ überschaubare Welt. Bei The Last Story macht ihr keine gigantische Welt unsicher, die Handlung konzentriert sich viel mehr auf die Insel Lazulis, die gleichnamige Hauptstadt und deren Umgebung. Dabei kann man immer wieder die spezielle Handschrift von Hironobu Sakaguchi erkennen. Oft greift The Last Story Motive auf, mit denen sich Sakaguchi schon in seinen früheren Spielen gerne beschäftigt hat.

Freunde der Individualisierung werden freudig zur Kenntnis nehmen, dass jede neue Ausrüstung und jede neue Waffe auch direkt an den Figuren zu sehen ist. Und nicht nur das, im Menü könnt ihr eure Kleidung noch Stück für Stück einfärben, auf Wunsch könnt ihr sogar einzelne Elemente entfernen. Der Gürtel stört? Weg damit! Das Cape verdeckt den Rücken? Weg damit. Die Frauen haben zu viel an? Ähh... wie auch immer. Im normalen Spiel ist diese Möglichkeit der Individualisierung eine nette kosmetische Spielerei, im Mehrspielermodus auf einmal eine nützliche Hilfe, um eure Figur von euren Mitspielern zu unterscheiden. Wenn ihr per Internetverbindung gegen andere Spieler antretet oder es gemeinsam mit einem dicken Boss aufnehmt, dann ist es schon besser, wenn ihr eure Figur auf den ersten Blick erkennt. Aber letzten Endes ist der Mehrspielermodus eine nette Zugabe, mehr aber nicht - der große Spielspaß findet sich im eigentlichen Abenteuer.

Tja, wie nicht wirklich anders zu erwarten war, ist auch das zweite der drei großen Wii-Rollenspiele (Xenoblade Chronicles haben wir ja bereits getestet, Pandora´s Tower kommt dann im April) ein Volltreffer. Wo Xenoblade euch eine riesige Welt als Abenteuerspielplatz vorsetzte, da ist The Last Story in Sachen Umfang ausgesprochen fokussiert und wirkt durch seine überschaubare Menge an Protagonisten sehr persönlich. Wir sind von Anfang an sehr nah an den Figuren, ihren Zielen und Träumen dran. Wirkt das Kampfsystem in den ersten Minuten noch etwas willkürlich und konfus, habt ihr euch schnell in die Feinheiten eingearbeitet. Ihr freut euch über jede neue erlernte Aktion, die eure bevorzugte Taktik schnell wieder komplett ändern kann. Und ärgert euch ein wenig, dass viele Gegner keine echte Herausforderung bieten.

The Last Story ist nicht so extrem umfangreich wie Xenoblade Chronicles und sieht natürlich auch nicht so todschick aus wie das letzte Final Fantasy, dafür punktet Hironobu Sakaguchis neuestes Spiel aber wieder mit jeder Menge Herz. Ihr wollt immer wissen, wie es mit Zael und seinen Leuten weitergeht, ihr wollt das Schicksal von Lazulis mitbestimmen und den Geheimnissen dieser spannenden Welt auf den Grund gehen. The Last Story verbindet aufs Schönste modernen Gameplay-Luxus mit den Eigenschaften, die wir seit den 16Bit-Tagen mit einem guten Japano-Rollenspiel verbinden. Mit sympathischen Figuren, durchdachten Kämpfen und einer Handlung, die Stunde um Stunde an die Konsole fesselt.

The Last Story ist ab morgen für die Wii erhältlich. Die Limited Edition enthält ein Steelbook, einen Auszug aus dem Soundtrack und ein kleines Hardcover-Artbook.

9 / 10

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Thomas Nickel Avatar
Thomas Nickel: Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

The Last Story

Nintendo Wii

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