The Legend of Zelda: Majora's Mask 3DS - Test
Link/10.
Da wären wir also, Unruhstadt. Mitternacht, dritter Tag. Nur eine Nasenlänge liegt zwischen dem psychotisch grinsenden Mond und der kompletten Zerstörung. In fünf Minuten fällt der letzte Vorhang für ganz Termina. Wie schon die ersten zehn Mal in dieser alles bestimmenden Zeitschleife.
Wir hätten da stadteinwärts Verbliebene: schlotternd die Ausgänge sichernde Stadtwachen, einen Wirt, der lieber in seiner Milchbar stirbt, als sie aufzugeben, einen von seinen Lehrlingen im Stich gelassenen Handwerkermeister. Sie wissen, dass es gleich zu Ende geht. Und sie haben auf ihre Art in den letzten Tagen eine Veränderung durchgemacht, was trotz aller Liebe für diese klassische Abenteuerreihe nicht gerade der erste Gedanke in Verbindung mit Zelda ist. Greifhaken, Grasbüschel, Flaschen, Feuerpfeile, Herzteile, ein zusammen mit Links Items wachsender Parcours, entworfen mit ihm als Mittelpunkt. Konstanten wie diese.
Aber nicht in erster Linie so etwas wie zwischenmenschliche Töne, über die man durchaus einige Tage nachdenken kann. Unter den Leuten in der letzten Nacht ist auch der Briefträger, ein durch die nahende Apokalypse gebrochener Workaholic, in Verzweiflung auf die Knie gefallen neben seinem Bett. Er erlebt einen Moment bohrender Klarheit und kann doch nicht mehr tun, als zu warten, bis es passiert. All diesen Leuten könnt ihr nicht nur zuhören, sondern auch helfen, was Majora's Mask im Zelda-Kosmos zu einem noch größeren Unikat macht, als es jeder Teil einzeln für sich betrachtet ohnehin schon ist.
Es bleibt nach 15 Jahren das eigenartige Karten verteilende Kind mit den Geschichten entlang des Weges. Ein Spiel der Nebenerzählungen. Wo Ocarina of Time zur epischen Erstürmung des Elfenbeinturms bläst, konnte Majora's Mask kaum anders. Was hätte Nintendo auch tun sollen, 2000, nachdem der Vorgänger die Wahrnehmung für Action-Adventures auf Konsolen grundlegend schärfte und einen Teil der - wie sagt man noch gleich - Messlatte legte? Viel höher hätte Link auf dem N64 nicht springen können. Noch so ein Ding hätte es wohl nicht gebracht.
So ähnlich setze ich es mir zusammen, als ich während des 3DS-Remakes überlege, wieso Majora's Mask seit jeher als "düster" und "skurril" gelabelt ist. Nun, zum einen startet es mit einer finalen, vor vollendete Tatsachen stellenden Prämisse: Der Mond stürzt in 72 In-Game-Stunden auf die Welt und das war es dann. Sein Gesicht hängt bis dahin wie ein Mahnmal über euch, näherkommend und immer da, wenn man in den Ebenen Terminas aufblickt, ob man nun von Canyons oder trüben Ozeanen umgeben ist. Seine wahnhaft aufgerissenen Augen und die zum schiefen Grinsen verzogene Grimasse würde ich durchaus als "skurril" durchgehen lassen.
Düster ist das Spiel in seinen Aussichten. Man weiß von Beginn an, dass am Ende die Auslöschung Terminas steht. Nintendo reflektiert das in den Charakteren in und um Unruhstadt. Lose angelehnt an die fünf Sterbephasen nach Kübler-Ross trefft ihr Personen, die das Unausweichliche weigernd von sich schieben, dann trauern und es schließlich akzeptieren müssen. Ihr schenkt einem kleinen Mädchen einen letzten Tag mit ihrem Vater, lernt Personen kennen, die wissen, dass sie sterben müssen, und alle auf ihre Art diesen Stein zu schleppen haben. Und ihr könnt ein tragisch voneinander getrenntes Paar verheiraten, das in den Minuten vor dem großen Knall innig umschlungen steht, glücklich in diesem einen Moment, denn er ist es, der zählt. Darin liegt eine bittersüße Ironie, sich nie wieder trennen und den Anbruch des neuen Tages gemeinsam erleben zu wollen. Bis es irgendwann zum letzten Mal hell wird, gleißend.
Ganz schöne Klopper in der Heileweltfassade können das sein, insbesondere als erfahrener Hyrule-Reisender. Ein ganz subtiles, bestimmtes Gefühl von Dringlichkeit liegt über all dem, aber für mein Empfinden nie so, dass das Zeitlimit unbequem wird. Majora's Mask macht aus der Ausweglosigkeit Methode und gibt euch eine Melodie zum (sehr großzügigen) Verlangsamen und kompletten Zurückdrehen dieses Zeitverlaufs, wann immer euch danach ist. Ihr behaltet wichtige Items, Lieder und Masken, verliert dafür Nutzgegenstände und der Zeitfluss beginnt wieder bei Tag eins, ohne dass eure Taten im Grunde stattgefunden haben.
Es ist ein bisschen, wie in Dark Souls zu sterben. Man kommt zurück zu einem fest definierten Punkt innerhalb der Welt - dem Leuchtfeuer - und behält seinen Fortschritt nur in Form von greifbaren Dingen. Alles andere ist Kulisse. Auch Bosse. Gibt ja eh nur vier vor dem Finale.
So wie sich Majora's Mask um die Himmelsrichtungen mit den vier dort verorteten Tempeln dreht, nimmt es seinen Items eine Teillast von den Schultern, die inhaltliche Entwicklung des Abenteuers tragen zu müssen. Je länger ich drüber nachdenke, desto schneller kann man Bogen, Greifhaken, Bomben, Auge der Wahrheit und die Spezialpfeile nacheinander aufzählen, denn nur wenig mehr als das gibt euch das Spiel als Haupt-Items in die Hand. Wichtiger sind die Masken, drei von ihnen regelrechte "Gamechanger". Ihr trefft einen schwer verwundeten Charakter und nehmt ihm beim Sterben den Schmerz von den Schultern. Seine Seele verbleibt in einer Maske und verwandelt euch in ihn, begleitet von einer Zwischensequenz, die Link schreiend mit dunkel unterlaufenen Augen und verzerrtem Gesicht zeigt. Sieht unangenehm aus.
Auch wenn neben den drei Hauptmasken nur wenige andere zum Durchspielen nötig sind, verschafft jede der zwei Dutzend mindestens eine kleine Änderung des Blickwinkels auf die Welt. Sprecht mit Skeletten auf dem Friedhof oder Gibdos im trockengelegten Brunnen. Werdet ein mächtiger goronischer Krieger oder ein elegant durchs Wasser pflügender Zora. Manchmal seid ihr als Detektiv auf Personen-, mitunter sogar auf Trüffelsuche, und wer weiß, irgendwann vielleicht Mitglied einer erlesenen Gesellschaft, wenn ihr beim Klopfen an der Milchbartür die Kuhmaske tragt. Viele Tätigkeiten, die Link vom Briefträger bis zum Marschmusik spielenden Tierfreund so einige Ämter verleihen, in denen er sich seine Kindlichkeit bewahrt. Wie wichtig das ist, kann jeder mit Blick auf den Gegenspieler selbst beurteilen. Er schaffte es irgendwann nicht mehr, die Maske einfach wieder abzunehmen.
Es ist eine wahre Freude, die vielen Geschichten heute noch einmal zu durchleben. Das Schöne: Nintendo hat das sämtliche Nebenstränge verzeichnende Bomber-Notizbuch so eingebaut, dass man es nicht länger verpassen kann. Hier sieht man alle Hinweise, Zeitpläne und Verläufe und erfasst, welche schrägen Vögel in Unruhstadt und Umgebung hocken. Es ermuntert dazu, sich abseits der vier Tempel mit den sonderbaren Kapriolen um Kühe stehlende Außerirdische zu beschäftigen. Also ja, Daumen hoch, hat das Spiel gebraucht.
Weitere Änderungen: Gyorg aus dem Wassertempel ist auf einen Schlag deutlich weniger hassenswert und auch der Felsenturmboss wurde in eine gute Richtung geschraubt. Rubine lassen sich nun auf kürzestem Weg einlagern, der untere 3DS-Screen ist ein Traum in Sachen Inventarverwaltung und so manches Neben-Item musste seinen Stammplatz räumen.
Die Überarbeitung für den 3DS ist insoweit wichtig, wie es bei Ocarina of Time vor vier Jahren der Fall war, gleichwertig. Wenn da noch etwas vom ursprünglichen N64-Material drinsteckt, hat Nintendo alles Menschenmögliche getan, es fürs 3DS-Remake aufzuwerten. Beleuchtung, Oberflächen und Figuren sehen fabelhaft aus und es ist beachtlich, wie gut das Spiel mit seinen Sümpfen, Höhlen und Gebirgen hier und heute dasteht. In der Form ist es ein Spiel, das ein Blick als perfekt zum 3DS passend entlarvt, mit so weit ausgearbeiteten Details, wie es die Plattform zulässt.
Manchmal nimmt man sie nur am Rand wahr. Allein die vielen verschiedenen Antworten, wenn man die Leute unterschiedlich maskiert anspricht. Oder stellt euch mal vor ein zerstörtes Holzschild und spielt das Lied der Befreiung. Es sind solche Details, denen Termina seine bis heute ungebrochene Kraft schuldig ist, ebenso wie die immer disharmonischer und bedrohlicher eingefärbten Klänge in Unruhstadt, je näher Ende und Mond rücken.
Für mich lebt das Spiel besonders in diesen letzten fünf Minuten mit der tieftraurigen Musik, bevor alles aus ist. Bis man die Zeit für einen erneuten Anlauf zurückdreht, so oft man will, weil es das ist, wieso Zelda: Majora's Mask nun mal prima funktioniert.
In der Abfolge seines persönlichen Murmeltiertages wird Link zum Zora-Bandmitglied, mal zur Goronen-Rennwalze, zum Gespenst, Zirkusdirektor oder Postboten. Es sind diese Perspektivänderungen mit den daran hängenden Geschichten. Dank ihnen nimmt man die leider nur wenigen klassischen Tempel nicht als Manko wahr, sondern als Verlagerung des Blickwinkels auf eine der Serienformel eigenwillig folgende Episode. In den großen Momenten erzählt sie von Verlust, Trauer und Abschied und findet trotz aller Bestürzung immer wieder Zeit für ein Augenzwinkern. Majora's Mask, ein verwegen Stimmung machendes Spiel schon damals, heute auf dem 3DS in bestmöglicher Form, als sei es eigens dafür entwickelt.
Es gibt nicht viele andere, über die man das nach 15 Jahren so ehrlich sagen würde wie über Zeldas verdrehte, schwermütige Mondlandung. Schön, dass sie jetzt noch einmal für alle erlebbar ist.