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The Long Journey Home - Test

Mühsam ernährt sich das Weltraum-Eichhörnchen.

Spannendes Weltraum-Erforschungs-Roguelike mit großem Zufallsfaktor und hoher Einstiegshürde. Und auch auf lange Sicht ein harter Knochen.

Je häufiger die Menschheit in Computerspielen versucht, das Weltall zu erobern, desto öfter geht das schief, scheint es. Man könnte ja mal ein Science-Fiction-Universum schreiben, in dem wissenschaftlich ambitionierte Menschen den Sprung in ein neues Sonnensystem schaffen und dort erfolgreich eine neue Kolonie aufbauen, ganz ohne dass jemand stirbt. Aber das wäre natürlich nicht spannend - und auch nicht menschlich. The Long Journey Home ist das nächste Spiel, das euch zeigt, wie schwer das eigentlich so ist, im unendlichen All. Und wirklich: Raumfahrt hat sich selten so anspruchsvoll angefühlt. Mein Schiff ist so oft explodiert, meine Landungsfähren gegen Felsen geknallt, meine Crewmitglieder sind so oft an unbekannten Krankheiten gestorben, Alien-Rassen haben mich so oft über den Tisch gezogen. Dieses Weltall, das auf den ersten Blick wirkt wie ein schwarzes Vakuum, ist in Wirklichkeit voller gefährlicher Phänomene und Feinde. Und ihr mittendrin.

Die Mizzurani sind als Freunde eher ein Fluch denn ein Segen.

Zu Beginn sollte die Reise in eurem Raumschiff ja nur bis zum nächsten Sonnensystem und wieder zurückführen, aber natürlich geht alles schief und ihr findet euch am anderen Ende des Universums wieder. Erst mal sucht ihr euch aber eins von drei Raumschiffen und eine von drei Landefähren aus und stellt euch aus zehn verfügbaren Figuren eine Crew aus vieren zusammen. Jeder Charakter hat unterschiedliches Spezialwissen und verschiedene Fähigkeiten. Da gibt es den Typen, der gut reparieren kann, die medizinisch Versierte und die Bloggerin mit dem Notebook: Jeder Typus Mensch des 21. Jahrhunderts ist vertreten, lediglich der Durchschnittstyp ohne irgendwelche Talente fehlt. So ist das nun mal in der Raumfahrt. Zumindest im ersten Durchgang wisst ihr wohlgemerkt nicht, welche Figur euch welche Vorteile bringt. Ihr bekommt ein paar Beschreibungstexte, die tatsächliche Auswirkung auf die Spielmechanik bleibt aber verborgen. Auch wozu die Gegenstände, die sie mitbringen, gut sind, wisst ihr nicht. Antwort: Die können im späteren Spielverlauf in bestimmten Quests nützlich werden. Letzten Endes müsst ihr aber einfach ausprobieren, mit welcher Crew ihr am besten klarkommt.

Eben dieses Ausprobieren wird bei den ersten paar Anläufen unweigerlich dazu führen, dass ihr im Zentrum einer Sonne landet - oder, was wahrscheinlicher ist, schlichtweg treibstofflos im unendlichen All. Und das fühlt sich sehr frustrierend an - ein Gefühl, das nach meiner Erfahrung mindestens die ersten vier bis fünf Stunden des Spiels anhält. Das hängt auch damit zusammen, dass die Spielwelt zufallsgeneriert wird, um genau zu sein: Nach einem sogenannten Seed. Ihr könnt eine bis zu zehnstellige Kombination aus Buchstaben und Zahlen eingeben und erhaltet daraus dann ein Universum. In diesem Seed ist alles festgelegt: Wie groß das Universum ist, wie die Planeten verteilt sind, welche Alien-Rassen auftauchen, wo welche Quest ist und sogar wie das Wetter auf den einzelnen Planeten aussieht.

Hier bereitet sich mein Raumschiff gerade auf den Sprung in ein neues Sternensystem vor.

Das hat den Vorteil, dass ihr den Seed mit anderen Spielern teilen könnt. Ihr könntet also beispielsweise euren Nachbarn fragen, ob er die Galaxis YACHTHAFEN genauso gespielt hat wie ihr beziehungsweise ob er an der gleichen Stelle gescheitert ist. Dementsprechend könntet ihr dann Geschichten und Strategien austauschen. Nur: Beim Spielen von The Long Journey Home drängt sich zumindest ab und zu der Verdacht auf, dass es Situationen gibt, die einfach nicht lösbar sind. Manchmal bin ich mit letzten Treibstoffreserven in ein Sonnensystem gekommen und habe dort dann nur Piraten und lebensfeindliche Planeten vorgefunden. Im Grunde musste ich dann mehr oder weniger meinem Raumschiff beim Sterben zusehen.

Wenn ihr länger überleben wollt als ich bei meinen ersten Versuchen, müsst ihr erfolgreich auf Planeten landen. Dafür gibt's eine spezielle Landefähre. Und die müsst ihr in einer Art Lunar-Lander-Minispiel runterbringen. Entweder da, wo ihr Kontakt zu fremden Spezies aufnehmen könnt, wo es Gas gibt, um euren Treibstoff wieder aufzufüllen, wo es Metall gibt, um die beschädigte Raumschiffhülle wiederherzustellen, oder wo ihr Silikat findet - das wiederum braucht ihr für den Sprung von einem Sternsystem ins nächste. Das wäre ja alles okay, wäre dieses Minispiel nur nicht so unfassbar schwer zu lernen. Ihr habt eine Düse am Hintern eurer Fähre, eine am Kopf, hinzu kommen diverse Wetter- und Gravitationsbedingungen des Planeten. Und weil jedes Spiel zufallsgeneriert ist, kann es tatsächlich passieren, dass ihr mit eurer Fähre in Situationen geratet, die nahezu unbezwingbar sind. Es stürmt, die Gravitation ist hoch und eure Fähre liegt auf dem Dach wie eine Schildkröte auf dem Rücken. Irgendwann geht dann eben der Treibstoff aus oder ihr knallt beim 34. Startversuch gegen einen Felsen und die Hülle bricht zusammen.

Die Landung auf einem Planeten: Immer ein Gefummel.

Es ist schwer zu beschreiben, wie sich die Steuerung anfühlt. Letzten Endes kommt es sehr stark auf den Schwung an, den ihr nehmt, indem ihr eine der Düsen zündet. Nehmt ihr zu wenig Schwung oder im falschen Winkel, kracht ihr gegen einen Felsen, bevor ihr euer Ziel erreicht. Nehmt ihr zu viel, schießt ihr unter Umständen weit über euer Ziel hinaus und müsst dann wiederum gegensteuern, was zusätzlichen Treibstoff kostet. Aus eben diesem Grund gestaltet sich die Gewinnung von Treibstoffgasen besonders kompliziert. Denn diese müssen aus einer Art Geysir während des Flugs gewonnen werden. Ihr versucht also eure kleine Faire über dem Gasvorkommen in Balance zu halten und gleichzeitig das Gas selbst abzubauen. Und bei alldem müsst ihr auch noch im Blick behalten, genug Treibstoff zu behalten, dass ihr noch zurückkommen könnt. Schafft ihr das nicht, geht eure Landefähre in die ewigen Jagdgründe ein und wenn ihr Pech habt, mit ihr auch gleich der Pilot. Letzterer ist nicht ersetzbar, die Landefähre schon: Freundliche Helfer-Aliens bauen euch gern eine neue, mit dem beiläufigen Hinweis, im Gegenzug demnächst mal eure Heimatwelt auszubeuten. Na herzlichen Dank.

Weniger schlimm, aber doch ähnlich gelagert, ist die Spielphysik übrigens im Weltraumflug. Dort seht ihr euer Schiff in der Draufsicht als kleines Dreieck. Drückt ihr einen Button, gebt ihr Gas, drückt ihr den anderen, gibt's noch mehr Gas. Wollt ihr zurück - naja, dann müsst ihr erst mal den Kurs korrigieren, den ihr eingeschlagen habt und dann in die Gegenrichtung Gas geben. Diese Steuerung fühlt sich zwar sehr direkt an, am besten übrigens mit einem Gamepad. Aber auch hier spielt der Schwung, den ihr nehmt, eine große Rolle. Gerade am Anfang des Spiels ist es mir gerne einmal passiert, dass ich zu viel davon hatte und mich selbst aus dem Sonnensystem herauskatapultiert habe, mitten in irgendein Asteroidenfeld. Hinzu kommt, dass ihr bei der Navigation auch mit einberechnen müsst, dass Sterne und Planeten Schwerkraftfelder haben, die euren Kurs zusätzlich verändern. Wollt ihr nun, wie oben erwähnt, auf einem Planeten landen, müsst ihr in dessen Umlaufbahn einschwenken, was wieder nur in einem bestimmten Winkel und bei einer bestimmten Geschwindigkeit geht. Ist sie zu hoch, verlasst ihr den Orbit gleich wieder, ist sie zu niedrig, kracht ihr auf den Himmelskörper und euer Raumschiff nimmt Schaden.

In diesem Kampf hat mein Raumschiff nicht den Hauch einer Chance.

Das Spiel besteht allerdings nicht nur aus solchen Frustmomenten - es gibt auch Stellen, an denen ihr euch nichts mehr wünscht, als noch tiefer in dieses Universum einzutauchen. Da sind beispielsweise die Aliens. 15 verschiedene Völker gibt es, wobei ihr bei einem Durchgang immer nur einen Teil zu sehen bekommt. Mit diesen Aliens könnt ihr nicht nur handeln, sie geben euch teilweise auch Quests - so etwa das Vine-Kollektiv, eine Pflanzenrasse, die euch damit beauftragt, bestimmte Samen zu sammeln, die über die ganze Galaxie verstreut sind. Macht ihr das, gibt's eine Belohnung in Form von Rohstoffen oder bestimmten einzigartigen Relikten, die dann wieder in anderen Quests zum Einsatz kommen. Die Dialoge mit den Außerirdischen sind dabei recht amüsant geschrieben. So könnt ihr im Verlauf des Spiels beispielsweise auf ein Online-Bordell treffen, in dem ihr darauf hingewiesen werdet, dass „im Falle von postkoitalem Verzehr des Partners" eine Gebühr von 70 Credits fällig wird. Teilweise sind diese Alien-Rassen aber auch recht hinterhältig. In einem Durchgang gaben mit die Mizzurani als freundliches Geschenk einen Tank voller Treibstoff, aber nachdem meine Mechanikerin damit das Schiff betankt hatte, waren sie plötzlich sterbenskrank.

Wieder andere Alien-Rassen sind an einem Gespräch zwar interessiert, wollen aber moralisch Fragwürdiges von euch: Etwa, dass ihr mit ihnen Sklaven handelt. Wollt ihr das nicht, werden eben die Bordkanonen hochgefahren. Das Kampfsystem lässt dabei aber einiges zu wünschen übrig. Obwohl wir uns hier im dreidimensionalen Raum des Weltalls bewegen, guckt ihr wie im guten alten Pirates oder Star Control von oben auf ein 2D-Schlachtfeld und feuert mit eurem Raumschiff Breitseiten auf die Gegner - alles in Echtzeit. Selbst wenn ihr aus einer dieser Auseinandersetzungen siegreich hervorgeht, könnt ihr dabei mitunter so viel Schaden nehmen, dass ein Weiterspielen nahezu sinnlos ist. Und das gilt für alle Schwierigkeitsgrade, denn selbst einen Speicherpunkt anlegen dürft ihr in nicht. Auf dem leichtesten und im mittleren Schwierigkeitsgrad wird zwar ein Auto-Save angelegt, aber der liegt meistens kurz vor der Situation, in der euer Schiff dann wirklich explodiert. Kommt ihr also schwer verletzt aus so einem Kampf und geratet ihr ein paar Minuten später in einen weiteren, den ihr unmöglich gewinnen könnt, wird euch das Spiel immer wieder kurz vor der zweiten, tödlichen Auseinandersetzung absetzen. Also heißt es sterben und Spiel von vorn beginnen. Von einem Durchgang zum anderen könnt ihr dabei nichts mitnehmen - außer eure persönliche Erfahrung als Spieler natürlich.

An dieser Stelle im Spiel hat ein Crewmitglied die einmalige Chance, ein Alien-Bordell zu besuchen. Klingt komisch, ist es auch...

Wo es fiese Aliens gibt, gibt es natürlich auch die von ihnen errichteten Raumstationen. Dort könnt ihr neue Rohstoffe oder Upgrades für euer Raumschiff kaufen - etwa einen Hitzeschild, der eure Schadensanfälligkeit beim Erkunden von Lavaplaneten verringert, oder einen Antigrav-Generator, der die Steuerung der Landefähre erleichtert, wenn ein Planet eine besonders hohe Gravitation hat. Billig sind diese Upgrades aber allesamt nicht und galaktische Credits lassen sich nur relativ mühsam durch den Verkauf gefundener Relikte oder Rohstoffe erwirtschaften. Ein lang ersehntes Upgrade endlich in Besitz nehmen zu können, fühlt sich daher an wie eine echte Errungenschaft - mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Wollt ihr der Erde näherkommen, müsst ihr mit eurem Schiff durch Sprungtore fliegen. Diese wiederum werden jeweils von einer bestimmten Alien-Rasse kontrolliert, die einen Wegzoll für den Sprung ins nächste System verlangt. Der ist am Anfang durch den Verkauf von ein paar Rohstoffen noch einigermaßen bezahlbar, nimmt aber im Verlauf der Reise stark zu. Und: Sämtliche Preise hängen von eurem Ruf in der Galaxis ab. Es könnte also von Vorteil sein, sich nicht gerade mit den unbeliebtesten Aliens der Galaxis anzufreunden.

The Long Journey Home fühlt sich insgesamt an wie eine Achterbahnfahrt. Mal gelingt es euch, einen rohstoffreichen Planeten mit möglichst wenig Schaden an der Landefähre auszubeuten, ihr macht gute Geschäfte mit Aliens, findet Treibstoff, kommt voran. Und dann springt ihr plötzlich in ein System, in dem es nur unwirtliche Planeten gibt, von denen ihr schon im Orbit erfahrt, dass eine Landemission vermutlich tödlich ausgehen wird. Ihr könnt euch nie darauf verlassen, dass ihr gerade einen guten Lauf habt - schon der nächste Sprung in ein neues System, die nächste Begegnung mit einem Alien oder das nächste Asteroidenfeld können das Ende eurer Mission bedeuten. The Long Journey Home ist ein aufregendes Abenteuer - aber es ist eben nicht immer fair und es ist sehr zufallsabhängig. Wer sich eine nette Kreuzfahrt durchs Weltall wünscht, wird mit dem Spiel nicht glücklich. Wer aber eine Herausforderung sucht und sich für sehr, sehr frustresistent hält - das Spiel zeigt euch hier die Wahrheit! -, wird begeistert sein.

Entwickler/Publisher: Daedalic Studio West/Daedalic Entertainment - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: etwa 40 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein

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Markus Grundmann Avatar
Markus Grundmann: Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

The Long Journey Home

PS4, Xbox One, PC

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