The Lost Chronicles of Zerzura - Test
Uncharted, Das Adventure - Renaissance Edition
Historische Romane sind eine große Sache. Ob nun die Säulen der Erde oder Die Dritte Schwester der Rückkehrenden Wanderhure, die Mischung aus mal mehr, mal weniger detailliert recherchierter Geschichts-Periode, mal mit komplett fiktionalen, mal mit realen Personen belebten Szenen und Geschichten verkaufen sich wie geschnitten Brot und das konstant. Warum eigentlich nimmt sich das Adventure-Genre dieser Thematik nicht häufiger an? Es ist prädestiniert dafür, kann sich noch mehr Zeit für historische Bezüge und für Charakterentwicklungen nehmen, als selbst ein Assassin's Creed sich gönnt. Warum also gab es so etwas bisher doch recht selten? Das ist die Frage, die ich mir nach The Lost Chronicles of Zerzura ernsthaft stellte.
Cranberry Studios, bisher durch Black Mirror 2 und 3 positiv aufgefallen, zeigt hier mit überzeugender Kompetenz, dass dieses Genre und Adventures eine wundervolle Ehe eingehen können und diese Form der interaktiven Fiktion mindestens genausogut funktioniert wie all die meist lustigen Fantasie-Welten, die unter den Adventures mit solcher Dominanz regieren. So gut ein Deponia, ein Next Big Thing oder sogar ein Edna sein mag, alle paar Adventures verlangt es zumindest mir nach realen Bezügen. Glaubwürdigen Figuren. Einer guten Geschichte, die nicht das ausschließlich Fantastische schon in die Grundprämisse verbaut hat. Und Zerzura liefert.
Die Renaissance ist eine der oder vielleicht sogar die spannendste Phase der Entwicklung der Menschheit, eben weil hier unglaubliche Entwicklungen vor sich gehen. Die Wissenschaft beginnt alle, aber auch wirklich alle Bereiche des menschlichen Lebens zu verändern. Sie greift die alten, absoluten Mächte des Glaubens und der Kirche an, indem sie neue Möglichkeiten und Wege aufzeigt, die nicht mit dem Satz "Weil der Herr es so will." enden. Und wie die Kirche auf diesen Angriff reagiert, ist bekannt. Die Inquisition beendet alles, was nicht gottesfürchtig ist oder auch nur vage so aussieht oder dessen Gesicht ihr nicht passt, schnell im komfortablen Sessel. Und sie hat keine Probleme die weichen Kissen vorzuholen.
Ein Held, der seiner Leidenschaft von Wissenschaft und Erfindungen frönt, insbesondere des Fliegens, ist natürlich prädestiniert, in diesen Konflikt zu geraten. Schnell findet ihr und euer jugendlicher Held euch auf einem spannenden und durch viele verschiedene Orte immer reizvollen Renaissance-Indy-Uncharted-Trip von Barcelona nach Malta über Tripolis in eine mystische Wüstenstadt. Die Umgebungen bestechen durch hinreißend schöne und detaillierte Hintergründe, so wie die Figuren und Objekte daraus hervorstechen. Nur eben nicht so hinreißend. Das bekommen die recht simplen, mit viel zu wenigen Gesichtsdetails für echte Mimik ausgestatteten Figuren nicht hin. Man kann sich daran stoßen und sollte es auch. Was in einer Comic-Umgebung noch durchgegangen wäre, sollte hier schöner sein, damit das Bild aus einem Guss wirkt. Kein tödlicher Malus hier, aber sicher ein Gedanke für kommende Cranberry-Spiele.
Es fällt auf dieser Reise auf, dass sowohl der Weg mit all seinen Hindernissen - in den Fängen der Inquisition, gestrandet, als Sklave und auch mal im Kerker - als auch die Rätsel sich weitestgehend natürlich integrieren. Es gibt ein paar Stellen, wenn mal wieder Gegenstände für eine Konstruktion benötigt werden, wo die Beschaffung dieser etwas aufgesetzt wirkt. Sie sind jedoch deutlich in der Minderheit und die Logik, mit der sich sowohl die Probleme ergeben, als auch die ihrer Lösung, besticht.
Das Problem dabei könnte sein, dass sich Experten, die es gewohnt sind, um acht Ecken bei einem Adventure zu denken, unterfordert finden. Zerzura ist ein sehr komfortables Spiel, bietet bei den - erstaunlich unterhaltsamen - Mini-Games eine Notfall-Skip-Funktion und sogar an ein Tipp-Handbuch in Form eines Almanachs wurde gedacht, ähnlich Drakes allgegenwärtigem Büchlein oder Indys Journal. Dazu sind die Rätsel wie Perlen an einer Schnur aufgereiht. Man weiß, wo man weiterkommen muss, nur erhaltet ihr häufig Gegenstände, die man erst für spätere Passagen benötigt. Die Logik, mit der der Held sie einsackt, ohne zu wissen warum, kann euch als Spieler mitunter im Angesicht des gut gefüllten, in der aktuellen Situation aber eher überfrachteten Inventars verwirren. Trotzdem, der meist situationskonsistente Ansatz der Rätsel überzeugt am Ende.
Nur die Spieldauer könnte, wie bei vielen Adventures der letzten Zeit, etwas höher sein. Ihr könnt hier zwar sogar sterben, aber nicht annähernd so schnell wie damals bei Sierra und die lange Vorwarnzeit sollte ihn der Regel reichen. Wer halbwegs routiniert an so ein Spiel herangeht, kann es durchaus noch am ersten langen oder dann dem zweiten Abend beenden. Ich jedoch als weniger versierter Adventurist brauchte länger und gerade richtige Einsteiger werden hier perfekt bedient. Alles eine Frage der Zielgruppe, der ihr euch zugehörig fühlt.
Ein Adventure für mich, möchte ich sagen. Jemand, der der Comic-Fantasie-Flut im Genre etwas müde wurde. Der persönlich mehr Gefallen an einem - natürlich wie auch Zerzura nicht ganz ohne mystische Elemente auskommenden - Gray Matter oder den letzten Black Mirrors fand. Zerzuras stimmige, überzeugende Historien-Abenteuer-Geschichte entführt in eine spannende Vergangenheit und liefert in diesem Konzept schlüssige, unterhaltsame Rätsel ab. Genau die Mischung, die ich für ein paar fantastische Adventure-Abende benötigte. Seid ihr auf der Suche nach Humor und Schrägheit, haltet euch an die Deponias dieser Welt, sie sind klasse. Zerzura jedoch bietet mit seinem unverbrauchtem Setting genau die Art von ernsthafterem Abenteuer, die ich als Abwechslung gerne häufiger sehen würde. Ein inspirierter, stimmungsvoller, handwerklich tadelloser Ausflug in das etwas unterrepräsentierte Subgenre des "historisch angelehnten" Adventures.