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The Mighty Quest For Epic Loot ist mehr als nur "Diablo Keeper"

Meine Feierabende verfliegen Verließ-tüftelnd und Monster-metzelnd in der geschlossenen Beta.

Seit zwei Wochen verwandle ich mich jeden Abend in einen tüftelnden Wile E. Coyote, nur dass mein "Roadrunner" als schwertschwingender Ritter daherkommt: Ok, der Held läuft hier in den Sichtradius meines Kanonenfutter-Snotters, dann zieht ihn der 'Hungerbot' mit seinem Enterhaken auf die Katapult-Plattform, während die Armbrustschützen draufhalten. Sobald der Typ landet, steht der zweite Hungerbot bereit und zieht ihn ins tödliche Minenfeld, wo noch mehr Schützen warten. Falls er das überlebt, bekommt es der Held im nächsten Raum mit heilenden Hexendoktoren zu tun, die von zähen Defend-o-trons mit Schutzschilden bewacht werden. Jetzt hier noch ein paar Zombie-Derps, um ihn in die Sackgasse mit dem verlangsamenden Teer-Minenfeld zu locken. Dort noch eine Handvoll Zyklopen hin. Muaharharhar - der schafft den Endgegner nie rechtzeitig, bevor die Uhr abgelaufen ist und meine Schatzkisten dichtmachen.

Auf dem Papier klang Ubisofts 'The Mighty Quest For Epic Loot' schon mal nicht übel. Halb "Diablo Light", halb "Dungeon Keeper Light", free-to-play und selbstironisch obendrein? Nette Idee. Doch nach zwei Wochen in der geschlossenen Beta muss ich zugeben, dass ich den Titel unterschätzt habe. 'TMQFEL', wie ich den Bandwurm-Titel abkürzen möchte, ist mehr als die Summe seiner Teile.

Wer ist als nächstes dran? Die Burgen eurer Nachbarn wechseln zufällig.

Wäre da nur der Hack&Slay-Angriffsmodus, würde ich abwinken. Alles sehr sehr simpel gestrickt. Als Helden wählt ihr aus dem üblichen Fantasy-Trio: Knight, Archer und Mage. Der Ritter ist im Nahkampf ein Ass, der Jäger mit seinem Greifvogel auf Distanz gepolt, der Zauberer dezimiert Gegnergruppen in Sekunden, überlebt aber nur wenige Treffer.

Kleiner Einschub: Den Zauberer gibt es aktuell nur für Spieler, die sich das "Legit Fan Pack" für 40 Euro oder das "High Roller Pack" für 100 Euro gekauft haben. Wer einfach nur so in die Beta möchte, kann sich auf der offiziellen Seite registrieren oder an Wettbewerben teilnehmen und erhält mit Glück eine Einladung. Oder man kauft das "Chunk of Change Pack" für 10 Euro und ist gleich drin. Ja, ich weiß: Ubisoft, free-to-play, Geldgier und so. Aber in diesem Fall ist das Geschäftsmodell ausgesprochen fair geraten. Ich komme gleich nochmals drauf zu sprechen.

Doch zurück zum Angriffsmodus: Mit eurem Helden versucht ihr nun, innerhalb eines Zeitlimits, zum Herzen des jeweiligen Dungeons vorzudringen, den ihr vorher in einer zufällig zusammengewürfelten Übersicht eurer Nachbarschaft aufs Korn genommen habt. Dort schweben die Schlösser der anderen Spieler und warten auf euren Besuch, eine Handvoll Dungeons der Designer ist auch dabei, sowie ein Boss-Schloss, das den Abschluss des jeweiligen Gebiets markiert und erst ab einer bestimmten Heldenstufe geknackt werden kann. Jeder Held ist alleine unterwegs - Koop gibt es nicht.

Dino gebrutzelt: Der Endboss ist für einen hochstufigen Magier kein Problem.

Frohes Plündern unter Nachbarn

In den Dungeons meuchelt ihr, wie gewohnt, Hunderte Monster, überwindet Fallen, besiegt vielleicht einen Endgegner und dürft dann die Gold- und Lebens-Kristalle aus den Schatzkisten des Burgbesitzers klauen - 20 Prozent seiner Reichtümer. Schafft ihr es nicht vor Ablauf des Timers, bleiben die Truhen verschlossen und ihr müsst euch mit dem Loot der Monster begnügen, das immerhin zufällig verteilt wird. Bonuspunkte gibt es für den sparsamen Einsatz von Heiltränken. Segnet ihr das Zeitliche, klappen die Kisten ebenfalls zu - ihr dürft euch zwar gegen einen Obolus wiederbeleben, doch die Schätze erbeutet ihr nicht mehr.

Gesteuert wird das Ganze wie Diablo mit Maus und Tastatur, doch ist der Angriffs-Part weit weniger komplex. Maximal vier Skills dürft ihr gleichzeitig aus eurem dreigeteilten Fertigkeitsbaum ausrüsten (drei Zahlentasten und rechte Maustaste). Ein Heiltrank liegt automatisch auf 'Q', Manatränke gibt es nicht. Ihr dürft weder Punkte auf eure Statuswerte oder eure Fähigkeiten verteilen - passiert alles automatisch beim Stufenanstieg. Allein die Ausrüstung erlaubt euch ein Mindestmaß an Anpassung, ansonsten gebt ihr die Richtung eurer Klasse über die aktiven Skills vor.

Die vermeintlich fehlende Komplexität entpuppt sich als gelungenes Gamedesign, sobald man den Verteidigungsmodus hinzunimmt. Hier platziert ihr fertige Dungeon-Bausteine aneinander und könnt stundenlang über der optimalen Kombination aus Monstern, Fallen und Irrwegen tüfteln. Hätten die Designer den Helden mehr Fähigkeiten spendiert, würde das Balancing zum Albtraum. Schließlich soll mein Dungeon jedem Gegner etwas entgegensetzen können.

Die vermeintlich fehlende Komplexität entpuppt sich als gelungenes Gamedesign, sobald man den Verteidigungsmodus hinzunimmt.

Räume, Monster und Fallen wollen überlegt aufeinander abgestimmt sein.

Monster, Fallen und eine Tüte Chips fürs Replay

Das Verließ ist nicht nur zur Verteidigung eurer Schätze gedacht. Hier schaufeln Minen konstant frisches Gold und Lebens-Kristalle heran. Hier erhöht ihr die Stufe eures Recken, braut Heiltränke beim Alchimisten und kauft neue Ausrüstung beim Schmied. Im Forschungslabor wertet ihr Monster oder Fallen auf und wählt die Spezialmanöver eurer Untergebenen. Mehr Räume dürft ihr bauen, sobald ihr den Architektenschreibtisch verbessert. Die Anzahl eurer Monster wird über ihren summierten Verteidigungswert bestimmt, der von der Stufe eures Monsterportals abhängt - entweder bevölkert ihr den Dungeon mit Kleinvieh oder ihr packt ein paar richtig dicke Brocken rein. Was grad nicht gebraucht wird, landet im Lager für den späteren Einsatz. Ein Testmodus, mit dem ihr eure Kreation selbst ausprobieren könnt, macht den Dungeon-Editor komplett.

Doch was passiert, wenn ein Held der Stufe 20 meinen Dungeon der Stufe 5 heimsucht? Ubisoft hat das recht geschickt gelöst. Das globale Ranking wird über die Anzahl erspielter "Kronen" bestimmt. Nur wenn ich Burgen angreife, die nicht mehr als eine Stufe unter der meines Helden sind, verdiene ich welche. Werde ich getötet, gehen die Kronen an den Burgbesitzer. Ist sein Verließ weit unter meinem Level, kann ich nur Kronen verlieren, aber nicht gewinnen. Will ich ihn trotzdem für Gold und Lebens-Kristalle überfallen, wird sein Dungeon danach für ein paar Stunden durch einen Schild geschützt und die Truhen lassen sich nicht ausrauben - an der exakten Dauer feilen die Entwickler noch.

Sehr viel Spaß steckt im Herausforderungs-Feature, durch das ich mit Freunden darum wetten kann, bestimmte Dungeons schneller zu meistern als sie. Mein persönliches Highlight ist freilich die Replay-Funktion: Da darf ich mir die Angriffe anderer Spieler auf meine Burg ansehen und kann deren Vorgehen analysieren. Einmal brauchte ein Kollege sagenhafte 17 Minuten für meinen 4-minütigen-Dungeon. Saukomisch. Das Replay schau ich mir gelegentlich mit einer Tüte Chips und Benny-Hill-Hintergrundmucke an.

Das Replay schau ich mir gelegentlich mit einer Tüte Chips und Benny-Hill-Hintergrundmucke an.

Es geht doch nichts über ein paar Replays zur Unterhaltung.

Geld gegen Zeit - ein fairer Tausch

Das Geschäftsmodell hinter TMQFEL fällt unter die Kategorie "pay-to-save-time". Das Aufwerten meines Dungeon-Herzens, meiner Minen oder meines Monsterportals dauert schnell mal zwölf Stunden aufwärts. Das lässt sich durch so genannte "Blings" abkürzen (500 kosten derzeit 5 Euro). Bessere Ausrüstung beim Schmied, schlagkräftige Zwischenbosse im Monsterportal oder Tränke beim Alchimisten kosten viele Goldmünzen - oder ein paar Einheiten Echtgeldwährung. Die beste Ausrüstung lassen übrigens nur Monster fallen - bevor jetzt jemand "pay-to-win" hustet. Zusätzliche Inventarplätze gefällig? Gibt's auch für Blings. Boni auf Lootqualität oder eure Gold- und Lebenskristallausbeute? Mit Echtgeld kein Problem. Was in diversen Browserspielen funktioniert, dürfte auch in The Mighty Quest einige Ungeduldige locken.

Dennoch finde ich das System fair. Wenn ich mein Portemonnaie nicht zur Hand nehmen will, warte ich einfach ein bisschen länger bis zur Fertigstellung meiner Einrichtung. Oder ich überfalle ein paar Dungeons, bis ich den Gegenwert für die begehrten Monster und Items in Gold gesammelt habe. Außerdem verdient man automatisch ein paar Blings, wenn man dem Weg des Helden durch die einzelnen Gebiete folgt.

Trotz geschlossener Beta ist TMQFEL schon erfreulich ausgereift. Die Serverstabilität empfand ich als tadellos, die Gegner-KI ist zweckmäßig aber funktioniert, Exploits und Bugs werden zügig aufgedeckt und ausgemerzt. Optisch passt der Cartoon-Stil wie die Faust aufs Auge. Die Ermittlung der Stufe meiner Burg finde ich zwar diskussionswürdig, habe mich aber damit arrangiert (es zählt die Stufe meiner einmal platzierten Monster und Fallen, auch wenn diese danach im Lager verschwinden). Ein Faktor, den sich die Entwickler wahrscheinlich in Zukunft noch vornehmen, sind die aktuell beliebten "Derp-Farmen". Hier bevölkern Spieler ihre Verließe absichtlich mit Schaaren einfach zu erlegender Zombies, damit die Kollegen Erfahrung, Gold und Kristalle grinden können. Aber wie gesagt - noch ist das Spiel in der Betaphase. Einen Wipe soll es laut eines Posts des Community-Managers im Forum übrigens nicht mehr geben.

Wer hätte gedacht, dass sich Ubisoft eines Tages zum Freund der Kerkertüftler mausern würde? Wann Questmania erscheint, steht noch in den Sternen, doch 'The Mighty Quest For Epic Loot' setzt die Messlate im eigenen Haus schon jetzt verdammt hoch. Durch die genau richtig dosierte Komplexität des Diablo- und Dungeon-Keeper-Parts und des Ranking-Systems wird ein unwiderstehlicher Sog erzeugt. Aus einem "Ich schau nur kurz mal rein, um meine Minen zu leeren und ein paar Replays anzugucken" wird schnell ein "WTF?! Schon drei Uhr morgens?" Die Entwickler haben die beiden Spielbestandteile hervorragend aufeinander abgestimmt und durch ein sinniges Free-to-play-Modell ergänzt. Zwar wird während der Beta noch die ein oder andere Macke zu beseitigen sein, doch schon jetzt hat sich der Titel einen festen Platz auf meinem Desktop gesichert.

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Frank Erik Walter Avatar
Frank Erik Walter: Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.
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