The Order 1886: Creative Director verteidigt 30 FPS als stilistische Entscheidung
"Wir sprechen zu viel darüber, was theoretisch alles toll wäre."
Ready at Dawn hat im vergangenen Mai Puristengemüter hochkochen lassen, als Entwickler Dana Jan im Interview mit Kotaku die 30 fps, mit denen das Spiel läuft, als bewusste Entscheidung für einen filmischeren Look beschrieb. Unter anderem bezeichnete Oculus' Palmer Luckey 30 FPS als "ein Versagen".
Jans Kollege Ru Weerasuriyan, Creative Director und Gründungsmitglied von Ready at Dawn, hat nun im Gespräch mit Eurogamer.de den Schritt zu 30 FPS als stilistische Entscheidung verteidigt, wenngleich mit einer entscheidenden Einschränkung.
Also, wäre es nicht besser gewesen, von vorneherein zu sagen, "30 FPS sind alles, was aus der Hardware in dieser - durchaus beachtlichen - Qualität herauszuholen ist"?
"Nein", und Weerasuriyan muss für die Antwort nicht eine Sekunde nachdenken. "Ein einfaches Beispiel. Hinter allem, was wir machen, steckt ein Sinn. Man muss verstehen, warum 30 FPS wichtig sind. Es ist eine Frage der Reaktionszeit, nicht? Die Leute haben sehr viel darüber nachgedacht. Die Frage ist willst du wirklich darum kämpfen, es in 60 FPS laufen zu lassen, weil du diese schnelle Reaktionszeit brauchst?"
Und hier liegt der Hund begraben, im "Kampf", der nötig wäre, um die 60 FPS zu realisieren.
"Wenn es ein Prügelspiel ist, absolut. Wenn ich Street Fighter machen würde, würde ich auf 60 FPS pochen, dann will ich, dass meine Reaktionszeit so schnell ist [schnippt mehrfach mit dem Finger]."
Er gibt aber zu bedenken, dass diese absolute Notwendigkeit nicht für alle Spiele gleichermaßen gelte.
"Einige Spiele brauchen das nicht. Muss die grafische Qualität einen bestimmten Level haben? Auf jeden Fall. Brauchen wir 60 FPS? Um ehrlich zu sein, ich würde dieses Spiel nicht mit 60 FPS laufen lassen wollen."
Er bringt das Beispiel eines toll fotografierten Films mit aktiviertem Motion Flow bestimmter Fernseher, There will be Blood.
"Das sieht mies aus. Also gehst du zu dem zurück, was funktioniert. Für uns ist es dasselbe. Du musst für dein Erlebnis die richtige Entscheidung treffen. Ich sage nicht, dass 60 FPS für das richtige Spiel nicht sinnvoll sind. Aber es muss das richtige Spiel sein."
Auch wenn der Vergleich hinkt, denn (häufig schludrig) interpolierte Bildausgabe mit mehreren generierten Einzelbildern gleichzusetzen, ist ein bisschen gefährlich. Niemand wird ein Spiel mit 60 FPS optisch als schlechter empfinden als ein 30-FPS-Werk. Wenn man The Order aber einmal gespielt hat, bekommt man eine Ahnung davon, was er meint: Mit seinen verschiedenen Kameralinsen, die sich vor die Szene legen, seiner betont warmen Farbpalette und seiner schummrigen Ausleuchtung hat es einen ganz bestimmten, richtiggehend analogen Look, der dem eines klassisch entstandenen Films tatsächlich nahekommt.
Aber findet er nicht dennoch, dass sich 60 FPS einfach besser, fließender anfühlen?
"Ja, aber es komm auf die Mechanik an. Was willst du erreichen? Wenn die Mechanik 60 FPS erfordert, bin ich der erste, der dafür ist."
Hier muss ich ihm ein weiteres Mal zustimmen, nachdem ich The Order mittlerweile länger gespielt habe: Dieses Spiel braucht die 60 FPS nicht unbedingt. Dennoch finde ich es schwer zu glauben, dass er die 60 Bilder pro Sekunde nicht nehmen würde, wenn er sie bekommen könnte?
"Ja, aber auch hier gilt," antwortet er, "dafür müssten wir etwas anderes opfern. "
Aber theoretisch...
"Ja, richtig, absolut. 'Theoretisch'. Aber die Welt der Spieleentwicklung ist eine praktische. Das Problem ist, dass wir zu viel darüber sprechen, was theoretisch alles toll wäre. Natürlich wäre es in der Theorie toll, all das möglich zu machen. Aber die Realität im Gaming ist, dass man harte Entscheidungen treffen muss, um das Erlebnis richtig hinzubekommen."
"Oft wird die Stimme der harten Entscheidungen zugunsten der Theorie und Utopie abgetan", findet Weerasuriya. "Die Leute sagen, 'es sollte aber 60 FPS sein'. Wir könnten sagen, 'ok, machen wir, was bist du dafür bereit, zu opfern?'. Und dann sagen die Leute, 'nun, nicht für diese Art von Spiel, da ist mir dieses oder jenes lieber'."
"Ich will 60 FPS für die Spiele, in denen es darauf ankommt. Aber - und ich spiele schon mein ganzes Leben - als Gamer könnte es bei bestimmten Spielen egaler nicht sein, ob sie nun in 30 oder 60 FPS laufen. Ich will nur, dass sie ein gutes Erlebnis sind."
Wir betreten hier definitiv Grundsatz-Territorium, wenn wir uns - und ihm - die Frage stellen, ob die 30 FPS also tatsächlich eine stilistische Entscheidung sind und nicht durch technische Limitationen zustande kommen. In gewissem Sinne hat Weerasuriya Recht: Er und seine Leute entschieden sich dafür, eines der nach allen Konsolenmaßstäben bestaussehendsten Spiele zu entwickeln, eines, das dem Aussehen eines Films tatsächlich nahe kommt.
Das wurde erst durch die Entscheidung für 30 FPS möglich, denn ein schneller laufendes Spiel hätte Einschnitte am Look erfordert, die tatsächlich ein Spiel mit vollkommen anderem stilistischen Charakter zur Folge gehabt hätte.
Erwartet unseren Test zu The Order 1886 gegen Ende der Woche.