The Outlast Trials im Test: Funktioniert gerade im Koop besser als ich gedacht hätte!
Ich sehe was, was du nicht siehst.
Gerade noch mal gutgegangen! Einer dieser mordlustigen Psychopaten wollte partout nicht lockerlassen und hat mich ein paar Räume weit verfolgt. Erst jetzt poltert er schnaufend wieder zurück. Und was für ein Glück: Wartet hier doch tatsächlich einer meiner Koop-Kumpel auf mich. Sagt zwar nicht Hallo, aber… sticht mir stattdessen dreimal ein Messer in den Bauch? Was zum Henker?!
Nein, The Outlast Trials ist kein subtiler Horror, der mit der Angst vor Fratzen oder gar auf der Klaviatur des psychologischen Dramas spielt. Stattdessen rumpeln kaputte Chaoten durch die Gänge einer Schule, einer Kirche, einer Polizeiwache und anderer Umgebungen – bis zum Durchdrehen zerstörte Typen, die nur ein Ziel haben: Kandidaten wie mich davon abzuhalten unsere makabren Ziele zu erreichen.
Denn als Gefangene in einem dreckigen Zellblock werden wir, alleine oder bis zu viert, in einer riesigen Einrichtung auf Missionen geschickt, um irgendeinen armen Schlucker auf dem elektrischen Stuhl hinzurichten, in einen Häcksler zu werfen oder ihm die Beine zu zersägen. Dafür wird man in riesige überdachte Areale gefahren, in denen ganze Häuser aufgebaut sind – von Scheinwerfern beleuchtet, die sich im nebligen Dunst auflösen, bevor sie die Decke erreichen.
Mannequins stehen dort herum und stellen mal alltägliche, mal abscheuliche Situationen dar. Manche fahren blutverschmiert auf Schienen umher, andere bewegen ein Messer ständig auf und ab, um es vor die abgetrennten Köpfe anderer Puppenkörper in einen Tisch zu rammen. Und hinter dicken Fenstern sieht man, wie die Erschaffer dieser grausigen Ambiente Notizen zu ihrem ebenso aufwändigen wie grotesken Spießroutenlauf machen.
Ich weiß nicht genau, warum die durchgeknallten Psychopaten in diesen Versuchsanordnungen mir nach dem Leben trachten. Klar ist nur, dass man ungesehen und ungehört bleiben sollte. Glasscherben verraten die eigene Position ja genauso wie von der Decke hängende Blechdosen oder einfach nur schnelles Laufen…
… was aber spätestens dann angesagt ist, wenn man doch mal entdeckt wird und einer der wütenden Wächter zum Sprint ansetzt. Leisemachen ist in solchen Augenblicken nicht mehr. Wichtig ist dann nur, dass man ein paar Ecken an Vorsprung gewinnt.
Klasse sind Momente, in denen man eine verschlossene Tür erreicht und sie erst dreimal treten muss, bevor sie im letzten Augenblick hoffentlich doch noch aufspringt. Vielleicht findet man danach in einem Wandschrank ein Versteck. Und hoffentlich schaut der Verfolger nicht darin nach.
The Outlast Trials ist rasanter als seine Vorgänger und auch deutlich schneller als das spielerisch verwandte Alien: Isolation. Langes Verstecken bringt ja wenig, ausführliches Planen schon gar nicht. Viele Widersacher tauchen so unverhofft auf und bewegen sich dermaßen flott, dass das Versteckspiel einen ungewöhnlich hohen Anteil an Reaktionsvermögen verlangt. Und gerade das macht es so aufregend.
Denn anders als in Stealth-Action, wie man sie sonst kennt, kann man sich die Gegner nicht zurechtlegen. Sie lassen sich nicht ausknocken oder gar töten. Man kann ein Areal nicht säubern, um irgendwann in aller Seelenruhe zu looten. Hin und wieder schicken die Versuchsleiter sogar zusätzliche Patrouillen durch sonst versperrte Türen.
Ja, obwohl The Outlast Trials thematisch klar im Horror verortet ist, handelt es sich auf spielerischer Ebene um waschechte Stealth-Action. Immerhin versteckt man sich nicht nur in Schränken, sondern auch unter Betten sowie in Kisten oder Fässern, falls das nicht schon jemand anderes tut und bissig attackiert, sobald man ihm zu nahe kommt. Man schleicht um Kisten oder Pfeiler herum, von wo aus man vorsichtig um die Ecke lugt, um zu sehen, wann die Luft rein ist, wirft Flaschen, um Gegner abzulenken, ist im Schatten nahezu unsichtbar und den patrouillierenden Psychopaten zumindest körperlich haushoch unterlegen.
Deshalb und weil sich eine Situationen von einer Sekunde auf die nächste ändern kann, muss man ständig auf der Hut sein und umgehend auf neue Situationen reagieren. Vieles ist natürlich trotzdem vorhersehbar und dass vor allem starke Gegner ständig in unmittelbarer Nähe umherlaufen, lässt das spielerische Umfeld auf eine Art gesteuert erscheinen, die mit der erzählerischen Versuchsanordnung nichts zu tun hat. Alles in allem ist das hier aber sehr feine Stealth-Action auf, wenn auch auf Drogen. Und zu denen habe ich ohnehin noch mehr zu sagen.
Zunächst aber mal der Einordnung wegen: Es handelt sich um die Vorgeschichte der bisherigen zwei Outlast-Teile. Warum es das perverse Mäuselabyrinth gegen Ende der Fünfzigerjahre hier gibt, erfährt man aus Akten, die man im „Einsatz“ sammelt und somit Stück für Stück zu einem Puzzle zusammenlegt. Erwartet nur keine starke Geschichte. The Outlast Trials ist so sehr auf das hauptsächlich kooperative, wiederholte Abgrasen der immer gleichen Versuche getrimmt, dass sich Schleich- und Horrorfans mit reinem Solo-Fokus schlecht aufgehoben fühlen dürften.
Dafür sorgt auch die geringe Anzahl an Schauplätzen und der letztlich durchgehend gleiche Ablauf. Ob man an einem bekannten Ort lediglich andere Aufgaben erfüllt, bevor die Versuchsbeobachter den Rückweg öffnen, oder man mit stärkeren Gegnern oder zusätzlichen Fallen nun erschwerte Bedingungen vorfindet… Wiederholung steht hier eben klar im Vordergrund, unter anderem übrigens in Form wöchentlicher Herausforderungen.
Nun rennt man zumindest nicht zum Selbstzweck in diesem Mausrad, schließlich erhält man nach jeder abgeschlossenen Herausforderung Erfahrungspunkte, mit denen man Ausrüstung und Fähigkeiten erweitert. Das dauert eine Weile, ist aber durchaus motivierend – auch weil man dadurch Werkzeuge erhält, mit denen man Gegner kurzzeitig betäubt, sich heilt oder durch Wände schaut. Praktisch sind nicht zuletzt später hinzukommende passive Fertigkeiten, mit denen man zum Beispiel vier statt drei Objekte tragen kann.
Denn auch das unterscheidet The Outlast Trials von herkömmlicher Stealth-Action: Man schultert keinen riesigen Rucksack, der schon bald mit mächtigen Werkzeugen vollgeladen ist. Stattdessen gibt es zwar wenig mehr als die erwähnten „Wurfflaschen“ zur Ablenkungen sowie Heilmittel und Batterien für den stromfressenden Restlichtverstärker – das alles findet man aber recht häufig. So entsteht ein sehr direkter Spielfluss, bei dem man sich immer auf die aktuelle Situation einstellt, anstatt mit einer Vielzahl an Gadgets lange im Voraus zu planen.
Wobei man es nicht nur mit der Umgebung, sondern auch mit sich selbst zu tun bekommt, falls man ein Gas einatmet, das sowohl visuelle als auch akustische Halluzinationen auslöst. Im einfachsten Fall stören die „nur“ das wichtige Sehen und Hören. Im schlimmsten Fall entwickelt man dadurch eine ausgewachsene Psychose, bei der man sich von einer Kreatur verfolgt fühlt und durch diesen Skinner Man auch Schaden nehmen kann.
Was man dagegen tun kann? Am besten rennt man zu einem Gegenmittel, um den Spuk zu beenden, und dass einem die Wachen in dieser Zeit nichts anhaben können, gefällt mir gar nicht. Stattdessen spielt der verwirrte Geisteszustand seine Stärken hauptsächlich beim kooperativen Einsatz aus, wo auch die Stimmen der Mitstreiter verzerrt werden, sodass man sie nur schwer versteht.
Vor allem aber nehmen die Halluzinationen noch ganz andere Formen an – wie eingangs beschrieben etwa die eines Begleiters, von dem man dann überraschend attackiert und tatsächlich verwundet werden kann, bevor man irgendwann endlich den tatsächlichen, von oben bis unten mit Blut beschmierten Kameraden wieder trifft. Ich mag dieses verdichtete, rasante, intensive Chaos! Zumal man es zu zweit, zu dritt und vor allem zu viert auch mit entsprechend mehr Fallen und Feinden zu tun bekommt.
Dann hilft es zudem, wenn ein Kumpel die Wachen ablenkt oder in eine Falle lockt, während man mit einem Minispiel den Generator startet oder in (!) einer Leiche nach dem gesuchten Schlüssel wühlt. Außerdem gibt es im Multiplayer Türen, die man gemeinsam aufstoßen muss. Und falls es die Gruppe nach getaner Arbeit zurück in ihren Zellblock schafft, investieren alle das dabei verdiente Geld in zusätzliche Poster oder Tapeten für ihre Zimmer oder kaufen sich neue Klamotten. Und treffen sich anschließend im Gemeinschaftsraum zu einer Runde Armdrücken oder Schach.
The Outlast Trials im Test – Fazit
Wie gesagt: Von subtilem Horror ist The Outlast Trials weit entfernt. Es definiert sich nicht über seinen Feinsinn, sondern das häufige Erschrecken und die kontinuierliche Anspannung in ständig veränderlichen Situationen. Nun ist die krasse Gewalt vieler Szenen ehrlich gesagt nicht mein Fall. Als ich einem Opfer die Beine zersägen musste, habe ich sogar weggeschaut. Gleichzeitig formen das erbarmungslose Szenario, die plastischen Kulissen und übrigens auch die hervorragende Steuerung ein intensives Erlebnis, das der flotten Stealth-Action einen markanten Stempel aufdrückt. So wiederholanfällig das Spiel besonders für Solisten auch ist: Spätestens beim kooperativen Schleichen und Wegrennen entstehen einprägsame Momente, in denen überraschende Entwicklungen und irreführende Halluzinationen dafür sorgen, dass man nie ganz genau weiß, was hinter der nächsten Ecke lauert. Selbst wenn man meint, dass man sie doch komplett einsehen kann.
The Outlast Trials | |
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PRO | CONTRA |
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