The Penguin Folge 4 tauscht mal eben den Hauptcharakter aus - und verdient Applaus dafür
Cristin Miliotis brillantes Spiel pustet jeden Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Plots zum Fenster raus.
SPOILER für Folge 4 von The Penguin
Geschichten, die sich auf mächtige Verschwörungen und ach-so-allgegenwärtige Korruption verlassen, haben es bei mir oft schwierig: Je größer das Komplott gegen eine Figur, desto schwieriger ist es auch, mich davon zu überzeugen, dass es funktionieren würde. In Folge vier von The Penguin sollen wir glauben, dass Carmine Falcone die komplette Polizei, die Justiz und das Personal des Arkham Asylum gleichermaßen umfänglich in der Tasche hat. So weit, so ok, wenn wir uns im Rahmen eines Comic-Universums bewegen.
In der Praxis ist das aber schon schwierig zu schlucken, was hier passiert. Falcone bekommt es hin, dass die Morde, die er in den vergangenen zehn Jahren begangen hat, trotz eindeutiger Indizien zunächst als Suizide eingestuft wurden – nur um sie dann doch auf Mord umzumünzen, als es darum geht, sie Sofia anzuhängen. Ohne wirkliche Beweise, wohlgemerkt. Einen Halbsatz von wegen “ihre DNA wurde an den Opfern gefunden” hätte wenigstens ein bisschen geholfen, meine Zweifel zu lockern, dass irgendwer einer Frau von 1,60m und vermutlich gerade so 50 Kg zutraut, andere Frauen zu erdrosseln und sie dann mit einem Strick an der Zimmerdecke aufzuknüpfen. Alles in mir sträubt sich dagegen, zu glauben, dass dieser Plan funktionieren würde.
Arkham ist immer noch das Klischee einer "Irrenanstalt"
Aber sie landete dann doch schneller, als man gucken konnte, in Arkham, dieser bösen Karikatur einer psychiatrischen Anstalt und wird dort, ohne Mittel oder Wege, sich rechtlich zu wehren, wie ein Tier behandelt. Zehn Jahre misshandelt man sie dort, auf Basis böser Nachrede und einer eidesstattlichen Erklärung der versammelten Verbrecherfamilie (die seltsamerweise nicht direkt die Flucht ergreift, als Alberto sie aus Arkham holt) – nein, plausibel ist das alles nicht. Doch wisst ihr was? Das war mir dieses Mal komplett egal, denn was Cristin Milioti hier macht, ist nicht weniger als sensationell. Ihre sachte Progression von aufrichtig bemühter Wohltäterin bis zur Beinahe-Erbin eines Verbrechersyndikats und zur zu Unrecht Eingesperrten und schließlich berechnenden Rachegöttin mit empfindlichem Knacks ist ebenso schmerzvoll wie faszinierend anzusehen.
Ich liebte auch die Eröffnung, die die Perspektive auf die finale Szene der letzten Woche von Victor zu Sofia verschob. Die muss mit ansehen, wie Oz sie – wie wir später erfahren – zum bereits zweiten Mal verrät, nachdem er vor zehn Jahren Carmine Falcone von ihrem Treffen mit der Reporterin erzählt hatte. Ein Vertrauensbruch, der letztlich dafür sorgte, dass sie in Arkham einsitzen musste. Nun hat sie Gewissheit darüber, wer ihren Bruder tötete. All die Ereignisse des darauffolgenden Flashbacks kontextualisieren die bisherigen Begebenheiten auf eine Art neu, die ein wiederholtes Schauen der früheren Folgen zu einer lohnenden Angelegenheit macht.
Es wirft neues Licht auf Sofias und Oz’ frühere Unterredungen, in denen man mit dem Pinguin mitfieberte, ob diese gefährlich wirkende Gangstertochter herausfindet, dass er ihren Bruder erschossen hat. Heute wissen wir, dass sie auch deshalb eine Bedrohung für Oz war, weil wir nicht wissen, wie sehr sie ihm seinen alten Verrat noch übelnimmt. Das verleiht ihren Szenen zusammen rückwirkend noch mehr Gewicht und Anspannung. Außerdem zeichnet die Rückblende Alberto als liebevollen Bruder, der stets zu seiner Schwester hielt, was Oz aus unserer Sicht keine Sympathiepunkte einbringt.
Tatsächlich tauschte die Serie mit dieser vierten Folge mal eben die Hauptfigur der Serie aus: Sofia ist für mich ab sofort die Identifikationsfigur der Show. Wie sie nach all dem Unrecht die Zügel in die Hand nimmt, das war unfassbar packend gespielt und gefilmt. Wie sie aus Johnny Vitis (Michael Kelly von House of Cards) Reaktion auf ihre Zurechtweisung bei der Rede ableitet, dass sie ihn nutzen kann, sobald die Führung der Familie weitestgehend vakant ist … wunderbar. Es ist eine Serie, bei der es sich lohnt aufmerksam zuzusehen.
Auch Mark Strong, in Vertretung von John Turturro, der Carmine Falcone in The Batman spielte, hat ganze Arbeit geleistet. Der Brite spielte angemessen bedrohlich und mit einer Eiseskälte, die eines Serienmörders würdig ist. Sie wirkt umso glaubwürdiger, weil diese heimliche Angewohnheit dieses ansonsten so gut wie unverwundbaren Mafioso seine vermutlich einzige Verwundbarkeit ist. Wie gesagt: Eine Show, bei der man gern gut aufpasst und reich dafür belohnt wird.
Auf jeden Fall ist diese Blickwinkelergänzung eine Bereicherung für die Serie. Ab sofort bin ich schwer auf Sofias Seite – auch weil ich befürchte, dass Oz aus Vic etwas Schlimmes machen wird. Ich fände es jetzt schon schade, wenn die Show darauf hinausliefe, dass der Pinguin dem neuen Oberhaupt der Falcone-Familie am Ende wieder alle Macht abnimmt. Freunde werden aus diesen beiden nicht mehr. Großes Lob an die Verantwortlichen jedenfalls, eine Nebenfigur dermaßen stark aufzubauen. Milioti, die ich bisher gar nicht kannte, hat in mir einen neuen Fan gefunden.
Eine coole Show, die mich sehr überrascht hat. Schaut mal rein, sofern nicht schon geschehen.