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Der Kühne Knappe im Test: Wie gut ist das neue Gratis-Spiel auf PS Plus wirklich?

Der Kühne Knappe ist das erhoffte Kinderbuch zum Mitspielen!

Wie ein gutes Kinderbuch: Von ein paar Problemchen mit Anspruch und Tempo mal abgesehen, ist The Plucky Squire für die ganze Familie ein charmanter Spaß.

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So sehr ich die absolut vorbildliche deutsche Übersetzung in Schrift und Ton auch als eine der stärksten Seiten dieses Spiels loben und hervorheben möchte: Für jemanden von der schreibenden Zunft ist der doppelte Titel eine Qual. Ohne ihn zweifach zu nennen, läuft man immer Gefahr, dass jemand, der nur auf die eine (englisch) oder andere Art (deutsch) von diesem Spiel gehört hat, den Artikel übersieht. Klar, dass das Publisher Devolver und Entwickler All Possible Futures nicht interessieren sollte. Mir kam nur selten ein solcher Doppelname mal unter, in diesem Medium. Tatsächlich kann ich mich an keinen Fall erinnern - helft mir in den Kommentaren gerne auf die Sprünge!

So oder so: The Plucky Squire beziehungsweise Der Kühne Knappe ist in jedem Fall eine einfache Empfehlung, wenn euch die Bilder und Trailer zum Spiel von vorneherein angesprochen haben. Das Spiel ist wirklich exakt das, was ihr seht. Einkreisen sollte man lediglich genauer, was es nicht ist: So ähnelt es zwar im Kampf und in der Natur seiner Puzzles sehr wohl einem Zelda. Strukturell ist es jedoch sehr linear und damit näher am Flow eines Seite für Seite erlebten Kinderbuches: Und in dem spielt der Titel nun mal auch zu gut 85 Prozent. Viel Hin und Her zwischen den Seiten ist nicht notwendig und auf fast jeder Seite stellt ihr euch einem neuen Problem.

Auch die Kämpfe sind zwar mit sattem Treffer-Feedback versehen, sind aber nicht annähernd so präzise wie die von Link. Und weil besiegte Feinde brav fast immer so viele Herzchen ausspucken, wie einem fehlen, kommt man mit Knöpfchenquetschen beinahe besser durchs Spiel, als wenn man sich Mühe gibt. Da muss man durch, aber man tut es gern, insbesondere, wenn man sich mit dem Nachwuchs den Controller hin- und herreicht. Papa kann mit coolen Moves beeindrucken, während der Spross – gesegnet sei er in seiner verrückt machenden Unfähigkeit! – trotzdem zu Erfolgserlebnissen kommt. Spannung kommt halt nie wirklich auf, aber ich denke, in diesem Spiel ist es besser so…

Weniger Zelda, dafür aber sein eigenes Ding

Was noch? Nun, Der Kühne Knappe ist deutlich mehr interaktive Geschichte, als ihr vielleicht annehmt. Natürlich zeigen die Trailer hauptsächlich die Action oder den zentralen Knalleffekt, der darin liegt, dass Hauptfigur Jot das Buch auch verlassen kann und in vollem 3D auf dem umliegenden Schreibtisch nach Quest-Objekten sucht. Es ist ein Dreh, der einfach nie alt wird. Trotzdem sollte man wissen, dass man auf jeder neuen Seite mehrfach in Sprechblasen angequasselt wird, oder man euch etwas fast schon zu gut erklärt. Dialoge und Tutorials machen einen guten Anteil des Spiels aus und wenn euch das zu viele Unterbrechungen sind, verstehe ich euch vollkommen. Auch mir nahm das Spiel ab und an zu viel Tempo heraus und vor allem in der Mitte lahmte das Abenteuer vereinzelt. Es sind Momente, in denen sich der Buchgedanke am Medium Videospiel reibt, aber sie währen zum Glück nur kurz.

Alles in allem ist es aber hauptsächlich die Nähe zu Sonys Astro Bot, die dem Kühnen Knappen gerade ein wenig den Schneid abkauft. Beides sind Spiele, die mit einer Fülle an smarten Ideen beeindrucken wollen, vom Spieltrieb des Users leben und von seinem Willen, sich von einem Videospiel noch verblüffen zu lassen. Und Astro liefert da einfach noch eine vollere Kelle ab. Zugleich bedeutet das mitnichten, dass The Plucky Squire das nicht auch wahnsinnig gut hinbekommen würde. Es gibt so viel zu lieben an diesem Spiel, dass es mich fast ärgert, dass ich diesen Test mit einem Waschzettel an Einschränkungen begann. Aber sicher ist sicher.

Der Kühne Knappe / The Plucky Squire in Bildern

Was den Charme angeht, würde ich Der Kühne Knappe sogar noch etwas stärker einstufen als Astro Bot. Die Ästhetik und Erzählweise entsprechen tatsächlich der eines Kinderbuch-Welterfolgs, das auch hippe Eltern gerne lesen. Wenn der väterliche Zauberer Moonbeard nebenbei als DJ fette Beats zaubert oder regelmäßig die vierte Wand durchbricht, ist einfach Schmunzelzeit. Und auch die übrige Riege an Charakteren von Jot über Violet oder Thrash schließt man schnell in sein Herz. Überhaupt stimmt auch die übergeordnete Ästhetik: Die Optik und Haptik des Buches an sich, wenn Bauklotz- und Actionfigur-Schatten vom Kinderzimmerfenster auf die Seiten fallen und man sich gut vorstellen kann, wie der Hochglanzdruck beim Blättern leicht unter den Fingern quietscht. Es hing viel davon ab, die vermeintliche Kleinigkeit des virtuellen Buches gut hinzubekommen und All Possible Futures hat das fabelhaft gemacht.

Immer wieder zieht dieses Spiel ein Kaninchen aus dem Hut, wenn ihr etwa Echtwelt-Objekte in das Kinderbuch transportiert oder mit eurem magischen Handschuh ein paar Seiten zurückblättert. Hier findet ihr auf vermeintlich schwarzen Seiten doch geheime Eingänge im Dunkeln oder leiht euch auf einer bereits gelösten Seite ein Wort aus einem Satz, das an der aktuellen Stelle im Buch eine Phrase entscheidend verändern kann. Ihr sprengt auch manche Gegenstände mit einem Bombenstempel, den ihr von oben auf die Seite drückt oder kippt die Buchseiten, um Objekte verrutschen zu lassen. The Plucky Squire steckt voll solcher liebevoller, Augen öffnender Twists und ist sich auch nicht zu schade, mit lustigen, kurzen Minispielen immer wieder den Rhythmus aufzubrechen.

In der Kürze liegt die Würze

Insgesamt braucht man etwa sieben bis acht Stunden, bis man das Ende sieht und ich würde sagen, die Ideen tragen das Abenteuer fast komplett bis über die Ziellinie. Hier und da hätte man etwas straffen können, denn auch wenn das Spiel am Schluss noch einmal deutlich anzieht, werden hier auch Dinge an einer Stelle recycelt, wo ich es nicht unbedingt gebraucht hätte. Das eine oder andere Puzzle ist von der nicht komplett eleganten Art, die man im Kopf längst gelöst hat, und dann nur noch Laufarbeit leistet, die kürzer sein könnte.

Zudem war mir war nie so recht klar, wer zwischen den Seiten die Außenwelt auf dem Schreibtisch so umbaut, dass sie regelmäßig andere 3D-Stippvisiten für den Knappen bereithält. Die Implikation ist wohl, dass es Sam ist, das Kind, dem das Buch und das Zimmer gehören. Aber er ist mir persönlich eine Idee zu abwesend. Abseits des Spielzeugs und zu Hindernisparcours arrangierten Bastelkram hätte ich mir ein paar Lebenszeichen von ihm gewünscht. Kakaoringe auf dem Tisch, zerknülltes Bonbonpapier, Krümel, einen an der Tischkante abgestreifter Popel. Solche Dinge. Aber vermutlich sollte ich nicht von meinen Kindern auf andere schließen.

Trotzdem ist auch die “Außenwelt” ein kleines Highlight, wenn man zum Beispiel in bemalte Post-its hineinspringt, die auf einen Stapel kleiner Kartons geklebt wurden, und sich plötzlich in Seitenansicht einen Burgturm hinaufkämpft. Oder sich auf einer Keksdose oder einer Tasse mit komplett anderer Art Direction wiederfindet. Das Spiel mit den Perspektiven beherrscht Der Kühne Knappe annähernd meisterhaft. Es wird auch nie alt, über die Seiten des Buches zu laufen, während man unter sich, vollkommen flach, Jots Freunde beobachtet.

Technisch ist das Spiel erstaunlich beschlagen. Auch auf dem Steam Deck sind überwiegend 60 FPS drin und trotzdem ist die 3D-Welt durch Linseneffekte, gute Materialiendarstellung und schönes Lichtspiel sehr überzeugend eingefangen. Während der Testphase sind mir allerdings auch ein paar Bugs aufgefallen: Zwei bis drei Mal stoppte das Spiel mitten in einem Gespräch oder beim Blättern des Buches, woraufhin ich einen der letzten Autosaves laden musste. Und ausgerechnet an der Stelle im Spiel, an der man das erste Mal überhaupt den rechten Stick benutzen muss, wird die Steuerung nicht erklärt. Alles in allem aber ein Titel, der deutlich aufwendiger und teurer aussieht, als man es von einem Indie erwarten würde.

Der Kühne Knappe / The Plucky Squire – Fazit:

Der Kühne Knappe ist die Sorte Spiel, die man gerne herumzeigt. Optisch ein Traum und konzeptionell ebenso spannend wie kreativ, kann All Possible Futures’ apartes Erstlingswerk allein von seiner zentralen Idee des Wandelns zwischen den Welten schon wahnsinnig gut leben. Ich bin nicht sicher, ob ihr bei einem Spiel in Kinderbuchästhetik spielerischen Anspruch oder eine dramatische Geschichte erwartet hattet, aber diese Vorstellung nehmt ihr besser an die Leine. The Plucky Squire ist ein relaxtes, verspieltes Abenteuer, das man am besten mit viel Zeit und großen Augen erlebt, denn so etwas kommt so schnell nicht wieder.

Es ist ein Liebeslied ans Kindsein. An Bücher und Geschichten, aber auch die Merchandise-Welten und das Spielzeug, die sie umgeben. The Plucky Squire ist die Erinnerung daran, wie wichtig diese Welten für unsere Entwicklung sind. Daran, dass es nicht zählt, was wir mit “Masters”, Marshall Bravestarr oder Regina Regenbogen gemacht haben, sondern darum, was sie aus uns machten.

The Plucky Squire / Der Kühne Knappe
PROCONTRA
  • Charmant bis zum Dorthinaus
  • Verblüffender Wechsel zwischen den Welten
  • Interessantes Puzzle-Konzept
  • Schönes Spiel für die ganze Familie
  • Technisch sehr gut
  • Sehr einfach, wenig Spannung
  • Probleme beim Pacing, viele Unterbrechungen
  • Nicht alle Minispiele sind gleich gut
  • Kaum Wiederspielwert trotz Sammelgegenständen

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