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The Quarry – Test: Endlich Until Dawn 2. Hat ja nur sieben Jahre gedauert

Die Meister des Teenie-Horrorspiels (und von sonst nichts)

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
The Quarry zeigt Supermassive wieder in Form: spannende Bredouillen, gut aufgebaute Rahmenhandlung und harte, aber zügige Entscheidungen.

Ich gebe zu, ich bin ein wenig erleichtert. Ich hatte nach den Tests zu Man of Medan und Little Hope den letzten Teil der Dark Pictures Anthology, House of Sands, nicht ohne Grund an Martin abgegeben. Nachdem ich Until Dawn ziemlich klasse fand, enttäuschten mich die episodisch angelegten, kürzeren Nachfolgespiele in schneller Folge hintereinander weg.

Gut, in Little Hope war zwar schon eine leichte Steigerung zu verzeichnen, aber es krankte an einem einschläfernden Auftakt und einem unbefriedigenden Finale. Ich war erst einmal durch mit dieser Sorte Spiel und nachdem ich Martins Artikel zu House of Ashes gelesen hatte, fragte mich, ob Until Dawn nur ein Strohfeuer gewesen ist. Erzählerisch wirkte das alles ein wenig überfordert. Und jetzt ist da eben The Quarry – und das könnte man im Grunde auch Until Dawn 2 nennen und würde ihm damit gerecht.

Klingt das für euch nach guten drei Abenden mit der besseren Hälfte unter derselben Sofadecke auf der Couch versteckt, braucht ihr nicht mehr weiterzulesen und schaut schon mal Online nach dem besten Preis für The Quarry. Ihr werdet nicht enttäuscht sein, es sei denn, ihr erhofft euch eine maßgebliche Erweiterung des Konzepts. Wollt ihr trotzdem mehr wissen, lest am besten mit zusammengekniffenen Augen weiter. Ich versuche, das Folgende möglichst spoilerfrei zu halten, aber da dieses Spiel im Kern aus seiner Geschichte und aus nicht viel mehr besteht, muss ich wirklich vorsichtig sein, nichts vorwegzunehmen, was ihr besser am eigenen Leibe erlebt.

Ted Raimi, Horror-Fans als Mann hinter der Gummi-Maske in vielen Splatterfilmen seines Bruders Sam bekannt, spielt den zwielichtigen Cop mit einigem Pläsier. Überhaupt sind die Schauspieler größtenteils ziemlich gut und das Face-Capture zwar nicht immer lebensecht, aber ausdrucksstark.

Im Kern ist The Quarry wieder ganz klassischer Teenie-Horror, der allein von der Frage, "wer wird das hier überleben?" schon ziemlich gut leben kann. Das Set-up ist bekannt, ich titele nicht ohne Grund "Until Dawn 2". Und die Geschichte ist zwar nicht unbedingt originell, aber so solide strukturiert, dass mich einige Entwicklungen tatsächlich überraschten und es zügig vorangeht. Ich will nicht verraten, wer oder was (oder ob) den jungen Erwachsenen am Ende ihrer Stellung als Ferienlager-Aufsicht in diesem finsteren Wald nachstellt. Aber die Inszenierung verfehlt ihren Effekt nicht, bis runter auf die krassen Splatter-Effekte und wirklich unangenehmen Momente, bei denen mir das Zuschauen schwerfiel.

Es gibt diverse Verletzungen, die sich die jungen Leute zuziehen oder die ihnen zugefügt werden, bei denen mir ein wenig anders wurde – und auch das ist Teil eines guten Horror-Spiels. Vor allem, wenn es eher darauf aus ist, euch ein wenig zu ekeln und eine wohlige Gruselstimmung zu erzeugen, anstatt euch wirklich zu Tode zu ängstigen. The Quarry ist gerade unheimlich genug, dass ihr euch immer doch noch ein wenig weiter traut – nur, um euch dann eben mit einem Messer an einer empfindlichen Stelle doch die nächsten sieben, acht Minuten zu versauen. Es ist ein interessanter Drahtseilakt, ein Spiel legitim unheimlich und doch gefällig genug zu halten, um ein breites Publikum anzusprechen.

Vielleicht ist es auch schlichtweg nötig, nicht auf den ganz großen Horror zu setzen, der einem auch Jahre später noch die Knochen klappern lässt. Schließlich will Supermassive ein Spiel um Entscheidungen herum entwickeln, mit denen sich die Spieler zwar auseinandersetzen sollen, die sie aber auch nicht lähmen dürfen. Immer wieder wählt ihr einen von zwei Handlungsvorschlägen und die sind zwar gut gewählt, meist nebulös genug, dass man nicht sofort weiß, welcher davon jetzt die bessere Idee ist und oft genug folgenschwer. Aber hier ist wenig dabei, über das ich hätte grübeln müssen.

Der ausgewogen besetzte Cast ist gut auf die einzelnen Schauplätze verteilt und jeder hat etwas Interessantes zu tun.

Und das ist in dem Fall ein Kompliment, weil ich einfach auf die Schnelle die Entscheidung treffen konnte, die ich für den aktuellen Charakter als die glaubwürdigste erachtete. Spannend fand ich dabei, dass es nicht einmal immer nur vordergründig drastisches ist, wie die klassische Entscheidung, jemanden zu retten oder ihn seinem Schicksal zu überlassen. Das geht auch subtiler (und weitreichender), etwa weil man sich entschließt, jemandem gegenüber, dem man nicht vertraut, die Wahrheit zu sagen oder eben nicht. Die Geschichte fühlte sich die meiste Zeit kohärent und logisch an. Nun ja, so logisch, wie eine Geschichte um eine unheimliche Bedrohung im Wald und eine Horde liebestoller Spät-Teens eben sein kann. Da gehören auch ein paar dumme Entscheidungen dazu, sie sind gewissermaßen eingebaut.

Womit wir bei den Charakteren wären. Die Archetypen sind alle versammelt: Die schöne Insta-Queen, die kreative, aber schüchterne Goth, der geheimnisvolle, stoische Einzelgänger, der gerne brütend in der Ecke sitzt, der stille Austauschstudent, das lose Mundwerk und der klassische Jock, der dafür sorgt, dass man sein Cappy nie wieder nach hinten drehen möchte. Solche Leute eben. Der Cast aus vielen, vielen Gesichtern, die einem bekannt vorkommen, wird abgerundet durch zwei relativ normal gezeichnete Figuren, die als Spieler-Avatare als Einstiegspunkt in die Geschichte dienen und definitiv bekannte Gesichter in tragenden Nebenrollen. Sam Raimis Bruder Ted zum Beispiel als undurchsichtiger Sheriff, David “Dewey” Arquette als Camp-Betreiber und die fabelhafte Grace Zabriskie als entrückt-verstörende Kartenleserin zwischen den zehn Kapiteln dieses Spiels.

Ein wenig "cringe", wie diese hormongesteuerten Campingmonster wohl selbst sagen würden, sind sie von Emma bis Dylan alle, aber ich wünschte zumindest keinem von ihnen das Schlimmste, was ihnen in diesem Spiel widerfahren kann. Okay, außer Jacob vielleicht, dem unwillentlichen Advokaten fürs strenge Vorwärtstragen von Baseballmützen, der in meinem Fall tatsächlich als einziger draufgegangen ist, obwohl ich das nicht einmal so beabsichtigt hatte. Am Ende rennt man zusammen mit ihnen vor der Bedrohung da draußen (und drinnen) weg, hält zusammen den Atem an und ist für ein paar Sekundenbruchteile ratlos, was an einer entscheidenden Stelle zu tun ist.

Am besten, ihr forscht weiter nach! Was kann schon schiefgehen?

Problematisch finde ich die Funktion, mit der man Entscheidungen nach dem Ableben einer Figur rückgängig machen kann. Ich verstehe, weshalb es dieses Feature gibt, aber diese "Leben" versetzen bisweilen um mehrere Kapitel zurück, von wo aus man dann den Rest noch einmal spielen müsste, weshalb ich in zwei Fällen davon absah, sie zu nutzen. Immerhin wird man gefragt, ob man das wirklich möchte, aber diese Funktion war doch mehr als alles andere ein Argument dafür, dass man mit seinen Fehlern und dummen Einfällen doch gefälligst leben sollte. Alles andere nimmt der Möglichkeit, zu sterben, dem treibenden Element, das die Geschichte spannend hält, jedenfalls einiges an Biss.

Ich gebe zu, nachdem die hinteren drei Kapitel in Sachen Enthüllungen und Spannung noch einmal angezogen hatten, fand ich das letztliche Finale doch ein wenig flach und vor allem plötzlich. Den Endpunkt der Geschichte empfand ich als Summe meiner Entscheidungen aber dennoch befriedigend. Zugleich kamen einige Charaktere nach hinten heraus ein wenig zu kurz, warum bestimmte "Sidequests" von Einzelnen begonnen, aber nicht beendet wurden, erschloss sich mir nicht so recht. Auch sind ein paar Seltsamkeiten dabei, zwei Szenen sinnig aufeinanderfolgen zu lassen, nicht wegzudiskutieren, aber alles in allem war The Quarry ein höchst unterhaltsamer interaktiver Horrorfilm, der in Sachen Stimmung und Erzählung punktet.

Technisch lief das Spiel mit RTX 3080er in 4K nicht immer komplett flüssig drin, dann wiederum habe ich bei dieser Art von Spiel nicht den Impuls gespürt, meine Bildrate zu auf-Teufel-komm-raus maximieren und alles einfach auf Ultra gelassen. The Quarry ist ein sehr gut aussehender Titel und obwohl die Gesichter wieder mal nicht aus dem Uncanny Valley klettern, sind sie doch extrem belebt und lassen genug Menschlichkeit durchblicken, um mit ihnen mitzufühlen. Einige der langsameren, subtileren Bewegungen fing das Minenspiel sogar erstaunlich gut ein. Etwa, wenn Lauras Gesicht nach einer niederschmetternden Erkenntnis nur ganz langsam ins Verzweifelte abrutscht, das ist schon gut gemacht, auch wenn es bisweilen an Feinarbeit mangelt.

Ryan ist gerne für sich. Diese Nacht ist das nicht ratsam.

The Quarry Test: Fazit

Nachdem Supermassive mich also zuletzt arg indifferent zurückgelassen hatte, sehe ich sie nach The Quarry definitiv wieder auf einem guten Kurs. The Quarry mag "nur" die lange überfällige, nicht ganz so gute, aber doch würdige Fortsetzung von Until Dawn sein, und dürfte dieses spezielle Sub-Genre entscheidungsfreundlicher Adventures nicht maßgeblich weiterbringen. Aber ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass ich mich auch nur eine Sekunde gelangweilt hätte, als das Spiel erst mal in Fahrt gekommen war. Das hier ist durch und durch gefälliger Popcorn-Grusel zum Mitmachen und für mich in dieser Form ein singuläres Phänomen, das eine interessante Lücke füllt.

Ich bin nicht ganz sicher, wieso sich Supermassive mit den etwas weniger konventionellen Stoffen der Dark-Pictures-Anthology anscheinend so viel schwerer tat als hier. Aber ich werde mich jetzt vorerst gegen den Impuls wehren, mir als Nächstes (schon wieder) ein wenig erwachsenere Horrorgeschichten von ihnen zu wünschen, denn das scheint einfach nicht ihr Ding zu sein. Aber man wünscht sich ja auch keinen Horrorfilm von Wes Anderson. Wobei…

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