The Red Star
Russen-Retro für Liebhaber
Retro, an was erinnert Euch dieser Begriff? An die Schlaghosen in Eurem Schrank oder die vielen Oldies im Super-Special-Vocal-Mix auf Euren Cds? Oder denkt Ihr vielleicht an eine Zeit, in der es egal war, welche Grafik ein Spiel hatte und ob es HD-TV unterstützt. The Red Star ist so ein Spiel, eines, das sich weder um Hightech-Kram oder Online-Funktionen schert - aber Moment, ich hab da so ein Klingeln in den Ohren… könnte es sich hier etwa um den PS2-Titel handeln, der aufgrund des Bankrotts von Acclaim auf Eis gelegt wurde? Nach genauer Recherche besteht kein Zweifel: Der Sidescroller sollte eigentlich bereits vor drei Jahren veröffentlicht werden und war schon bis dato in der Versenkung verschwunden. Nun hat sich Take 2 ein Herz gefasst und The Red Star für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Das Action-Adventure hat aber noch eine weitere Geschichte im Petto. Das Spiel basiert auf der gleichnamigen Comic-Reihe von Christian Gossett, welche die United Republics of the Red Star, einen an die ehemalige Sowjetunion angelehnten Staat, als Themenschwerpunkt verwendet. Wer diese Comics schon einmal in der Hand hatte, kennt den markanten Zeichenstil und die tiefgründige Story. Leider bekommt man davon im Spiel nicht wirklich viel zu sehen.
Ihr kämpft als Mitglied einer Rebellenfraktion kurz nach dem zweiten Weltkrieg im fiktiven Russland gegen einen finsteren Herrscher namens Troika, um dessen Regentschaft zu stürzen. Erzählt wird Euch diese Geschichte sehr bruchstückhaft und auch nur für Insider richtig verständlich. Schade, denn die zugrunde liegenden Hintergrund-Geflechte, die sich um die Erzählung ranken, sind eigentlich sehr schön ausgearbeitet und bieten Stoff für eine 1A Storyline. Aber alles, was bei Euch über den Bildschirm huscht, sind langweilig lange Info-Texte, die sich in unspektakulären Briefings ergießen. Kleiner Tipp an die Entwickler: Man kann so was auch mit einer Sprachausgabe oder einer netten Zwischensequenzen aufpeppen.
Worum ging es eigentlich noch mal…? Naja egal, das Wichtigste bekommt man jedenfalls vermittelt - Ihr müsst eine Menge Leute umhauen. Unterstützung findet Ihr in den Missionen von drei ziemlich unterschiedlichen Charakteren, unter denen Ihr auswählen könnt. Die sind nicht mit simplen antiquarischen Waffen oder altbackener Geräteschaft ausgestattet, sondern mit Hightech-Ausrüstung und magischen Elementen. Da gibt es zum einem Kyuzo, ein wahrer Koloss von einem Mann, der einen schweren Metall-Speer als Waffe nutzt. Seine Statur und das Tötungswerkzeug schränken ihn logischerweise ziemlich in seiner Bewegungsfreiheit, so dass er nicht gerade der Schnellste ist. Damit hätten wir die Rolle des behäbigen Kraftprotzes vergeben. Die zweite im Bunde ist Makita. Sie ist die akrobatisch flinke Protagonistin im Spiel und dafür auch ein ziemlicher Schwächling. Vita und Durchschlagskraft (trotz mächtiger Hammer-Waffe) sind eher geringfügig vorhanden und so muss man schon etwas kreativer beim Niederringen der Gegner zu Werke gehen. Als drittes Mitglied fügt sich die Hexe Maya ein. Sie ist erst später im Verlauf anzutreffen (muss man freischalten) und stellt sich dem Regime mit ihren Zaubersprüchen entgegen. Mit Nah- und Fernkampf-Attacken und ein paar spärlichen Combos metzelt Ihr Euch fortan durch einen Schwarm von feindlichen Soldaten, die sich alle nicht besonders pfiffig anstellen.
Langweilig wird es einem bei dem ganzen Rumgehaue aber nie, im Gegenteil. Die Kämpfe erfordern vollste Konzentration und lassen kaum Luft zum Durchatmen. Wenn die Gegner mit ihren Projektil-Waffen die Salven geradezu im Millisekunden-Takt abschießen, geht es hoch her. Vielleicht haben die Entwickler gehofft, mit dieser Taktik den allzu linearen Spielverlauf zu kaschieren. Es ist nämlich schlichtweg egal, welche Mission Ihr bekommt, letzten Endes ist es stets das Gleiche. Durch die Gänge flitzen, Gegner plätten, weiter flitzen, noch mehr Gegner plätten. Ab und an springt Ihr auch in ein kleines Raumschiff und ballert durch die Gegend. Den einzig richtigen Höhepunkt erreichen die Abschnitte erst bei einer Zusammenkunft mit einem Endboss. Der sieht irgendwie immer sehr ähnlich aus – oder man erkennt nur die feinen Unterschiede nicht. Beides denkbar, beides nicht unbedingt schmeichelhaft für das Spiel. Aber eines muss man The Red Star lassen. Es unterhält. Man bekommt das, was man in erster Linie erwartet: Satte Action, bis man stirbt.
Tritt das Ableben dann ein, verpufft allerdings mit einem Schlag der Spielspaß und die Frustration macht sich bemerkbar, weil man wieder ganz am Anfang des Levels starten muss. Hier erneut ein Tipp an die Entwickler: Bei Titeln mit einem so kniffligen Schwierigkeitsgrad wären Speicherpunkte eine durchaus nette Geste. Lediglich zwischen den Missionen abzuspeichern, ist da einfach zu wenig. Aber das ganze Heulen nützt hier nun mal nichts, da muss man halt jetzt durch. Und noch mal. Und noch mal. Und noch mal…
Habt Ihr schließlich eine Mission erfolgreich abgeschlossen, könnt Ihr Euren Charakter mit neuen Ausrüstungsgegenständen ausstatten und bestehende Attribute aufwerten. Fast schon penibel genau macht sich die Charakterentwicklung dabei merkbar und weist eine einerseits fordernde, andererseits unfaire Kalibrierung auf. Ergo: Je zielsicherer Ihr Euch durch eine Mission schnetzelt, umso mehr Punkte landen letztlich auf dem Konto. Dummerweise ist das mitunter nicht so einfach, da die Steuerung mit kleinen Zicken auf sich aufmerksam macht. Zwar sind die Grund-Handgriffe schnell erlernt, doch die Umsetzung ist streckenweise schwerfällig, ja sogar verzögert. Ein ähnliches Hickhack bei dem Schutzschild und der Zielerfassung, die neben den üblichen Schlag-Aktionen zur Verfügung stehen. Während sich das Schutzschild manchmal erst sehr spät öffnet, krankt die Zielerfassung oftmals an nötiger Genauigkeit. Nicht gerade berauschend, können diese Patzer doch über ein „Game Over“ entscheiden.
Wie schön ist es doch, wenn man sich für schwierige Situationen einen Freund zur Unterstützung holen kann. Dank des Coop-Modus bietet sich diese Möglichkeit an und und macht auch gleich richtig Spaß. Sollte Euer Partner dann einmal das Zeitliche segnen, könnt Ihr ihn an bestimmten Stellen im Spiel wiederbeleben.
Eine Wiederauferstehung ist des Weiteren auch die Grafik von The Red Star. Man merkt dem Spiel die drei Jahre ohne Frage an. Aber selbst wenn die grafische Umsetzung etwas angestaubt ist, spielt sie hier eher die zweitrangige Geige. Es ist schließlich wie eingangs erwähnt ein Retro-Titel durch und durch. Die Animationen der Charaktere sind flüssig umgesetzt und die bunten Kulissen in Verbindung mit den Effekten erreichen – in Bezug auf Retro - sogar noch die oberste Grenze.
Alles in allem muss man sich vom Sound bis zu den Gameplay-Elementen immer vor Augen führen, dass man mit The Red Star ein Spiel für 20 Euro auf der Ps2 erhält – ein Spiel, das bei Weitem nicht die Ansprüche eines Vollpreistitels besitzt. Und genau das bekommt man auch!
20 Euro. Ist das zu viel für ein Spiel wie The Red Star? Darüber kann man geteilter Meinung sein. Denn eines ist klar: Der simple Spielaufbau und der gepfefferte Schwierigkeitsgrad machen aus The Red Star einen Titel, der wirklich nur was für Genre-Liebhaber ist. Trifft dies bei Euch zu, bekommt Ihr aber einen puren Retro-Titel voller Action, der trotz technischer Defizite Spaß macht und allerlei Herausforderung bietet. Jeder, der höhere Erwartungen hat, könnte hingegen enttäuscht werden.