The Saboteur
Wein, Weib und Weltkrieg
Ich hatte wirklich Angst um Pandemic. Nach einigen brillianten PS2 und Xbox Hits (Mercenaries 1, Star Wars: Battlefront) fiel die Next Generation Premiere des amerikanischen Spiele-Entwicklers katastrophal aus. Gerade technisch präsentierte sich ihr erster HD-Gehversuch, Mercenaries 2, nach mehreren Verschiebungen äußerst schwach und konnte auch spielerisch keine neuen Impulse setzen.
Noch schlimmer geriet Herr der Ringe: Die Eroberung. Obwohl der eigene Multiplayer-Hit Star Wars: Battlefront dreist kopiert wurde, versagte der Titel so ziemlich auf der ganzen Linie. Zwei Flops, in der heutigen Zeit oft genug, einem Studio den Todesstoß zu versetzen.
Zum Glück glaubt Electronic Arts an die durchgeknallte Truppe und gibt ihnen mit The Saboteur eine weitere Chance, zu alter Form zurück zu finden. Ein Projekt, das dem Vorstand Andrew Goldwein praktisch zugeflogen kam. Hoch über den Wolken las er von drei Bugatti-Rennfahrern Robert Benoit, William Grover-Williams und Jean-Pierre Wimille, die im zweiten Weltkrieg von Churchill akquiriert wurden und gemeinsam mit der französischen Resistance gegen die deutschen Besatzer kämpften. Eine erstklassiges Szenario, denn statt dem üblichen Stahlgewitter an der Front, bleibt viel Zeit für hübsche Mädchen, schnelle Rennwagen und eindrucksvolle Schleich-Missionen.
Aus den drei Helden, von denen zwei im Konzentrationslager starben, bastelte Pandemic den Iren Sean Devlin, der als eine Mischung aus Indiana Jones, John McClane und Steve McQueen im besetzten Paris gegen die bösen Nazis kämpft. Ein Charakter, der Wein, Weib und schnellen Autos genauso nahe steht wie Sprengstoff, MP40 und Scharfschützengewehr. Ein charismatischer Hauptdarsteller, der von Lead Designer Tom French beim EA Gamers Day in London vorgestellt wurde.
Wie alle erstklassigen Helden hat Devlin zu Beginn wenig heldenhaftes an sich. Zusammen mit dem fiktiven Marini-Rennteam kommt er als Mechaniker nach Frankreich, um gegen das deutsche Mercedes-Plagiat Doppelzieg anzutreten – übertrieben amerikanisch mit SS-Runen im Markennamen. Er genießt die Vorzüge der Großstadt, besucht Nachtclubs, Cabarets und Bars. Bis die Deutschen mit Panzern, Flugzeugen und Truppen anrollen, sein gesamtes Team lynchen und ihm zum Freiwild machen. Es geht ihm also nicht nur um die Freiheit Frankreichs, sondern auch um simple Rache.
Erzählt wird die Geschichte wie gehabt in Zwischensequenzen, die das Sandbox-Szenario zusammenhalten. Pandemic möchte die Leser ganz bewusst stärker an die Hand nehmen, als zum Beispiel bei Mercenaries, bei dem die Story ja nur als Ausrede galt, alles mit Raketenwerfern und Bomben in die Luft zu jagen. Zusätzlich wird es kurze, linearere Indoor-Abschnitte geben, die eine dramatischere Erzählweise erlauben und Euch die restlichen Charaktere näher bringen.
Die Amerikaner bewegen sich dabei ganz bewusst weg vom Realismus anderer Titel und hin zu einem spielbaren Action-Film, der mit seinem Open-World Szenario, seinem Lebemann-Charme und seiner ungewöhnlichen Grafik auf Anhieb begeistert. Paris wurde natürlich nicht komplett in Nullen und Einsen verwandelt. Wie bei der Konkurrenz wurde das Stadtgebiet zusammengeschrumpft und die Sehenswürdigkeit darüber drapiert. Im Gegenzug dürft Ihr dank Devlins Kletterfähigkeiten auch die Dächer der Seine-Metropole erkunden, eine Mini-Version von Saarbrücken bewundern und mit den zeitgenössischen Rennflitzern einen Ausflug in die nähere Umgebung wagen.
Für die Darstellung dieses riesigen Gebietes hat Pandemic einen ungewöhnlichen Grafik-Stil gewählt. Besetzte Gebiete werden fast vollkommen schwarz-weiss dargestellt, während befreite Zonen mit prächtigen Farben protzen. Wie in Sin City leuchtet in den Nazi-Bezirken nur die überall verteilten Hakenkreuze und das Blut der Gegner feuerrot. Die Straßen sind nahezu menschenleer und es herrscht ewige Nacht. Nur manchmal werdet Ihr Zeuge, wie die Nazi-Häscher Zivilisten abführen. Ein ungewöhnlicher, mutiger Schritt für einen Blockbuster.
Insbesondere zu Beginn bewegt Ihr Euch in einem interaktiven Schwarz-Weiss-Film. Erst nach und nach entstehen farbige Inseln, wenn Ihr einen Bezirk vom Nazi-Einfluss befreit, indem Ihr Wachposten, Fabrikanlagen oder einen hochrangigen Offizier erledigt. Das Leben kehrt zurück und Fußgänger bevölkern die breiten Boulevards der französischen Hauptstadt.