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The Talos Principle - Test

Unterhalten sich ein Roboter und ein Computer über das Bewusstsein, als ihnen plötzlich Gott ins Wort fällt...

Esoterische Diskussionen über die Natur der Existenz in traumhafter Umgebung und harte Puzzle-Logik. Bis zu Portal 3 ist es DAS Ding.

Nun, das hat wohl niemand kommen sehen. Ich zumindest nicht. Quasi aus dem Nichts steht das neue Croteam-Spiel auf Steam und es ist nicht nur weiter von Serious Sam entfernt als es nur geht - abzüglich der bestens ausgeleuchteten Tempel verschiedener Zeitepochen -, es ist sogar ein ernsthafter Konkurrent für die geistreichsten Puzzlespiele da draußen. Und ja, das schließt die beiden Portals mit ein. In diesem schnellen First-Person-Knobler erwacht ihr als sichtlich robotische Entität zwischen antiken griechischen Säulen und Ruinen. Sattes Gras und schlanke Laubbäume mit filigranen Kronen gesellen sich zu sonnengebleichtem Kalk-Sandstein. Es ist ein betont friedlicher Ort, der theoretisch tausende Jahre alt sein könnte. Aber er ist auch nicht wirklich echt.

Tatsächlich ist er in beunruhigendem Maße artifiziell und steril, die überall herumstehenden Computerterminals und Kraftfelder deuten Methode an, die misstrauisch macht. Wenn man im richtigen Moment hinsieht, flimmern digitale Kompressionsartefakte für einen Wimpernschlag über die Gemäuer. Wo zur Hölle sind wir hier - und ist die körperlose Stimme, die sich als "Elohim" und euer allmächtiger Erschaffer vorstellt, wirklich der "Liebe Gott"? Mit jedem Hindernis, das wir hinter uns lassen, lobt er uns, sein "Kind". Gleichzeitig wird er aber auch nicht müde, zu betonen, dass wir den "großen Turm", der über dem Land aufragt, auf keinen Fall betreten dürfen.

Das ist das Rätsel, bei dem es bei mir 'klick' machte und ich begriff.

Man kennt den Ablauf im Grunde zu genüge. Portal inszenierte seine Geschichte zwischen und während der Rätselräume im humorvollen Dialog mit dem Spieler und auch The Talos Principle greift ein bisschen bequem auf diesen Ablauf zurück. Anders als der Valve-Titel sucht Croteam aber ein deutlich kopflastigeres Gespräch mit dem Spieler, wenn dieser sich mit der KI Milton über Determinismus, freien Willen und die Natur des Seins unterhält. Die Zwiegespräche - übrigens ausgezeichnet ins Deutsche übertragen - können hier und da gerade zu Anfang etwas prätentiös wirken. Nach nicht allzu langer Zeit jedoch entwickelt sich ein interessanter Konflikt zwischen dem nüchternen Milton und der gesalbten Stimme aus dem Off, der neugierig macht, wie wenige andere Erzählungen in diesem Jahr.

Locken zuerst nur die herausfordernd gestalteten Rätsel, rückt das Geheimnis um den Sinn dieser Übungen und den Grund für eure Anwesenheit im Lauf des Spiels immer weiter in den Vordergrund. So lange, bis man jede einzelne optionale Email im vom Datenfraß in Mitleidenschaft gezogenen Computernetzwerk dieser Welt auf mögliche Hinweise abklopft. Zumindest ging es mir so. Wen all das nicht interessiert, der schätzt sich glücklich, dass Croteam das eigentliche Puzzeln deutlich von der grenzverquasten philosophischen Erzählebene trennt. Wer nicht will, befasst sich nur am Rande mit Milton und wirft sich in einen Rätselraum nach dem anderen.

Am Ende jedes Raumes wartet ein Tetris-Stein als Belohnung. Ein Satz davon bildet immer den Schlüssel zu einem späteren Abschnitt oder einem neuen Werkzeug für künftige Knobeleien. So viel zum "Warum". Das "Wie" ist vielleicht der konventionellste und am wenigsten überraschendste Teil des Pakets. Fast immer geht es darum, auf dem Weg zum Stein eine Serie von Kraftfeldern aus dem Weg zu räumen. Euer erstes Hilfsmittel, ein auf einem Stativ montierter Blockierer, der Automatikgeschütze, patrouillierende Suchminen und eben störende Energiefelder deaktiviert.

Technisch kann es sich sehen lassen, obwohl die Welt beinahe gespenstisch steril ist

So weit so einfach. Doch sobald die Laser hinzukommen, deren Strahlen ihr mithilfe von Prismen - ebenfalls auf Stativen - zu einem Zielpunkt umleiten müsst, um Durchgänge zu öffnen, habt ihr beim Kombinieren und Rochieren der verschiedenen Hilfstechniken reichlich zu tun. Doppelte und dreifache Laserverknüpfungen der Strähle, die man selbstverständlich nicht kreuzen darf. Zahlreiches Vor- und Zurückrennen und Neuausrichten bereits benutzter Ausrüstung. Das Erschließen von "Abkürzungen" durch Höhenunterschiede in der Map oder ein später zugänglich gemachtes "Fenster" in einer Wand. Derartige Dinge lernt man beim Spielen ganz von selbst und denkt in vielen Räumen auch dann nicht mehr allzu lange nach, wenn später hilfreiche Kisten oder Ventilatoren, die Gegenstände und den Spieler durch die Luft katapultieren, euer Arsenal ergänzen.

Das bedeutet nicht, dass The Talos Principle einfach wäre. Sondern nur, dass es eines dieser seltenen Knobelspiele ist, bei denen man manches Mal in diesen fast magischen, Zen-artigen Zustand kommt, der fast schon einem Rennspiel gleicht. Man weiß instinktiv, was zu tun ist und nutzt seine Systeme mit höchster Effizienz. Man kommt sich unglaublich schlau vor, wenn man im extrem schnellen Sprint - neben den grafischen Themen das einzige Überbleibsel aus Serious Sam - fast schon ohne Denkpause zum Ziel gelangt und fragt sich, wie lange man diese Serie aufrecht erhalten kann. Natürlich gibt es immer Räume, die einen nach endlosem Anrennen gegen das eine letzte Kraftfeld, das einfach nicht weichen will, geradezu auslaugen. Doch dann sucht man einfach einen anderen Raum des aktuellen Hubs auf und kehrt später noch einmal zurück - nur um sich zu wundern, wie man vorhin noch so sehr auf dem Schlauch stehen konnte. Mit prinzipiell einfachen Mitteln im Spielanteil gelingt Croteam so ein Titel mit einem wahnsinnigen Fluss und Rhythmus.

Man würde sich nicht wundern, einen Typen mit Jeanshose und weißem T-Shirt durch den Hintergrund ballern zu sehen.

Das hat natürlich nicht die unmittelbare Anziehungskraft und Flexibilität von Chells verblüffender Portalkanone. Wie könnte es auch? Dafür nehmen die Mittel, die ihr hier anwendet, nicht auch nur ansatzweise in vergleichbarem Maße eure Fantasie gefangen. Aber Croteams Systeme greifen auch so kräftig genug ineinander, um Hand in Hand einen der besten Puzzler der letzten Jahre abzuliefern. In Zeiten, in denen man immer mehr Spiele mit nebenbei laufenden Podcasts oder Filmen durchexerziert wie eine Nebensache, ist es sehr erfrischend, wenn etwas wie The Talos Principle daherkommt. Das bringt alle Rädchen in eurem Oberstübchen auf einmal ins Rotieren und duldet kein sekundäres Entertainment neben sich. Wer hier nicht voll bei der Sache ist, erlebt ihn nie: den erhabenen Moment, in dem sich ein Rätsel fast von selbst löst, weil man instinktiv versteht, wie diese Welt tickt und jeder Handgriff sitzt wie bei einer Maschine.

Blickt man dann auf die metallenen Hände seiner Spielfigur hinab, begreift man, dass The Talos Principle auf so viel mehr Ebenen funktioniert, als man jemals für möglich gehalten hätte.

9 / 10

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