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The Tomorrow Children: Minecrafts und Animal Crossings Date in der UDSSR

An die Spitzhacken, Genossen!

Als Dylan Cuthbert auf Sonys Londoner Event ans Podium tritt, um The Tomorrow Children vorzustellen, sagt er es selbst. "Es ist schon ein seltsames Spiel." Er bringt den Ton und den Look des Spiels ganz ausgezeichnet auf den Punkt, wenn er es später als "Neo-Sowjetischen Marxismus-Simulator" beschreibt. Die Betonung liegt, wie ich später in einer guten Stunde mit dem Spiel selbst herausfinden sollte, auf "Simulator". Denn die Welt, dieses verschwommene Nichts, aus dessen unwirklich-milchgläsernem Boden eine kleine Stadt sprießt - das kann nicht die echte sein.

Cuthbert, seines Zeichens als Jungspund schon Chefprogrammierer von Star Fox auf dem SNES, sitzt eine Weile neben mir und beschreibt, was hier passiert, als das schiefgelaufene Experiment der Sowjetunion, eine bessere Welt zu erschaffen. Hier existiert bis auf die Ansammlung von Lädchen und diversen anderen stadtartigen Standards nichts, was man nicht selbst errichtete. "Man", das sind die Spieler, die in der hölzernen Haut handgeschnitzter osteuropäischer Püppchen stecken, keine Menschen, sondern lediglich geklonte, künstliche Mädchen, die sich gemeinsam mit Freunden oder allein damit befassen, dieses Städtchen lebenswert zu machen.

Die Tomorrow Children können nur existieren, wo es Licht gibt. Wird es dunkel, lösen sie sich auf.

The Tomorrow Children zu spielen, ist mit einer Mischung aus Animal Crossing und Minecraft schon ganz gut beschrieben. Und doch tut man ihm keinen Gefallen damit, denn es fühlt sich komplett anders an. Es wirkt eine ganz eigene Art von seltsamer Hypnose. Die Aufmachung, die stark an Stop-Motion-Animationsfilme aus dem Ostblock erinnert, wird gestützt von einem seltsam irrealen Verschwimmeffekt, der die Ferne wie einen verblassenden Traum aussehen lässt. Und von wunderbar plastischer Beleuchtung, durch die die Materialen in der Nähe der Spielfigur fast wie reales Spielzeug wirken. So durchstreift man eine Weile fasziniert die wie aus Bauklötzen zusammengewürfelte Umgebung, bis man feststellt, dass man in etwa fünfzig Meter Entfernung der Stadt in einem allmählich zähflüssig werdenden Boden versinkt. Ein wahrhaft albtraumhaftes "Paradies", das die Genossen hier erschaffen haben!

Und dann sprießt in der Ferne auf einmal eine Insel aus dem Boden. Also in den stetig zwischen Stadt und diesen Formationen hin und her pendelnden Schwebebus gehopst. In unmittelbarer Umgebung der oft psychedelisch verschwurbelten Steingebilde packt ihr dann das Jetpack aus, um den Gipfel oder eine offenliegende Goldader zu erreichen. Greift zu Spitzhacke, Schaufel oder Kettensäge unterschiedlicher Güte, um die Rohstoffe aus der voll verformbaren Insel abzubauen, und tragt sie hinunter zur Ladezone der Bushaltestelle. Allmählich werden die herangeschafften Bodenschätze - in versteckten Höhlen finden sich auch andere Gegenstände und Waffen - von dem fleißig weiterpendelnden Bus abtransportiert und in der Stadt abgeladen. Irgendwann wird die Insel instabil und beginnt sich aufzulösen. Cuthbert gibt mir zu verstehen, doch besser einen Sicherheitsabstand einzunehmen, und dann ist sie mit einem Beben auch schon weg... und der Boden unter den Füßen meiner Klonpuppe beginnt allmählich, weich zu werden.

In der Stadt kauft ihr nach und nach bessere Ausrüstung. Wie ihr sehen könnt, strotzt das Spiel nur so vor eigenwilligem Charakter.

Erst auf der nächsten Insel, die wenig später an anderer Stelle erscheint, finde ich meine erste Matroschka-Puppe in einer Felsspalte. Als ich sie später in der Stadt auf ein Portal stelle, verwandelt sie sich nach etwa einer Minute in einen Menschen, der sich meiner Siedlung nun als herumwuselnder Bewohner anschließt. Zurück bei der Insel, die dieses Mal aus schwebenden Kugeln besteht, erklärt mir Cuthbert, dass ich die grünen Kristalle nicht nur als Rohstoff benutzen kann. Ich kann sie auch schütteln, woraufhin sie zu glühen beginnen. Werfe ich sie nun in den trüblich-weißen Cyber-Morast, der meinen Bewegungsradius einschränkt, kristallisiert der Boden an dieser Stelle vorübergehend aus, wird betretbar. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, wozu das gut sein soll. Aber ich freue mich schon jetzt über all die übrigen schrägen Dinge, die Q-Games allein mit diesem Kniff andeutet.

Dann plötzlich eine gewaltige Explosion und ein Röhren, das durch Mark und Bein geht: Der Blick zurück zur Stadt zeigt einen riesigen Kaiju, einen Quasi-Godzilla, der gerade Feuerbälle auf meine Bewohner niederregnen lässt. Aus dieser Entfernung mikroskopisch kleine Raketen schießen auf das Monster zu - andere Spieler, die sich mit Basteleien in der Stadt aufhielten und sie jetzt mit ihren Bazookas gegen den Angreifer verteidigen. Was kann in diesem Spiel eigentlich nicht passieren? Die Fahrt zurück im Bus kann nicht schnell genug gehen. Als ich aussteige, ist der Kampf noch immer in vollem Gange, was mir eine gute Gelegenheit gibt, über die coole Handhabung der Bazooka zu sprechen: Je nachdem, wie stark ihr den Schuss aufladet, beschreibt die Flugbahn des Projektils ballistisch nachvollziehbar eine Kurve oder fliegt stramm (und weit) auf ihr Ziel zu.

Und wenn das Dörfchen angegriffen wird, müssen eben die großen Kaliber raus...

Schon mit dem wundervoll kontrollierbaren Jetpack bewies Tomorrow Children, dass es anders als Minecraft oder eben Animal Crossing mehr auf anfassbare Mechanismen und Physiksimulation setzt. Es sind Werkzeuge, mit denen zu spielen Spaß macht. Hier steckt selbst hinter so einfachen Dingen wie der Fortbewegung gut justierte Trägheit, und nichts - na gut, mit Ausnahme des eigentlichen Abtragens von Teilen der Umgebung - passiert einfach nur so, weil man schlicht eine Taste drückte. Es passt ganz gut in die Vita von Cuthbert und Q Games, die schon selbst eigentlich traditionellen 2D-Shooter-Raumschiffen Respekt vor Flieh- und Schwerkraft beibrachten.

Aber wozu das alles - natürlich für den Glanz der glorreichen Sowjetunion. Und den immerwährenden Ausbau der eigenen Stadt. Oder ihr reist von eurer City in die eines Freundes, um ihm dort auszuhelfen. Ich kann schon jetzt spüren, dass das Auftauchen einer neuen und bisher unbekannten Insel am Horizont einige Spieler dazu verleiten wird, ihre Freunde herbeizuordern. Zusammen mit ihnen werden sie versuchen, alle Geheimnisse des Eilands zu lüften, neue Dinge zu craften und die Stadt nach und nach um neue Häuser, Bewohner und Gebilde zu ergänzen.

Die meiste Zeit geht es aber ums gemeinsame Buddeln und Entdecken.

Der virtuell-sozialistische Städtebau der geklonten Puppenmädchen war vermutlich der schrägste Titel, den Sony auf seinen Digital Days in London präsentierte. Und das will bei einem Raum randvoll mit ambitionierten Indies schon etwas heißen. Es ist schwer zu beschreiben, wie gebannt man vor dem Fernseher sitzt, wenn man spontan mit wildfremden Leuten kooperiert und nach und nach die Geheimnisse dieser verqueren Welt entdeckt. Als ich herausfand, dass auch die gewaltigen Kaijus sich nach ihrem Ableben in Inseln zum Durchbuddeln verwandeln und mir schlagartig klar wurde, dass ich die grünen Kristalle nutzen kann, um diese Stellen zu erreichen, war ich drauf und dran, den Rest der vielversprechenden Titel ringsum zu vergessen. The Tomorrow Children hätte ich echt und ehrlich lieber gestern als morgen auf meiner Konsole. Ein Spiel zum Entdecken, Rätseln, Bewundern und Darüber-Schmunzeln. Es würde mich nicht überraschen, wenn die PlayStation 4 hier demnächst ein neues Standardwerk in Sachen Social-Games erhielte.

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