Watchmen
Comic, Film, Spiel - Fan(alp)traum?
In den letzten Jahren bekam so ziemlich jede Comic-Umsetzung ein entsprechendes Videospiel verpasst, egal was für eine Krücke am Ende dabei herauskam. Warum wagte sich dann niemand an ein „richtiges“ Watchmen-Spiel? Ganz einfach: Genau wie die Comic-Vorlage lange als unverfilmbar galt, wäre es nahezu unmöglich, die Filmhandlung in Pixel und Bytes zu gießen. Kein Genre könnte die Komplexität der Handlung und kein Rendercharakter die Tiefe der Charaktere wiedergeben. Zu wenig haben die Watchmen mit ihren Marvel- und DC-Genossen gemeinsam. Doch sind Spiel und Film dann nicht in ihrer Einfachheit schlicht überflüssig?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Fest steht, dass hinter der hochgelobten Graphic Novel, die nicht umsonst auf der Times Liste der besten Bücher seit 1923 landete, mehr steckt als die üblichen Abziehbilder von Gut und Böse. Ähnlich wie Frank Millers Batman-Ableger „The Dark Knight Returns“ gilt der Dark Age Bestseller von Ausnahme-Schreiber Alan Moore und Zeichen-Veteran Dave Gibbons als richtungsweisendes Meisterwerk, das gekonnt den Mythos des Superhelden dekonstruiert. Nicht gerade die ideale Vorraussetzung für einen Blockbuster-Film und einen netten Street-Brawler a la Final Fight.
Mit Elementen des Film Noir ist es dem Gnostiker Moore gelungen - der übrigens als letztes Werk ein viktorianischen Porno-Comic veröffentlicht hat -, ein Psychogramm einer Gesellschaft zu zeichnen, die mit offenen Augen in ihr eigenes Verderben rennt. Schicht um Schicht erschuf das Traumteam ein komplexes Biest, das strahlende Superhelden in kostümierte Clowns verwandelt und die amerikanische Lebensart nahezu komplett in Frage stellt. Mit vielen Zeitbezügen und interessanten Wendungen, wie die Ermordung Kennedys und der beiden Watergate-Journalisten durch das Watchmen-Mitglied Comedian, verlangen Comic und Film mehr Aufmerksamkeit als die üblichen Sprechblasen-Wuchtbrummen.
Auch wenn Alan Moore bis zum Ende nichts mit dem Projekt zu tun haben wollte, ist es Zack Snyder wirklich gelungen, das Komplexitätsmonster in visuell eindrucksvolle 160 Minuten Kinofilm zu pressen. Viele Hintergrundinformationen bekommt der Zuschauer dabei im Vorspann geliefert. In einer alternativen Realität haben sich schon in den Fünfzigern ein paar kostümierte Polizisten zusammengetan, um Banden und Verbrechern den Kampf anzusagen. Die Geburtsstunde der Minutemen. Nach ein paar erfolgreichen Jahren trennte sich die Gruppe wieder. Alkoholismus, Wahnsinn und Geldprobleme zerstörten den amerikanischen Traum. Erst in den Sechzigern wurde das Team als Watchmen mit gänzlich anderen Vorzeichen neu gegründet.
Erstmals war ein richtiger Superheld, ein Gott, Teil des Teams. Der Wissenschaftler Jon Ostermann wurde bei einem Experiment in seine Atome zerlegt, konnte sich aber wieder zusammensetzen und als Dr. Manhatten Materie verändern. Doch statt als Heilsbringer die Menschheit in eine glückliche Zukunft zu führen, wurde er von der amerikanischen Regierung als Waffe missbraucht. Gemeinsam mit dem Comedian gewann er den Vietnam-Krieg und verhalf Nixon zu einer Wiederwahl nach der anderen. Die Russen mussten tatenlos mit ansehen, wie die menschliche Superwaffe Panzer und Menschen gleichermaßen in ihre Bestandteile zerpulverte. Ein Wettrüsten begann, das bis kurz vor den Atomkrieg führte.
Und genau zu diesem Zeitpunkt beginnt der Film. Mitte der Achtziger wird der Comedian brutal ermordet und die verbleibenden Watchmen, die durch einen Regierungserlass in den Untergrund gezwungen werden, versuchen dem Mörder auf die Spur zu kommen. Ein kompliziertes Geflecht aus unterschiedlichen Handlungsebenen entsteht, die aufgelockert durch kurze Action-Sequenzen mehr an einen Autoren-Film als die üblichen Action-Knaller erinnern. Bis zu seinem dramatischen Ende, gespoilert wird an dieser Stelle natürlich nichts, bewegt sich der Film stets auf dem schmalen Grad zwischen genialer Transformation und 1zu1 Kopie.
Regisseur Zack Snyder beweist dabei immer wieder, dass er der richtige Mann für den Job ist. Viele Szenen springen förmlich vom Papier auf die Leinwand. Er geht dabei so weit, dass man über weite Strecken nicht sicher ist, was er selbst dazu beiträgt. Am ehesten wird sein Rotstift deutlich, der das Komplexitätsmonster, das in dem Directors Cut auf DVD über 3 ½ Stunden dauern soll, auf normale Filmlänge zurechtstutzt.