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The Wheelman

Fährt besser als Niko

Habt Ihr die ersten Kontrahenten in die Wand geschoben, offenbart Euch das Spiel seine Freude zum Instant-Respawning und prahlt mit seiner kompletten Ignoranz von relativen Geschwindigkeiten. Explodiert ein Auto, taucht meistens gleich das nächste hinter Euch auf und macht nahtlos weiter, wo sein Kollege unterbrochen wurde. Bis zu dem Punkt, an dem Ihr es aufgebt und versucht, einfach schneller zu sein. Nur interessiert es The Wheelman kein Stück, dass Euer Porsche weit schneller sein müsste, als die beiden Trucks, die Euch verfolgen. Selbst mit dem Boost werdet Ihr vollkommen willkürlich überholt, wieder vorgelassen, alles ohne jeden Bezug auf die unterschiedlichen Fahrwerte des Untersatzes.

Dabei kann gerade die Auswahl dieser überzeugen und passt mit ihren Mikros, Kompaktwagen und Limousinen gut in das Stadtbild. Jeder Untersatz lenkt sich gemäß der Eigenschaften, die man sich so vorstellt, und mit einem Smart durch enge Gassen zu zirkeln, zählt zu den bessern Spielerlebnissen, die Ihr diesen Frühling genießen werdet. Das wird eigentlich nur vom Sixt-Angebot getoppt, die Euch einen Smart mit Vollkasko für kleines Geld vermieten. Nur was helfen die schönsten Abstufungen der Fahrfertigkeiten eines Wagens, wenn in den Verfolgungsjagden alle Werte obsolet werden, das Spiel macht, wozu es Lust hat und was es gerade für kinomäßig hält? Damit Ihr Euch wenigsten ein bisschen gegen das Dauerspawning wehren und für drei Sekunden Ruhe habt, kann Vin die Zeit verlangsamen und in Zeitlupe seinen Wagen um 360 Grad drehen. Dies gibt Euch Gelegenheit, Tanks, Reifen und Fahrer unter Feuer zu nehmen und das Feindfahrzeug in einen beeindruckenden Feuerball zu verwandeln. Und im Anschluss meist selbst in die Wand zu rasen, aber irgendwas ist ja immer.

Obwohl die Wagen wahnsinnig stabil in Barcelona gebaut sind – natürlich nur die, die Vin fährt, die Stärke seiner Brustmuskulatur überträgt sich wahrscheinlich auf Autos –, sind auch sie irgendwann mal am Ende und Ihr müsst wechseln. Hier dachte man sich einen praktisch-eleganten, wenn auch komplett unrealistisch-dämlichen Move aus. Vin springt einfach zwanzig Meter weit zum Fahrzeug vor ihm und lässt sich vom Dach elegant durch die Seitenscheibe auf den Fahrersitz gleiten, während er den Besitzer bei voller Fahrt auf die Straße befördert. Er ist halt der Gute. Aussehen tut's wie ein springender Berggorilla und ja, es klingt bekloppt, aber als Gameplay-Element funktioniert es perfekt, da der Fluss erhalten bleibt und Ihr nicht mal stoppen müsst.

The Wheelman – Gameplay

In den ersten Stunden begeistert das Fahren dank der bunten, hellen Stadt und des guten Fahrgefühls durchaus und man könnte auf die Idee kommen, dass Tigon hier eine richtig gute Variation des Open World Prinzips hinlegten. Dummerweise nutzt sich dies dank der immer recht gleichen Missionen und der schnell eintönigen Kulisse bald ab. Einige Aufträge, wie das Stoppen eines U-Bahnzuges von einem Bike aus, sorgen für denkwürdige Momente, nur könnt Ihr davon ausgehen, dass die nächsten zehn Missionen in die „fahre nach A, und kehre zurück“-Kategorie fallen.

Das fiel den Entwicklern wohl auch auf und so beginnt Vin zum Ende hin immer öfter, sein Auto zu verlassen. Und diese Eskapaden reizen nicht mal in der ersten Zeit. Allerdings werden sie auch nicht schlimmer, sondern halten einen gewissen Pegel der Drögheit. Die schon beim Fahren nicht allzu helle KI schaltet zu Fuß endgültig ab und rennt Euch in 90 Prozent der Fälle stupide vor die Flinte, das automatische, meist ein wenig zu zuverlässige Zielen übernimmt den Rest. Rennt nicht zu schnell vor, Eure Munition ist eh endlos, und macht Euch keine Sorgen. Vin lässt sich halt nicht stoppen. Rein technisch kann man sich nicht mal beklagen, da gab es schon schlimmere Versuche in Spielen dieser Art, nur Spaß oder Spannung wollen nicht so recht aufkommen. Ihr bringt es hinter Euch, es tat nicht weh und dann geht es zurück ans Steuer.

Wollt Ihr nicht nur den rudimentären Storyresten folgen, stehen Euch jede Menge Missionen am Rand zur Verfügung. Rennen, Taxi, Zerstörungswut, Botendienste und ein paar mehr noch laden dazu ein, auf der Karte angeklickt zu werden. Da sich diese in erster Linie um das gelungene Fahren und weniger um das Fussgängergeballer drehen, werdet Ihr hierhin gerne immer mal wieder für ein Ründchen zurück an das Pad kommen.

The Wheelman – Benito

Das eigentlich tragische an der Sache ist, dass The Wheelman für die ersten Stunden wirklich Spaß macht und ein durchweg heißes Spiel hätte werden können. Das arcademäßige Fahrgefühl sitzt auf den Millimeter, das Szenario einer europäischen Stadt reizt zu Beginn und hübsch bunt ist es auch noch.

Nur leider kühlt es dann sehr schnell auf Normaltemperatur herunter und Ihr merkt, dass die Story längst nicht alles ist, was sie sein könnte und die Abläufe der Missionen sich ähneln wie eine Vin-Mimik der anderen. Ähnlich verhält es sich mit der für ein Open-World-Game ja nicht ganz unwichtigen Umgebung. Voller europäischem Esprit lächelt Euch Barcelona an. Und lässt Euch nach genauerer Betrachtung mit lebloser Uniformität hängen.

Fanatische Vin Diesel-Fans werden der angemessenen digitalen Umsetzung ihres Idols noch etwas abgewinnen können. Aber auch sie seien gewarnt: Wie ein überlasteter Turbolader kann the Wheelman nicht das brachiale Tempo des Spielstarts halten und muss sich schnell von der Überholspur in den Normalverkehr der Spielewelt einordnen.

The Wheelman ist ab sofort für Xbox 360, PS3 und PC erhältlich.

6 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

The Wheelman

PS3, Xbox 360, PC

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