The Witcher 2: Enhanced Edition - Vorschau
Herrlich düstere Fantasy auf der Xbox
The Witcher 2: Assassins of Kings kommt auf die Xbox 360. Eigentlich sollte diese Aussage schon genügen, um eingefleischten Rollenspielern ohne PC-Ambitionen ein leicht debiles Grinsen aufs Gesicht zu zaubern. Geralt von Rivas zweites PC-Abenteuer war vor kurzer Zeit noch ein Dauergast in diversen Jahres-Bestenlisten und beeindruckte auch unseren lieben Martin Woger so sehr, dass er ihn gleich auf sechs Seiten Test würdigte - nachzulesen ist das alles hier.
Eigentlich hatte Martin am Gesamtwerk Witcher 2 nur einen wirklichen Kritikpunk: Das dritte Kapitel fällt im Vergleich zum zuvor abgebrannten Rollenspiel-Feuerwerk ein wenig ab. Und jetzt erklärt da Level Artist Marek Ziemak bei einer ersten spielbaren Präsentation der Xbox360-Umsetzung von The Witcher 2: "Wir haben den dritten Akt deutlich verbessert. Wir haben neue Endsequenzen, die den Spielern mehr Genugtuung geben sollen. Wir haben das Feedback aus der Community aufgegriffen. Die Spieler wollten, dass Akt 3 länger sein soll und dass das Spiel schöner enden sollte. Wir haben uns dementsprechend gleich drangesetzt, diese Probleme anzugehen, um mehr Inhalt im dritten Akt zu bieten." Na, wenn das mal kein gutes Zeichen ist!
Das ist nicht die einzige Erweiterung: Auch ein paar weitere neue Quests finden nun den Weg ins Spiel und sollen sich absolut harmonisch in das Gesamtbild einfügen. CD Projekt will dringend den Eindruck eines fahrig zusammen geschusterten Flickwerks vermeiden. "Wir haben die neuen Elemente stark in die Handlung eingewoben, aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass sie keinen Einfluss auf den Haupterzählstrang haben. Sie sind eher eine Erweiterung, eine zusätzliche Option. Man kann irgendwann diese Quests aufgreifen, aber sie bleiben optional. Es ist eher ein Bonus."
Doch all das wäre natürlich nichtig, wenn die Konsolen-Konvertierung nur ein schwacher Abglanz des komplexen PC-Vorbilds wäre. Immerhin ist der zweite Witcher auf dem Rechenknecht nicht nur spielerisch ein ungemein komplexes Abenteuer, auch technisch reizt das Rollenspiel-Meisterwerk moderne Grafikkarten ordentlich aus. Umso beeindruckender ist es, was Entwickler CD Projekt da aus der mittlerweile doch etwas betagten Microsoft-Hardware herausholt. Ziemak erläutert: "Wir mussten für die Xbox 360 einiges nacharbeiten und die Konsole an ihr Limit bringen, weil wir ja auch nichts von dem, was wir damals für den PC erschaffen haben, wieder verlieren wollten. Also haben wir die Engine lange, lange optimiert und sichergestellt, dass unser Spiel mit 30 Frames pro Sekunde auf der Xbox läuft." Und Ziemak übertreibt nicht: Unsere umfangreiche Anspielsession lief tatsächlich beeindruckend sauber ab. Der Konsolen-Witcher läuft flüssig und schnell, ist grafisch immer noch herrlich anzuschauen und spielt sich zudem nicht weniger flüssig als mit Maus und Tastatur auf dem PC.
"Ich denke, dass einer der Gründe, warum wir uns für die Xbox 360 entschieden haben, der war, dass wir einige Entwickler im Team hatten, die Xbox-Erfahrung hatten. Zudem ist die Architektur der Xbox 360 viel näher an der des PCs, mit dem wir ja sehr erfahren sind. Es war also so etwas wie der sichere Weg.", meint Marek Ziemak. Man merkt ihm im Gespräch an, wie wichtig ihm und seinen Kollegen eine saubere Witcher-Konvertierung auf die Konsole ist - immerhin sind die Witcher-Spiele das Aushängeschild für Polens Spieleindustrie und genießen mittlerweile weltweit einen guten Ruf. Und den will man sich durch eine grätige Konsolen-Konvertierung nun wirklich nicht kaputt machen.
Teilweise scheinen sich die Entwickler ein wenig an Altmeister Nintendo orientiert zu haben: Das Lock-On-System im Kampf, das leichtfüßige Tänzeln um die Gegner und die griffigen Ringmenüs erinnern nicht von ungefähr an die famose letzte Zelda-Episode und sorgen dafür, dass sich der Konsolen-Witcher nicht mehr wie eine Umsetzung, sondern wie ein echtes Konsolenspiel anfühlt. Dazu trägt auch die überarbeitete Kamera bei. Die könnt ihr zwar nach wie vor einfach mit dem zweiten Stick bewegen, ein recht cleverer virtueller Kameramann tut aber auch so sein Möglichstes, um Geralt stets ins rechte Licht zu rücken. Das gibt dem Spiel ein angenehm lockeres, flottes Spielgefühl und hält euch den Kopf frei für wichtigere Dinge.
Zum Beispiel für die herrliche Umgebung. Trotz zahlreicher Fantasy-Elemente fängt der Witcher das europäische Mittelalter einfach aufs Herrlichste ein. Dörfer sehen wirklich aus wie Dörfer. Burgen sind trutzig und wehrhaft. Architektur ist nachvollziehbar und logisch aufgebaut und die Kostüme wirken oft wie aus einem Lehrbuch über mittelalterliche Kleidung. Statt auf verspielte Hollywood-Architektur zu bauen, orientiert sich CD Projekt an der realen Vergangenheit und entlockt der Welt durch die gekonnte Inszenierung ungeahnte Schönheit. Eindrucksvolle Blicke von hohen Türmen, Waldlichtungen, in denen Sonnenstrahlen durch Baumkronen brechen und düstere Sumpflandschaften... die Witcher-Szenarien sind wundervoll anzusehen und fühlen sich doch an wie echte Orte, die man tatsächlich irgendwo in den Weiten Osteuropas finden könnte.
All das ist das Ergebnis sorfgältiger Recherche. Marek Ziemak erläutert: "Unsere Designer und Artists reisen sehr viel. Wir haben einfach Spaß an diesen alten Gemäuern und in alten Schlössern, wir lassen uns dort inspirieren. Wir haben aber auch viele Foto-Referenzen und ich glaube wir kennen Google Images mittlerweile in und auswendig. Aber wenn es um Level-Design geht, dann ist das vor allem eine Sache des Experimentierens. Es passiert irgendwo im Zusammenspiel zwischen Scriptern und Artists. Die Scripter sagen: "Jungs, wir wollen hier und hier einen Kampf haben, deshalb brauchen wir mehr Platz, da hier mehr Gegner sein werden", und die Artists denken dann, "gut, da ist ein großer Platz, also führt ein schmaler Korridor dahin". Sie überlegen dann auch, warum da viel Platz ist. Vielleicht fließt dort ein Fluss oder es gibt einen kleinen Teich oder so etwas. Wir haben keine strikte Vorgehensweise."
Den talentierten Level-Designern ist es dann zu verdanken, dass man sich in den Weiten der Witcher-Welt nicht verliert, sondern sich fast instinktiv zurechtfindet. Wo Nintendo den Spieler heute gerne mal überdeutlich auf sein nächstes Ziel hinweist, wo andere Spiele deutliche Marker in die Landschaft setzen, um den Spieler niemals irgendwie ins Leere laufen zu lassen, da setzt CD Projekt auf intelligent aufgebaute Szenarien, wie Marek erläutert. "Wir versuchen, unsere Szenarien so natürlich wie möglich zu halten. Zu viel Interface-Beeinflussung würde unserer Meinung nach die Immersion zu stark brechen. Klar, es ist nur ein Computerspiel, aber in der realen Welt muss man sich auch erst einmal umschauen und sehen, wie man ein Problem löst. Genau das wollen wir auch erreichen. Wir wollen, dass der Spieler erst einmal schaut und selbst die entsprechenden Orte findet. Wir wollen nicht, dass er einfach zu einem Ort geht, nur weil der auf der Map gekennzeichnet ist. Die Spieler sollen wirklich selbst danach suchen. Und ich glaube das funktioniert auch sehr gut so."
Das tut es tatsächlich bereits von Anfang an. Mit ein wenig logischem Denken findet Geralt schnell einen geheimen Eingang in finstere Katakomben und auch der Mechanismus zum Öffnen eines Fallgitters ist schnell entdeckt. Man muss sich einfach nur die Frage stellen, wo würde dieser Mechanismus sinnvollerweise zu finden sein und prompt hat man ihn. Willkürlich gesetzte Schalter, die eine Tür am anderen Ende der Karte öffnen, sucht ihr beim Witcher glücklicherweise vergebens.
"Wer The Witcher 2 bereits auf dem PC besitzt, der bekommt all die feinen Neuerungen einfach so. Gratis."
Das klingt alles ganz fantastisch, eine Frage bleibt aber doch noch: Was ist jetzt mit den PC-Fans, die The Witcher 2 schon im letzten Jahr begeistert gespielt haben und sicher auch gerne ein paar von den feinen Neuerungen der Xbox-Konvertierung hätten? Natürlich denkt CD Projekt auch an die und punktet mit einem Vorgehen, an dem sich Capcom, Activision, Electronic Arts und all die anderen eisernen Verfechter des kostenpflichtigen DLCs gerne mal orientieren dürften: Wer The Witcher 2 bereits auf dem PC besitzt, der bekommt all die feinen Neuerungen einfach so. Gratis. Wo nun der gut bezahlte, frisch eingestellte Experte für Monetarisierung um Atem ringt, da erklärt Marek einfach: "Indem wir solche Dinge frei nachliefern, hoffen wir, dass wir als Entwickler mehr von den Spielern anerkannt und positiv gesehen werden. Die bleiben uns dann treu - sie kaufen weiterhin gerne unsere Spiele, mögen die und kommen hoffentlich immer wieder. So können wir nicht nur mehr Geld verdienen, sondern auch entsprechend wachsen und haben mehr Ressourcen, mehr Spiele zu machen und weitere Updates und Patches zu entwickeln ... so funktioniert das jedenfalls in unserem Kopf." Wenn doch nur alle Publisher so denken würden.
The Witcher 2 ist ein Rollenspiel von der Art, wie wir sie heute öfters gebrauchen könnten. Das Spiel kümmert sich nicht um vorgefertigte Konventionen wie ein Ost- oder ein West-Rollenspiel aussehen soll. Passt ein Element in den Witcher, dann kommt es auch rein. So haben wir dann eine stark geschriebene Hauptfigur und griffige Kämpfe, wie wir sie in japanischen Produktionen schätzen, aber auch die Offenheit und die Freiheiten, die einen guten West-Titel auszeichnen. Marek erklärt das aus ganz pragmatischen Gründen, bleibt aber bescheiden und blickt augenzwinkernd in die Zukunft: "Geralt ist eine großartige Persönlichkeit, aus diesem Grund trafen wir von Anfang an die Entscheidung, auf einen vordefinierten Helden zu setzen. Auf der anderen Seite mögen wir offene Welten und wollen Spielern Freiheiten geben. Aber das ist sehr schwer, denn wir wissen noch immer nicht, wie wir ein narratives Spiel mit solchen Freiheiten zu verbinden können. Wenn wir das herausgefunden haben, werden wir wahrscheinlich in einem Pool voller Geld schwimmen [lacht]. Jeder sucht nach dieser Lösung, diese beiden Arten des RPGs miteinander zu verbinden. Aber diese Art Rollenspiel nennt man dann wahrscheinlich das wahre Leben."
Mareks Bescheidenheit in allen Ehren, aber mit dem zweiten Witcher ist CD Projekt diesem angestrebten Ideal schon verdammt nahe gekommen - gut, dass sich auch die Xbox-Spieler bald davon überzeugen können. Dank großzügiger Erweiterungen, sauberer Technik und intelligent an die Konsole angepasster Steuerung wird Geralt von Riva demnächst seinen Kollegen aus Ost und West gehörig Konkurrenz machen. Und das solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen.
The Witcher 2: Enhanced Edition erscheint am 17. April als reguläre Ausgabe mit Soundtrack und Landkarte und als üppige Dark Edition mit Making Of, Artbook, Medaillion und weiteren Goodies.