The Witcher 3: Wild Hunt – Complete Edition ist tatsächlich mehr als ein einfaches Next-Gen-Upgrade
Wiedergutmachung für Cyberpunk.
Nächste Woche, am 14. Dezember, soll es endlich so weit sein: Das vor langer Zeit angekündigte Update für The Witcher 3: Wild Hunt macht das große Rollenspiel nicht einfach nur PS5- beziehungsweise Xbox-Series-kompatibel, sondern verpasst dem Spiel auch eine Frischzellenkur, die weit über das Hinzufügen von visuellen Verschönerungen hinausgeht. Nachdem ich eine praktisch fertige Version direkt bei CD Projekt ausführlich gespielt habe, bin ich jedenfalls sehr angetan davon, wie umfassend The Witcher 3 so spät nach seinem Erscheinen noch mal überarbeitet wurde.
Genau genommen konnte ich mehrere von den Entwicklern erstellte Spielstände laden und mir gut drei Stunden lang Zeit damit nach Belieben die Zeit vertreiben. Gespielt habe ich vorrangig auf Xbox Series X und kurz auch auf PlayStation 5. Nur die neue PC-Version stand mir an diesem Tag nicht zur Verfügung, da CD Projekt das Hauptaugenmerk auf die aktuellen Konsolen legen wollte.
Auf denen hat man schließlich die Wahl, ob es in Zukunft 30 oder 60 Bilder pro Sekunde sein sollen. Keine Sorge: Auch im Performance-Modus, also ohne Raytracing, sieht das Spiel um einiges besser aus als das Original! Tatsächlich war ich fast ausschließlich mit 60 Sekundenbildern unterwegs und habe nur gelegentlich in den Raytracing-Modus gewechselt, um mir den Unterschied anzuschauen.
Da sieht dann besonders das Wasser eine ganze Ecke besser aus, obwohl die Konsolen „lediglich“ durch Raytracing gesteuerte Global Illumination enthalten, während Reflexionen weiterhin nur den Screen Space verarbeiten. Und wenn ihr mich fragt, war das eindeutig die richtige Entscheidung, denn die moderne Beleuchtung verbessert den Gesamteindruck stärker als es ein paar Spiegelungen tun würden. Und immerhin entdeckt man jetzt auch in Pfützen Reflexionen – wie mir Quest Designer Philipp Weber im Interview sagt, legen einige Spieler darauf großen Wert.
Mir persönlich ist die höhere Bildrate allerdings am wichtigsten und auch ohne Raytracing ist der Gesamteindruck deutlich harmonischer geworden. Dafür sorgen zum Beispiel eine überarbeitete Vegetation sowie die erneuerten Texturen, mit denen die Welt und ihre Kreaturen um einiges plastischer aussehen. Um das zu erreichen, hat CD Projekt teilweise bereits von Fans gemachte Modifikationen weiterentwickelt, im Fall der Texturen also HD Reworked sowie HD Monsters Reworked.
Natürlich sieht man dem Spiel seine sieben Jahre trotzdem an. Wenn der komplette Kopf einer Figur von einem knalligen Rot beleuchtet wird, wirkt das nach heutigen Maßstäben recht grob. Ähnliches gilt für die relativ stark glänzende Haut. Aber das nur der Vollständigkeit halber; die Vorzüge überwiegen eindeutig. Alleine die besser herausgearbeiteten Materialien von Waffen und Rüstungen sind klasse.
Es ging dem Studio ohnehin nicht nur um die großen Veränderungen. Vielmehr hat man sich das Spiel in seiner Gesamtheit angeschaut und auch etlichen Kleinigkeiten einen neuen Anstrich verpasst. So weist mich der Quest Designer etwa darauf hin, dass der selbst bei strahlendem Sonnenschein wütende Wind inzwischen nicht mehr ganz so stark durch die Wipfel bläst. Außerdem bewegt Geralt jetzt kurz die Hand, wenn er einen Pilz oder eine Pflanze pflückt – wobei das nicht nur einen grafischen Grund hat.
Der modern bewegte Geralt
In der Complete Edition stecken nämlich auch inhaltliche Neuerungen, zu denen unter anderem zählt, dass man das Einsammeln von Gräsern und anderen Ressourcen nicht erst in einem separaten Menü bestätigen muss. Die krallt sich Geralt jetzt im vollen Lauf, was er eben durch die kurze Handbewegung anzeigt.
Mir sind die spielerischen Veränderungen ja ohnehin wichtiger als die visuellen, weshalb ich auch die neue Kamera ausprobiert habe, die Geralt dichter folgt und etwas niedriger gehalten wird als die im Original. Ich mag das, weil es der Figur gefühlt mehr Gewicht verleiht und mich näher ins Geschehen zieht. Falls euch das anders geht, dürft ihr aber gerne weiterhin die alte Perspektive nutzen.
Als Bereicherung empfinde ich außerdem die ebenfalls optionale Möglichkeit, jeden von Geralts Zaubersprüchen auszulösen, ohne ihn in einem separaten Menü erst auszuwählen. Dafür zieht man einfach die rechte Schultertaste und drückt einen von fünf Knöpfen. Das manchmal ganz willkommene Pausieren im Kampf fällt dann zwar weg, die Gefechte sind mit dem neuen System aber dynamischer als bisher.
Nicht zuletzt lassen sich die Bildschirmanzeigen über verschiedene Einstellungen so anpassen, dass man ohne HUD spielen könnte oder zumindest einzelne Teile davon ausblendet. Man darf sogar bestimmen, was auf der Mini-Map angezeigt wird – mit einer Ausnahme: Zu meinem (minimalen) Leidwesen ploppte auch in der Testversion noch jede auflesbare Ressource in Geralts Nähe auf und verschwand kurz darauf wieder, was dem Erkunden eine gewisse Unruhe verlieht. Könnte man im fertigen Spiel auch das deaktivieren, würde hier ein sehr glücklicher Hexer sitzen.
Im Gegenzug meine ich dafür bemerkt zu haben, dass die Beschleunigung der Laufgeschwindigkeit jetzt gleichmäßiger geschieht beziehungsweise genauer berücksichtigt, wie weit man den Analogstick kippt, anstatt wie bisher relativ abrupt zwischen laufen und rennen umzuschalten. Ganz genau: Auch inhaltlich gibt es etliche Kleinigkeiten, die angefasst beziehungsweise modernisiert wurden. Und obwohl sich keine der Neuerungen drastisch davon unterscheidet, wie man The Witcher 3 all die Jahre erlebt hat, so tun sie dem Spielgefühl doch durchgehend gut. Nicht zuletzt wird selbstverständlich auch der PlayStation-5-Controller voll unterstützt, wobei ich vor allem das leicht spürbare Klicken in den Menüs als sehr angenehm empfand.
Ach, und nicht zu vergessen schließlich die an die Netflix-Serie angelehnten Rüstungen von Geralt und den Nilfgaardern sowie entsprechend gestaltete Waffen und neue Kleidung für Rittersporn. Ist das nur eine nette Dreingabe, auf die man auch verzichten könnte? Sicherlich. Allerdings wird ihr Vorhandensein sogar in einer neuen Quest erklärt, die auf sicherlich vertraute, aber im Rahmen der Fantasy angenehm plausible Art das alternative Aussehen erklärt.
Back to the Roots?
Wisst ihr, woran mich das alles erinnert? An das erste Spiel von CD Projekt, The Witcher. Das erhielt nämlich ebenfalls ein kostenloses Upgrade auf die so genannte Enhanced Edition, das es nicht nur technisch auf eine neue Stufe hob, sondern auch beachtlich viele inhaltliche Veränderungen vornahm.
Und tatsächlich will das Studio ein Stück weit zurück zu der Art und Weise, mit der es sich damals einen Namen gemacht hatte. So beschreibt es jedenfalls Philip Weber, als ich ihn frage, ob man mit der Complete Edition vielleicht etwas gutmachen wolle, nachdem Cyberpunk 2077 das Ansehen in eine markante Schieflage brachte – wenn ihr mich fragt viel mehr als es ein einziger Ausrutscher verdient hat, aber das Internet spricht bekanntlich nicht die Sprache der gelassenen Bedachtsamkeit.
Auf jeden Fall war es eben der Science-Fiction-Thriller oder vielmehr die nach dessen Veröffentlichung noch anfallenden Arbeiten daran, die den Release der Complete Edition so lange verzögerten. Erst nach dem Erscheinen des Next-Gen-Upgrades für Cyberpunk standen ausreichend viele Entwickler zur Verfügung, damit die Produktion volle Fahrt aufnehmen konnte. CD Projekt zog das ursprünglich damit beauftragte Saber Interactive ab, vergrößerte im gleichen Zug den Umfang der Complete Edition und wird deshalb mit etwas Verspätung eine dafür umso größere Neuauflage herausbringen...
... die im kommenden Jahr übrigens nicht nur auch auf Disk erscheinen soll, sondern auch auf den Plattformen der vergangenen Generation erhältlich sein wird. Klar: Auf die grafischen Neuerungen muss man auf Switch, PlayStation 4 und Xbox One logischerweise verzichten. Aber alle rein inhaltlichen Änderungen wird man auch auf den leistungsschwächeren System erleben können.
Nur die neue Kamera zählt interessanterweise nicht dazu. Denn wie mir Weber erklärt hat, muss der Blickwinkel dafür zwar verkleinert werden, was zunächst nach einem technischen Vorteil klingt. Gleichzeitig rückt die veränderte Perspektive allerdings viele Details so nah an die virtuelle Linse heran und macht auch Objekte im Hintergrund so viel stärker sichtbar, dass sie alle mit der für die alten Konsolen angedachten Detailstufe dem Auge nicht ohne Weiteres zumutbar sind. Es ist doch auf ganz vielen Ebenen wirklich interessant zu sehen, was kleine Änderungen so alles bewirken können.