The Wolf Among Us, Episode 3: A Crooked Mile - Test
Böse Wölfe, traurige Trolle, rote Heringe.
Vorneweg: Abgesehen vom Fazit enthält der Text Andeutungen zu den ersten beiden Episoden, die schwere Spoiler-Allergiker vielleicht nicht lesen wollen. Auch komme ich natürlich nicht umhin, zu beschreiben, warum Bigbys Fall mit Teil drei gerade ein wenig auf der Stelle tritt. Findige Fans der Reihe, die A Crooked Mile noch nicht spielen konnten, leiten daraus unter Umständen ab, was passiert - aber vielleicht wissen sie es auch schon vor der Lektüre des Textes.
Ein bisschen stellt sich gerade das Tatort-Syndrom bei Telltales zweitem aktuell laufenden Episoden-Adventure ein. Schon in Episode eins rannte man vornehmlich Leuten hinterher, von denen man sich schon denken konnte, dass sie mit dem eigentlichen Mord nichts zu tun haben. Die Enthüllung des nächsten Verdächtigen mit dem Ende von Teil zwei sorgte im Februar dafür, dass man in sich zu Beginn von A Crooked Mile wieder auf der falschen Fährte wähnt, noch bevor man eigentlich Witterung aufgenommen hat. Zumindest ging es mir so.
Zugegeben, viele echte Hinweise hat Bigby bislang nicht bekommen und ich überlasse es selbstverständlich eurem Schnüfflergespür, rauszufinden, welche das waren. In einer idealen Welt bekämen Krimifans jedoch einen interaktiven Märchenmordfall, der schon früher mehr wirklich sachdienliche und weniger offenkundig vermeintliche Indizien offenbart. Sie bekämen gleichmäßig über den Verlauf der Handlung verteilt viele plausible und einige letzten Endes bedeutungslose Motive präsentiert, Alibis, die es zu entkräften oder zu bestätigen gilt. Und der Spieler als Bigby wäre der Filter, der aussiebt, was zielführend ist. Mit der Auflösung eines so aufgebauten Falles könnte man sich am Ende auf die Schulter klopfen. Aber dieser Bigby leitet die Ermittlungen nicht, er läuft ihnen hinterher - und zwar die dritte Episode in Folge.
Am Ende von A Crooked Mile wird klar: Es gab es zwei, drei dünne Andeutungen, die man sich mit sechs respektive zwei Monaten Abstand zu den Vorgängerepisoden nur schwerlich wieder ins Gedächtnis ruft. Hier ist das Episodenformat à la Telltale das erste Mal ein echtes Problem, denn die lange Wartezeit raubt der Enthüllung, die die Kreativen am Ende von Teil drei in zugegebenermaßen großem Stil und mit viel Spannung inszenieren, viel von ihrem Gewicht. Man will die Szene eigentlich genießen, ist aber zu sehr damit beschäftigt, zu grübeln, wie gewisse Punkte in den Gesamtkontext passen. Wer die Staffel in einem Rutsch spielt, hat definitiv bessere Karten.
Problematisch ist bisher auch das Thema Konsequenzen. Bigby gibt nun einmal meistens den einsamen Wolf und mit Ausnahme von Snow und einigen Randfiguren kann man sich noch nicht so richtig vorstellen, dass man den Verlauf dieser Geschichte wirklich beeinflusst hätte. In der größeren Gruppe enger miteinander verzahnter Charaktere eines The Walking Dead hatte man deutlich häufiger das Gefühl, Schicksale in der Hand zu haben.
Zudem fiel dort der geringe Interaktions- und Erkundungsgrad der Umgebungen nicht so sehr auf. Es ist zwar begrüßenswert, dass man in Episode drei von "WAU" wieder bestimmen darf, wohin man sich als Nächstes aufmacht, und die Balance zwischen Ermittlung und Action ist eindeutig besser getroffen als im direkten Vorgänger. Aber wo beim Zombie-Drama interessante Gespräche und Charaktermomente spielerische Leerstellen füllen, klickt ihr euch hier an deutlich kleineren Schauplätzen an drei oder vier Hotspots vorbei, führt ein, maximal zwei Gespräche und wundert euch ab und zu, dass es tatsächlich noch ein Inventar gibt. Dass ich erneut gerade einmal eineinhalb Stunden für den Abschluss dieser Episode brauchte - etwas, das mir in The Walking Dead nur in einem Fall gelang -, unterstreicht das Gefühl, hier unterm Strich noch etwas weniger Spiel zu bekommen als bei Kirkmans lebenden Toten.
Und doch ist The Wolf Among Us immer noch eine gute Investition. Man bereut keine Minute, die man sich auf dieses ebenso stilvolle wie fantasiereiche Universum einlässt, will dringend wissen, wie es weitergeht. Das liegt vor allem daran, dass Telltale den Ton der Geschichte im großen Ganzen ebenso spielend im Griff hat wie in den kleinen Gesten. Nur Wenige zeichnen interessantere Figuren, was A Crooked Mile mit lebhaft ausgearbeiteten Randcharakteren nachdrücklich bestätigt. Die Situationen, die an ihren Berührungspunkten entstehen, beschäftigen euch gekonnt mit der Frage, was für ein Typ euer Bigby sein soll. Ich wünschte schon jetzt, ich hätte in gewissen Situationen mein Temperament an die Leine genommen.
Wenn die Autoren in den letzten beiden Folgen die richtigen Fragen beantworten und es dem Spieler überlassen, aus einer Reihe von Hinweisen die richtigen oder, besser noch, falschen Schlüsse zu ziehen - ihr wisst schon: richtige Detektivarbeit -, wird für diesen Wolf im Menschenkleid noch alles gut. Falls nicht, muss sich Telltale eingestehen, dass man für einen Krimi vielleicht nicht die optimale Darreichungsform gewählt hat.