The Wolf Among Us, Episode 5: Cry Wolf - Test
Ein Ende, über das man sprechen wird.
Was für ein Auf und Ab! Nach einem fantastischen Start hing während der gesamten Staffel von Wolf Among Us doch ein unerfülltes Versprechen. Zwischen immer kürzeren Episoden und gefühlt zu langen Pausen dazwischen wurde Bigby mir letzten Endes doch noch ein guter Freund, dem ich jetzt mit ein bisschen Wehmut hinterherwinke. Wer weiß schon, wann Telltale Zeit für eine Fortsetzung finden wird - und ob die Umsetzung von Bill Willinghams Fables-Comic in Sachen Verkaufszahlen überhaupt eine Weiterführung rechtfertigt?
Wie dem auch sei, nach der phänomenalen ersten Staffel von The Walking Dead muss man trotzdem gestehen, dass die Kalifornier um Lucas-Arts-Urgestein Dave Grossman diverse Steilvorlagen nicht verwerteten, die das Material eigentlich hergab. Eine Noir-Detektivgeschichte, in der man der Handlung hilflos ausgeliefert ist, macht nach bekanntem Telltale-Muster Sinn, ist aber auch ein spürbarer Schritt zurück von der Entscheidungsfreiheit, die das Zombiedrama so gekonnt vorgaukelte.
Wenn man sich verkneifen konnte, durch mehrmaliges Spielen entscheidender Szenen hinter das Bühnenbild zu gucken, verspürte man in Lee und Clementines Geschicken eine deutlich größere Autorenschaft, hatte das Gefühl, die Charaktere und Zusammenstellung der Gruppe hing zum Teil auch am eigenen Handeln. In The Wolf Among Us rennt man der Handlung hinterher - seit Episode drei ist das überdeutlich -, anstatt den Takt anzugeben. Lediglich, welchen Ton man anschlagen will, hat man in der Hand.
Das gipfelt jetzt in der großen Klimax in einem spannenden Showdown, der im Grunde nur ein Ende mit unterschiedlichen Abstufungen von Kaltblütigkeit zulässt. Der Knalleffekt, der folgt, ist über die Länge der ersten Staffel gesehen geschickt konstruiert und vollauf verdient. Wir werden hierüber noch lange sprechen, diskutieren, was hier wie passierte, jede einzelne Episode noch einmal auf früh fallengelassene Hinweise abklopfen. Und am Ende sind sich alle einig, hier eine der besten Geschichten des Jahres erlebt zu haben. Aber es ist trotzdem ein bisschen schade, das Bigby Wolf nicht der ausgefuchste Detektiv sein durfte, der wie im Comic alles selbst zusammenpuzzelt.
Gen Finale - und der Spoiler hält sich in engen Grenzen für alle, die die Episoden eins bis vier schon hinter sich haben - sagt der Crooked Man, "Sie haben keine Beweise", reibt es einem mehrfach unter die Nase. Und er hat recht. Nichts könnte den bisherigen Verlauf der Ermittlungen besser zusammenfassen. Atemlos versucht man während dieser 90 Minuten folglich, mit den Anschuldigungen, Scharaden und Enthüllungen Schritt zu halten, sich einige teils vor Monaten erlebte Situationen und Aussagen wieder ins Gedächtnis zu rufen und gerät dabei oft genug ins Hintertreffen. Man ist nicht Columbo mit Muskeln, nicht Sherlock im scheckigen Pelz. Man ist eher die charismatische Version von Chazz Palminteri, dem es in der letzten Szene von Die Üblichen Verdächtigen die Kaffeetasse aus der Hand haut.
Klar, auch das muss man erzählerisch erst mal hinbekommen, aber in diesem Spiel war es nicht gerade ein fairer Fight. Telltale hielt seine Karten zu nah an der Brust und ließ einen nur selten hineinlunzen. Heavy Rain, ein Spiel mit zugegeben miserablem Buch und hanebüchener Geschichte, ließ da deutlich mehr zu. Der Killer konnte sogar entkommen, Hauptcharaktere schreckliche Tode sterben. In Bigbys Schuhen bleibt uns wenig mehr, als zu reagieren und die wenigen Hinweise aus dem Bauch heraus zu verwerten. Es ist natürlich fraglich, ob die Geschichte mit mehreren möglichen Ausgängen ein ähnlich aufgeregt diskutierbares Finale hergegeben hätte.
Überhaupt ist "reagieren" ein gutes Stichwort. Es gibt natürlich wieder einige schön choreografierte Kämpfe, doch auch hier habe ich nicht das Gefühl, dass meine Beteiligung maßgeblich etwas am Verlauf ändert. Ob ich einen Schläger nun nach links oder rechts abschüttele, ist mir herzlich egal und wenn im letzten großen Fight sogar korrekte Eingaben mit einem erlittenen Treffer quittiert werden, hat man kurz den Wunsch, den Controller wegzulegen. Es macht Spaß, als Bigby die Fetzen fliegen zu lassen und endlich sein wahres Naturell zu sehen, aber die Limitationen in Telltales Spielablauf sind hier deutlicher als vor zwei Jahren bei The Walking Dead.
Die ganz großen Momente blieben auf die komplette Länge der Staffel gesehen vielleicht aus. Dafür bekamen wir fabelhafte Dialoge, herrlich aufgelegte Sprecher und eine Stimmung, wie sie in der Welt der Spiele ohne Gleichen ist. Es ist ein Finale, das sich auch wie eines anfühlt, denn liegen alle Indizien am Ende auf dem Tisch, hängt dieser spezielle Kriminalfall deutlich besser zusammen, als ich es für möglich gehalten hätte. Dafür verdient Telltale großen Respekt.
Gerne würde ich all diese Figuren wiedersehen, viele von ihnen wurden etwas zu beiläufig eingeführt und hätten es verdient gehabt, dass sich der Fokus ein bisschen auf sie verschiebt. Telltale hat mit der mittlerweile nötigen Weiterentwicklung seiner Basismechanismen vorerst aber auch so genügend Arbeit vor der zu Recht stolzgeschwellten Brust.