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TheNightfall - Test

Die Nacht im Horrorhaus … und kein Bier!

Atmosphärisch dichtes Horror-Adventure, das ganz ohne Gegner oder ein Kampfsystem auskommt. Teilweise langatmig und mit Logiklücken.

Habt ihr manchmal Angst, wenn ihr allein seid und hört Dinge, die gar nicht da sind? Dann solltet ihr euch womöglich behandeln lassen, bevor ihr annehmt, dass diese Dinge wirklich existieren, die ihr da hört. Und bis ihr euren Arzttermin habt, begebt euch am besten in die Gesellschaft anderer und sorgt dafür, dass jemand auf euch aufpasst. Ebendas hätte Victoria auch gutgetan, der Protagonistin im Horror-Adventure TheNightfall. Victoria ist mit ihrer Familie in eine neue Stadt in den USA umgezogen und jetzt muss sie eine Nacht allein im neuen Haus verweilen, weil ihr Ehemann und die Kinder erst am nächsten Tag nachkommen. Ausräumen lassen hat sie das Haus vorher nicht, weshalb noch alles mit den Möbeln und Gegenständen der ehemaligen Mieter voll steht. Und wie sich bald herausstellt, haben diese Einrichtungsgegenstände teilweise ein Eigenleben.

Kennt ihr diese angeblichen Künstlerpuppen, die auf Teleshopping-Kanälen angeboten werden? Das ist das neue Sonderangebot.

Eigentlich sollte man ja meinen, dass Victoria nach einem harten Umzugstag eher dazu geneigt ist, ins Bett zu gehen und sich eine Mütze Schlaf zu gönnen, aber dazu hat sie bald nicht mehr die Nerven. Das liegt daran, dass im Haus merkwürdige Zettel auftauchen, die fetzenweise erzählen, was im Haus und bei den Nachbarn gegenüber passiert ist. Immer wenn ihr so einen Zettel findet, springt die Zeit eine halbe Stunde nach vorne und der Spielstand wird gespeichert. Danach findet ihr das Haus in leicht veränderter Form vor. Gegenstände sind an anderen Stellen, Türen offen, die zuvor verschlossen waren und umgekehrt. Ein wenig fragt man sich, wie es dazu kam. Lebt Victoria in einem zeitlosen Loch und wird dann zeitweise bewusstlos während ihr vor dem Bildschirm den Ladehinweis seht, nur um dann in einer veränderten Realität wieder aufzuwachen? Erklären lassen sich diese Phänomene nicht so wirklich, aber das gehört teilweise noch zum Charme des Spiels, das bewusst mit typischen Horrorklischees spielt.

Da sind beispielsweise Puppen, die manchmal leicht ihren Kopf oder die Augen bewegen, Türen, die sich plötzlich schließen, das Telefon, das klingelt, aber nur einmal. Oder die permanenten Klingelstreiche an der Haustür, bei denen aber (fast) nie jemand wirklich davorsteht. Und der unvermeidliche Clown. Komischerweise reichen diese Kleinigkeiten für eine recht persistente Gänsehaut. Doof nur, dass sie sich abnutzen und dass sie für die Abnutzung recht viel Zeit bekommen. Das liegt daran, dass ihr euch in weiten Teilen des Spiels auf der Suche nach besagten Zetteln durch das Haus bewegt, denn nur sie lösen den Spielfortschritt aus. Manchmal gibt das Spiel zwar kleinere Hinweise, wo sich die nächste Notiz befindet, wirklich eindeutig sind die aber nie. Diese ausufernden Suchorgien nehmen TheNightfall einiges von seinem Horror - es ist ein bisschen, als bedrohe ein mysteriöses Böses zwar die Protagonistin, als sei diese davon aber gänzlich unbeeindruckt. Denn: sie muss Zettel suchen.

Gott sei Dank, wieder hat Victoria einen Zettel gefunden. Wieder vergeht eine halbe Stunde.

Kein Problem, dachte ich mir, und habe erst mal in aller Ruhe das Haus erkundet, um es besser kennenzulernen. Nett: Das Spiel hält unter anderem eine alte Atari-2600-artige Retrokonsole bereit, auf der ihr sogar spielen könnt, wenn ihr im Haus die entsprechenden Module findet, darunter Pac-Man- und Space-Invaders-Klone. In der Küche gibt's davon abgesehen einen vollen Kühlschrank und ein paar Dosen Bier. Komisch: Victoria weigert sich, welches zu trinken. Dabei wäre das ziemlich genau, was ich in dieser Situation machen würde. Okay, ich bin offenbar ein bisschen mit den Nerven durch, sehe Dinge, die gar nicht da sein können. Also ein paar Bier, eine Fertigpizza und dann ab ins Bett. Aber nicht nur, dass die Pizza leicht verbrennt, Victoria sagt euch ernsthaft ins Gesicht: "Ich mag kein Bier". Rätselhaft.

Noch rätselhafter als das ist aber, dass Victoria nach einiger Zeit nicht mehr das Haus verlassen kann, weil die Tür verschlossen ist. Gleichzeitig könnt ihr aber absolut jedes Fenster öffnen, auch im Erdgeschoss. Und es wäre kein Problem für Victoria, da durchzuhüpfen. Die Option bietet das Spiel aber gar nicht erst an, was die Immersion leider doch sehr stört. Ein beklommenes, eingesperrtes Gefühl will einfach nicht aufkommen, wenn überall alle Fenster sperrangelweit offen sind und bei den Nachbarn gegenüber sichtbar Licht brennt. Victoria könnte auch einfach aus dem Fenster um Hilfe rufen - macht sie aber nicht. Stattdessen nutzt sie ihre Stimme beispielsweise, um zu kommentieren, warum ihr euer Abbild nicht seht, wenn ihr im Bad in den Spiel blickt - weil die Engine das nicht kann, nämlich. Und ja, die Entwickler geben das einfach frei von der Leber weg zu. Ich nahm daher an, in diesem Spiel kommen keine sichtbaren menschlichen Figuren vor. Umso mehr erschrocken bin ich dann später und ehrlich gesagt halte ich das für einigermaßen klug, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es Absicht war: Die Entwickler nutzen die technischen Defizite des Spiels, um einen Spieler zu erschrecken, der bereits mit Computerspiellogik denkt. Teilweise. Denn an anderer Stelle setzen sie dann wiederum recht billige Jump-Scares wie Lichtblitze ein, um euch zu erschrecken. Das wiederum sicher mit Absicht.

... sagte niemand. Jemals.

Sicher keine Absicht ist dagegen die schwache technische Performance des Spiels. Mein Rechner ist zugegeben nicht mehr der jüngste, hat aber in der Regel keine größeren Probleme mit den höheren Grafikeinstellungen aktueller AAA-Spiele. Dennoch ruckelte TheNightfall in einigen Räumen des Horrorhauses ziemlich vor sich hin, obwohl für mich nicht so recht erkennbar war, was genau diesen Performance-Einbruch eigentlich gerade verursachte. Die Grafikqualität lässt sich aber natürlich auch herunterregeln, was in meinem Fall geholfen hat, ohne dass ich merkliche Qualitätseinbußen wahrnehmen konnte.

Ein Wort noch zur deutschen Synchronsprecherin: Sie klingt nicht wie eine Synchronsprecherin. Das ist ziemlich ungewohnt, denn ihre Stimme hört sich schlichtweg an wie eine, die ihr auch in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit hören könntet. Das macht sie einerseits authentisch, auf der anderen Seite wirken die eingesprochenen Zeilen aber manchmal hölzern und gekünstelt. Insbesondere dann, wenn ihr schon wisst, dass es im Horrorhaus nicht mit rechten Dingen zugeht und sie dennoch mit süffisantem Ton kommentiert, dass sie grade keine Zeit für den Vibrator hat, den ihr in der Schlafzimmerschublade findet. Sowas mag als netter Gag am Rande gedacht gewesen sein, steht der gewollten Stimmung des Spiels aber derart diametral gegenüber, dass es schlicht unpassend wirkt. Kennt ihr den Effekt, wenn ihr einen Tropfen Spülmittel in eine fettige Pfanne gebt? Rundherum bildet sich dann ein Kreis, ihr seht, wie das Fett sich dort löst. So etwa verhält sich ein Vibratorwitz in einem Horrorspiel. Der Horror löst sich. Und das ist nicht gut.

Nett: Eine Runde Pac-Man im Horrorhaus.

TheNightfall ist kein durch und durch schlechtes Spiel. Es hat seine Momente, die Härchen auf dem Arm stellen sich auf, das Herz pocht schneller und manchmal möchte man einfach wegschauen. Doof nur, dass die Entwickler diese eigentlich gute Atmosphäre selbst torpedieren. Mit unnötig simplen Jump-Scares einerseits, aber auch mit unpassenden Witzchen und dem alles überschattenden Logikfehler mit den offenen Fenstern. Je nachdem, wie gut ihr beim Zettelsuchen seid, braucht ihr etwa acht bis neun Stunden, um die Endsequenz zu erleben. Das hätte aber alles auch schneller gehen können, hätte man dem Spieler nur ein paar mehr Hinweise gegeben. Schlechter gemacht hätte es das Spiel nicht - im Gegenteil. TheNightfall ist ein Spiel für Menschen, die eine Spielwelt sehr, sehr ausführlich erkunden. Mit Geduld und Spucke. Und die es schaffen, sich selbst eine Lösung dafür einfallen zu lassen, warum Victoria nicht durch Fenster klettern kann. Und warum sie kein Bier trinkt.


Entwickler/Publisher: VIS Games/Silent Future - Erscheint für: PC - Preis: 22,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein

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Markus Grundmann Avatar
Markus Grundmann: Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

TheNightfall

PC, Mac

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