This War of Mine: The Little Ones - Test
War never changes? Warum fühlt sich der hier dann so anders an?
Etwas über ein Jahr nach der ersten Veröffentlichung am PC hat This War of Mine auch in seiner Konsolenversion nichts an Aktualität eingebüßt. Tatsächlich können wir die Erinnerung an die Grauen eines Bürgerkrieges heute besser gebrauchen denn je. Lösungen dafür hat auch dieses Spiel keine parat. Wie könnte es auch? Aber es steckt einen in glaubwürdige und nur sehr selten konstruiert wirkende Situationen, die dem durchschnittlich privilegierten Erste-Welt-Bewohner ein bisschen Demut einbläuen.
Zum eigentlichen Ablauf habe ich in unserem ursprünglichen Test zu This War of Mine alles gesagt. Es bleibt auch in The Little Ones, das das Konsolendebüt mit einem exklusiven Update verziert, im Großen und Ganzen dabei: Das hier ist eine sehr spielenswerte, nachdenklich machende, Life-Simulation in einer Welt, in der das Leben ringsum schon längst zum Erliegen kam. Eine Handvoll Überlebende trotzen dem Hunger und der Kälte, indem sie und nach und nach ihren ausgebombten Unterschlupf befestigen und bewohnbar machen. Das beginnt mit Betten, einem improvisierten Herd und Brettern vor den Löchern in den Wänden.
Nachts muss wohl oder übel einer von ihnen auf Ressourcenjagd gehen. Der Rest fragt sich, wer darf schlafen und wo? Wer hält Wache, um Plünderer in Schach zu halten, während ein Dritter Kopf und Kragen riskiert, um Nahrung, Bauteile oder Medikamente zu besorgen? 40 Tage überleben bis zum Waffenstillstand - das ist das Ziel, während ihr Gesundheitszustand, Magenknurren und Gemüt im Blick behaltet. Bis heute habe ich es nicht einmal geschafft, meine PTBS-Wohngemeinschaft aus dem Krisengebiet zu evakuieren. Regelmäßig erreichte ich einen Punkt, an dem ich mir ein System zurechtgelegt hatte, meine WG wie ein Uhrwerk tickte und wir gut auf den eigenen Beinen stehen konnten.
Selbst herangezogenes Gemüse bescherte uns und unserem Nachbarn, mit dem wir regelmäßig für beide Seiten lukrative Tauschgeschäfte eingingen, einen vollen Magen. Eine durch einen glücklichen Zufall erlangte Schrotflinte half, unser Hab und Gut des Nachts zu schützen, und auch sonst fehlte es uns - außer an alltäglichen Verbrauchsgegenständen - an wenig. Dann wurde Boris angeschossen, nachdem er sich mit den falschen Leuten angelegt hatte. Nach zwei Tagen gingen uns die (teuren) Bandagen aus. Am vierten verschlechterte sich sein Zustand. Am sechsten starb er, was Christo in eine lähmende Depression stürzte.
Ohne den kräftigen Boris brachte ich von nächtlichen Raubzügen nur noch gut ein Drittel der Güter mit nach Hause - ganz zu schweigen davon, dass der Schlaf- und Arbeitsrhythmus durch die Umstellung empfindlich gestört wurde. Von hieran war das einst fast als gesichert erscheinende Überleben eine Wendeltreppe abwärts. Mit jedem Tag eine neue Stufe nach unten, bis schließlich auch Christo unter der Erde lag, seine junge Tochter Iskra Reißaus nahm und nie wieder gesehen wurde.
Das ist vielleicht der eine Punkt, den man diesem sonst so bewundernswert wenig moralisierenden Spiel vorhalten kann: Die neu hinzugekommenen Kinder, die die Bedürfnisse der Erwachsenen teilen, ohne - ganz nüchtern betrachtet - etwas Essbares zum Kollektiv beizutragen, laufen im schlimmsten Fall weg. Zumindest ist es mir bisher nicht anders passiert. Ich bin niemand, der sich gerne Bilder toter Heranwachsender ansieht. Im Gegenteil. Aber dieses Spiel näherte sich dem Tod bisher mit einer Sachlichkeit, mit der es auch diesem schwierigen Thema hätte Herr werden können. Es richtete immer den Blick dorthin, wo es für normal-empathische Menschen wehtut. Im Fall der Kinder schaut es weg. Ich weiß, das macht es erträglicher. Aber dieses Spiel war bisher eigentlich keines, das seinen Spieler in Watte packte.
Trotzdem gefällt die Einbindung der Kinder unterm Strich durchaus. Sie sorgen für mehr Dialoge der Bewohner untereinander, erhellen nebenher bei Springspielen und mit Wachsmalkreiden das Gemüt. Auch noch ihre Bedürfnisse im Blick zu haben, ein hungriger Mund mehr, den es zu stopfen gilt, das ist im Grunde der spielerische und emotionale Hard-Mode eines Titels, der ohnehin schon alles andere als einfach war.
Die Umsetzung auf Konsole ist im Rahmen der Möglichkeiten einer umgesetzten Maus-und-Tastatur-Steuerung gut gelungen. Die Figuren bewegen sich gerade beim nächtlichen Schleichen ein wenig zu träge, wenn Präzision gefordert ist. Und bis zum Ernstfall der ersten (wenngleich immer optionalen) Gewaltanwendung wenig bis gar keine Gelegenheit zu haben, diese gewöhnungsbedürftig umgesetzten Mechanismen vorher auszuprobieren, ist ein möglicherweise verhängnisvolles Zugeständnis an die zentrale Prämisse. Immerhin sollen hier Zivilisten im Kriegsgebiet abgebildet werden. Aber es ist schon hart, wenn die Chancen, bei seinem ersten Kontakt mit einem bewaffneten und schießwütigen Plünderer direkt draufzugehen, bei 60:40 stehen. Auch ansonsten muss man sich erst daran gewöhnen, das Point-and-Click-Interface nun mit einer Mischung aus direkter Figurensteuerung mit dem Analogstick und per Steuerkreuz auswählbarer Interaktionspunkte anzugehen. Es ist nicht schlecht. Nur eben nicht alltäglich.
This War of Mine: The Little Ones macht gerade in seiner Nüchternheit so betroffen. Das hier sind zwar nicht wirklich ausgearbeitete Charaktere, sondern unterm Strich eben doch Ressourcen. Boris, Bruno und Katia könnten genau so gut "Looter", "Koch" oder "Händler" heißen. Und dennoch - oder gerade deshalb - ist die Distanz, die hier aufgebaut wird, der einer Nachrichtensendung aus einem Krisengebiet nicht unähnlich. Dadurch wird This War of Mine zu einem Fenster in eine Welt, in der man sich niemals wiederfinden möchte. Man ist froh über die Scheibe, die einen davon trennt. Die Erdung, die man erfährt, wenn man hindurchblickt, ist eine unschätzbare Erfahrung.