Thronefall im Test ist ein kleines Wunder von einem Spiel: Strategie, für die sogar ich Zeit finde
Berliner Süchtigmacher.
Machen wir das hier kurz, denn ich bin nach einem Early Access, der unbemerkt an mir vorbeigezogen ist, ohnehin schon zu spät zu dieser speziellen Party. Ich habe den einen oder anderen Tanz nachzuholen und keine Zeit, lange darüber zu palavern, wie Thronefall meine erkaltete Liebe zu Echtzeitstrategie neu entfachte. Oder darüber, wie gut es sich anfühlt, auf diesen brillant austarierten Karten High Scores nachzujagen und bei erneuten Durchgängen Quests zu absolvieren.
Eigentlich gibt es auch nicht so viel zu erzählen, das man nicht besser am eigenen Leib erfährt. Ihr solltet nur wissen, dass Thronefall keine zehn Euro kostet und auch die grauen Zellen von Hobby-Burgenbauern kitzelt, die heutzutage keine Zeit mehr haben, himmelhohe Technologiebäume raufzuklettern. Allein dafür liebe ich es, denn es opfert dennoch keine Spieltiefe.
Schlachtengewusel aus Berlin
Thronefall kommt von den Berlinern bei Grizzly Games, die mit Superflight und Islanders (damals in Kollaboration mit Coatsink) bereits stichhaltig demonstriert haben, dass sie wahnsinnig etwas auf dem Kasten haben, wenn es darum geht, Spielideen auf ihre Essenz herunterzukochen und sie optisch ansprechend zu präsentieren. Dieses “Aufbauen bei Tag, verteidigen bei Nacht” mit Leihgaben von Echtzeitstrategie, Tower Defense und Hack and Slay ist wunderbar eingängig und noch dazu bildhübsch, wenn es sich auf drei bis vier wohlgewählte Farben pro Karte verlässt.
Das Ziel ist im Basis-Spielmodus jedes Mal: 12 Nächte überstehen. Als Miniatur-König reitet ihr selbst über die Karte, platziert an definierten Bauplätzen Häuser, Kasernen, Türme, Burmauern, Felder und dergleichen, bis keine Taler mehr im Geldbeutel klimpern. Dies tut ihr jedes Mal mit dem Wissen, aus welcher Richtung die Feinde des Nachts antanzen werden. Das Spiel verrät euch sogar, welche es sind. Ob es Fußvolk ist, fliegendes Getier, Belagerungsmaschinerie – Wissen, das ihr einsetzt, um euch in dem Rahmen, den euer Konto zulässt, vorzubereiten.
Upgrades des Bergfrieds sind teuer, schalten aber auch neue Bauplätze und Verbesserungen eurer Einrichtungen frei – unter anderem vergrößert ihr an Kasernen eure Armeen. Zeitdruck gibt es an sich keinen, denn die Nacht leitet ihr auf Knopfdruck selbst ein, wenn ihr denkt, ihr seid bereit. Und dann rückt sie an, die Welle der Vernichtung, hackt mit der ausgewählten Waffe automatisiert auf sie ein, kitet Feinde vorsichtig von wichtigen Anlagen weg und timed euren aktiven Skill so, dass er maximale Wirkung erbringt – mit dem Breitschwert ist es etwa ein Rundumschlag, der viele Gegner zugleich trifft.
Jede Runde ist ein aufs Neue ein spannendes Austarieren, wie lange ihr vornehmlich in den Ausbau der Wirtschaft investieren könnt und wann ihr alles Geld in das Aufrüsten und Verbessern eurer Armee steckt; wie ihr das Verhalten der unterschiedlichen Gegner zusammen mit der Topographie der Karte zu euren Gunsten einsetzt. Wo ihr Nah- und wo ihr Fernkämpfer platziert – und welche. Wird euer Burgzentrum zerstört, seid ihr Game Over, dürft aber den vorangegangenen Tag noch einmal spielen, was mich oft genug davor bewahrte, die komplette Map noch einmal von vorn anzugehen.
Ist das doch mal der Fall, ist es nicht so schlimm, denn ihr schaltet mit jedem Level-Aufstieg zwischen den Partien neue Perks frei, von denen ihr später bis zu fünf auf einmal wählen könnt. Sie verändern maßgeblich, wie ihr spielt, und garantieren dadurch Abwechslung. Manche Perks stärken eure Häuser oder lassen sie sogar schießen, sodass ihr vielleicht weniger Türme bauen müsst. Andere verbessern eure Soldaten. Außerdem bekommt ihr regelmäßig neue Waffen, die die Arbeitsteilung zwischen euch und euren Truppen verschieben. Und auf welche Einheiten ihr euch beim Bau der Kasernen festlegt, welche Art von Feldern eure Höfe anlegen sollen und welche Art von Turm ihr errichtet… all das verändert die Maps genug, dass es immer wieder Spaß macht, sich auf eine andere Art einzuigeln.
Aus wenig viel machen
Und dann sind da die Mutatoren, die hauptsächlich dafür da sind, euer Leben schwieriger zu machen etwa wenn die Gegner weniger Gold, dafür ein Sieg aber mehr Punkte und Erfahrungspunkte einbringen, oder sich Gebäude mit dem Morgengrauen nicht vollständig, sondern nur zu einem Viertel reparieren. Optionale Quests, die ich eher als Herausforderungen beschreiben würde, verlangen zudem von euch, eine Karte auf bestimmte Art zu gewinnen, zum Beispiel, indem ihr mit bestimmten Mutatoren spielt oder auf bestimmte Einheiten oder Gebäude setzen beziehungsweise verzichten müsst. Man muss Lust auf diese Systeme und den allgemeinen Ablauf haben, denn irgendwann ist man mit den zehn Karten durch. Aber es macht sehr viel Spaß, sich allem zu stellen, was das Spiel einem entgegenzustellen hat, weil es euch auch durchweg mit anderen Thronefall-Spielern eurer Freundesliste vergleicht.
Überhaupt macht das Spiel schon bei den Basics so vieles richtig: Nicht nur ist es visuell sehr klar und in der Handhabung wundervoll Controller-tauglich, es ist auch haptisch-wie akustisch sehr schön gemacht. Unfassbar befriedigend klunkern die erwirtschafteten Goldmünzen jeden Morgen auf euren Helden ein, das satte “kronkh”, mit dem ihr Gebäude in die Landschaft pflanzt oder das Rasseln der Kettenhemden, wenn ihr eine Einheit irgendwie strammstehen lasst, um eine Position zu verteidigen, quittieren eure Befehle auf eine Weise, die ihr fast spüren könnt. Selbst die Art, wie Erfahrungspunkte bei der Endabrechnung auf euer Konto prasseln, ist hochgradig ASMR-tauglich. Und das beste? Thronefall kommt mit dem Controller nicht weniger gut als mit Maus und Tastatur. Ich spiele es unfassbar gern auf dem Fernseher oder mit dem Steam Deck in der Hand.
Thronefall – Fazit
Es ist keine kleine Kunst, wie Grizzly Games seine einfachen, aber doch packenden Spielideen in optisch aparte Pakete verpackt. In der Reduktion auf die wichtigen Dinge kommen sie dem ursprünglichen Kern vertrauter Konzepte unfassbar nahe, finden in Thronefall die Wahrheit und Schönheit und Spannung klassischer Strategie, ohne dass ihr auch nur einen Tool-Tipp lesen müsstet. Ich bin normalerweise kein Score-Jäger, aber hier macht es mir großen Spaß, die Karten genau kennenzulernen und in den Perks, Waffen und Mutatoren nach Synergien zu forschen, die mich auf der Rangliste an Freunden vorbeirutschen lassen.Für einen Zehner könnt ihr dieses Jahr kaum mehr Spaß haben als mit Thronefall.
"Machen wir es kurz", hat er gesagt. Und dann doch über 1000 Worte geschrieben...